75 Jahre später: Hat die Welt nichts gelernt?
16. November 2014
Hamburg. Mit einer Lichterprozession ist an die Lübecker Märtyrer erinnert worden. Bischöfin Fehrs rief dazu auf, dem aktuellen Terror andere Werte entgegenzusetzen: Glaube und Friedensvisionen.
Hamburgs Bischöfin Kirsten Fehrs hat dazu aufgerufen, auch angesichts von Terror und Gewalt die eigenen Werte zu bewahren. "Wir müssen und wir können dem Terror eine Haltung entgegensetzen, auch jenseits jeder Diskussion um Waffenlieferungen", sagte sie am Sonntagabend nach einer Lichterprozession bei einer Gedenkveranstaltung für die vier Lübecker Märtyrer im Michel. Dazu gehörten der Glaube und "unerschütterliche Friedensvisionen".
Mit der ökumenischen Feier erinnerten die Nordkirche und das Erzbistum Hamburg an die katholischen Kapläne Hermann Lange, Eduard Müller und Johannes Prassek sowie an den evangelischen Pastor Karl Friedrich Stellbrink. Die Männer waren gemeinsam in Lübeck tätig und kritisierten in Predigten und Gesprächen das NS-Regime. Am 10. November 1943 starben sie im Hamburger Untersuchungsgefängnis am Holstenglacis unter dem Fallbeil.
"Mutig und unerschrocken"
Die Lübecker Märtyrer seien "sehr mutig und unerschrocken" gewesen, sagte Fehrs. Doch 100 Jahre nach Beginn des Ersten und 75 Jahre nach Beginn des Zweiten Weltkrieges scheine die Welt "kaum etwas gelernt zu haben aus diesen mörderischen Ereignissen". Wieder breite sich Schrecken und Terror aus, in Syrien, im Irak und in vielen anderen Ländern: "In blindem Hass und taub gegenüber jeder Initiative zum Frieden agieren in jenen Ländern Soldaten, Milizen, Terroristen - wer vermag sie überhaupt noch zu unterscheiden?", fragte Fehrs.
Angesichts der Gewalt versage Vernunft und rationales Begreifen. Es sei "schwieriger denn je, jetzt Gut und Böse auszumachen". Doch sie wolle "nicht einstimmen in den Chor derjenigen, die jetzt einen weltweiten Kulturkampf zwischen Christentum und Islam ausrufen." Die SS-Männer in der Nazi-Diktatur seien "fast alle getaufte Christen" gewesen, konfirmiert oder firmiert. Und sie seien Mörder gewesen, wie heute die IS-Männer in Syrien.
Dem Schrecken den Glauben entgegenhalten
"Ob SS oder IS, es sind immer die martialischen, zischenden Abkürzungen, es ist immer die Vernichtung", sagte Fehrs. Und immer wieder sei da "der Schreck vor dem Schrecken". Von diesem Schrecken dürfe man sich nicht überwinden lassen: "Wir halten ihm unerschütterlich unseren Glauben, unsere Werte und unsere Vision vom Frieden entgegen."
Die Gedenkfeier findet regelmäßig um den Todestag der Lübecker Märtyrer herum statt. In diesem Jahr begann sie an den Gedenktafeln für die Ermordeten in den Kleinen Wallanlagen hinter dem Hamburger Untersuchungsgefängnis Holstenglacis. In einer Lichterprozession gingen die Teilnehmer zur Hauptkirche St. Michaelis, wo der Gottesdienst in der Krypta fortgesetzt wurde. Geleitet wurde die Feier von Bischöfin Kirsten Fehrs und dem katholischen Weihbischof Norbert Werbs aus Schwerin.