Die jüngsten Nazi-Opfer starben im Keller am Bullenhuser Damm
20. April 2015
Hamburg. Der Befehl kam, kurz bevor die britischen Truppen Hamburg erreichten: Im Keller einer Schule ermorderten Nazis 20 jüdische Kinder. Mit einer Feierstunde heute wird an die jüngsten Nazi-Opfer erinnert.
Vor 70 Jahren, am 20. April 1945, wurden in der Hamburger Schule am Bullenhuser Damm 20 jüdische Kinder ermordet. Sie stammten aus Polen, Italien, Frankreich, den Niederlanden und Jugoslawien und waren zuvor für medizinische Versuche missbraucht worden. Sie wurden „an Haken wie Bilder an der Wand gehängt“, berichtete der Täter, SS-Unterscharführer Johann Frahm, später im Prozess.
Mit einer Feierstunde in der Schule wird Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) am heutigen Montag um 18 Uhr an die Opfer erinnern. Unter den Gästen wird auch Bischöfin Kirsten Fehrs sein. Jugendliche aus fünf Nationen wollen ihre Recherche-Ergebnisse vorstellen.
Die Kinder waren zwischen sechs und zwölf Jahre alt und kamen aus dem KZ Auschwitz. Der SS-Arzt Kurt Heißmeyer benutzte sie im Hamburger KZ Neuengamme für seine Untersuchungen über Tuberkulose. Er infizierte sie mit Tbc-Erregern, weil er erforschen wollte, wie sie auf einen „rassisch erschöpften“ Körper, wie es in der NS-Ideologie hieß, reagieren. Später wurden ihnen die Lymphdrüsen (Axillardrüsen) aus den Achselhöhlen herausoperiert. Die von Heißmeyer erwartete Bildung von Tbc-Antikörpern wurde nicht nachgewiesen.
Spuren sollten verwischt werden
Kurz bevor die britischen Truppen Hamburg erreichten, kam der Befehl aus Berlin, die Kinder zu töten. Damit sollten die Spuren der medizinischen Experimente beseitigt werden. Die Kinder wurden vom KZ Neuengamme in die ehemalige Schule im Stadtteil Rothenburgsort gebracht und nach einer Betäubung mit Morphium im Keller erhängt. Mit ihnen starben auch vier Betreuer, zwei französische Mediziner, zwei niederländische Krankenpfleger sowie 24 sowjetische Kriegsgefangene. Die Leichen wurden vermutlich im Krematorium Neuengamme verbrannt. 13 Tage später kapitulierte Hamburg.
Die Schule war 1944 zur KZ-Außenstelle umgebaut worden. Von 1948 bis 1987 wurde das Gebäude wieder als Schule genutzt, erst 1980 war es vom Hamburger Senat zur Gedenkstätte erklärt und nach dem polnischen Arzt und Pädagogen Janusz Korczak benannt worden. In den Kellerräumen informiert heute eine kleine Ausstellung über die Geschichte der Kinder vom Bullenhuser Damm.
Gedenktafeln im Rosengarten
20 kleine Koffer geben Auskunft über die Schicksale der Kinder, vier weitere erinnern an die erwachsenen Opfer. In einem angrenzenden Rosengarten hängen Gedenktafeln für die ermordeten Kinder. Die ehemaligen Schulräume werden heute von einem Therapiezentrum genutzt. Außerdem ist hier die Kindertagesstätte „Sonnenschein“ untergebracht. Zum diesjährigen Gedenktag (16.April) reisen 40 Jugendliche aus Italien, Frankreich, Polen und den Niederlanden – den Herkunftsländern der ermordeten Kinder – nach Hamburg. Sie haben in ihrer Heimat nach Spuren des Gedenkens geforscht und wollen sie mit zehn Hamburger Jugendlichen in einem Workshop zusammentragen. Die Ergebnisse werden auf der Gedenkfeier präsentiert.
Info
Öffnungszeiten: Sonntag 10 bis 17 Uhr, der Rosengarten ist immer geöffnet. Der Eintritt ist frei.