Gefängnispastor im Porträt

Hinter Gittern feiert er „Himmlische Treffs“

Pastor Wolfgang Speck am Tor der JVA Hahnöfersand
Pastor Wolfgang Speck am Tor der JVA Hahnöfersand© Timo Teggatz / Evangelische Zeitung

21. Dezember 2014 von Timo Teggatz

Hamburg. Wenn Pastor Speck eine Liturgie feiert, ist weit und breit keine Kirche in Sicht. Der Hamburger predigt hinter Stacheldraht und Gitterstäben – in einem Jugend-Gefängnis. Dort organisiert der 61-Jährige „Himmlische Treffs“.

In dem Gefängnis Hahnöfersand auf einer Elbinsel vor den Toren Hamburgs verbüßen junge Männer ihre Strafe, die ältesten sind 23 Jahre alt, die jüngsten gerade einmal 14. An der Liste ihrer Delikte lässt sich nicht erkennen, wie jung sie sind: Die Häftlinge sind verurteilt wegen Einbruch, Raub oder Totschlag.

„Es ist eine herausfordernde Arbeit“, sagt der Theologe, der sich bei seiner Arbeit auf die Pfeiler Seelsorge und Gottesdienst stützt, genau wie alle Gefängnispastoren. Doch bei Wolfgang Speck gibt es eine entscheidende Ausnahme: Mit evangelischen Gottesdiensten kommt er auf Hahnöfersand nicht weit. Das erkannte der Pastor ziemlich schnell. Denn etwa 70 Prozent der  115 Häftlinge seien Muslime. „Getaufte Christen sind die absolute Ausnahme“, berichtet Speck.

Vom IS-Terror bis zum „Männerbild Macho“

Also kam der Pastor auf die Idee, eine andere religiöse Veranstaltung einzuführen: den „Himmlischen Treff“. Regelmäßig versammelt er die Insassen in ihren Wohngruppen zu Gesprächsrunden. Dann wird eine Stunde lang diskutiert über ein Thema, das Speck festlegt. Über Drogen haben sie schon debattiert und über das „Männerbild Macho“. Aber auch aktuelle Themen stehen auf der Liste, etwa die Flüchtlingsproblematik oder der Terror des IS.

Viel Wert legt der Theologe auf den liturgischen Beginn des „Himmlischen Treffs“. In den ersten Minuten singt Wolfgang Speck „Du Gott des Friedens“ - auf Arabisch und auf Deutsch. Außerdem zitiert er eine Stelle aus der Bibel. Eine inhaltlich ähnliche Sure trägt dann ein Häftling aus dem Koran vor, bevor Speck sie auf Deutsch vorliest. Überhaupt die Sprache: „Es ist ein richtiger Mix“, sagt Speck. Ständig muss in viele Sprachen übersetzt werden, sowohl von den Häftlingen als als auch vom Pastor, der Englisch, Spanisch und Französisch spricht. Mit den „Himmlischen Treffs“ trifft Speck offenbar den Nerv der Insassen. Mindestens 90 Prozent würden regelmäßig teilnehmen – und das freiwillig. „Das zeigt, dass sie durchaus religiös interessiert sind“, meint der Theologe, der zudem als Pastor im offenen Vollzug im Gefängnis Glasmoor arbeitet.

„Intensive, erfüllende Seelsorge-Gespräche“

Neben den Diskussionen in der Gruppe führt Seelsorger Speck viele Einzelgespräche. Manche würden ihn gleich beim ersten Treffen fragen, ob sie wegen ihrer Taten in die Hölle kommen würden. Dann nimmt Speck ihnen zunächst die oft alt hergebrachte Vorstellung vom Fegefeuer und macht deutlich, dass das Verhalten zu Lebzeiten durchaus Einfluss auf das Leben vor und nach dem Tod hat. „Noch nie habe ich so intensive, erfüllende Seelsorge-Gespräche geführt“, sagt Speck, der auf eine lange theologische Laufbahn zurückblickt. Sieben Jahre war er Gemeindepastor in Hamburg-Bramfeld, sechs Jahre EKD-Pfarrer in La Paz (Bolivien), elf Jahre arbeitete er in der Militärseelsorge. Seit vier Jahren ist er Gefängnis-Pastor und hat in den Gesprächen mit den Häftlingen gelernt: „Jeder Mensch hat einen göttlichen Kern“.

Auch wenn die Mehrheit Muslime sind: Weihnachten ist auch für die Gefangenen eine besondere Zeit. Pastor Speck geht Heiligabend ins Gefängnis und hält für jede Wohngruppe mit ihren 15 Insassen eine Andacht. Im Gepäck hat er dabei für jeden Gefangenen ein kleines Geschenk.

Keine Angst vor Übergriffen

Beim täglichen Umgang mit Gewalttätern – schwingt da Angst vor Übergriffen mit? Nein, sagt Wolfgang Speck. Zu groß sei die Ehrfurcht der Häftlinge vor der Religion, er werde als väterliches Gegenüber gesehen. „In vier Jahren ist mir nur zweimal eine Cappuccino-Dose geklaut worden.“ Und als er die Frage in die Runde stellte, warum denn hier die Kirche beklaut werde, hätten die Täter ihren Diebstahl zugegeben. Doch unterschätzen darf man die Gefahr nicht. Auch das sagt Speck klar und deutlich. Zu kämpfen haben vor allem die Angestellten des Gefängnisses, für die der Geistliche ebenfalls zuständig ist. Sie müssen Beschimpfungen ertragen und sich manchmal auch gegen Übergriffe wehren.

Zurückhaltend reagiert Speck, wenn er gefragt wird, ob er die Häftlinge auf den richtigen Weg bringen kann. „Da bin ich sehr bescheiden“, gibt er zu. Wenn sie entlassen werden, kehren die Häftlinge meistens in ihren alten Stadtteil zurück – und haben dort wieder mit ihren alten Problemen zu kämpfen. Deshalb wünscht sich Speck mehr Hilfe für Ex-Häftlinge, etwa bei der Suche nach einem Job oder beim Abschluss der Schule.

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