NS-Zeit

Landeskirche trieb jüdisch-stämmigen Pastor ins Exil

Pastor Hans-Ludwig Wagner.
Pastor Hans-Ludwig Wagner.© Universitätsarchiv Rostock

25. Februar 2013 von Simone Viere

Hamburg/Dachau. Die evangelische Kirche erinnert an den jüdisch-stämmigen Pastor Hans-Ludwig Wagner (1913-1993), der am Montag, 25. Februar, 100 Jahre alt geworden wäre. Die Hamburgische Landeskirche hatte 1937 eine Einstellung Wagners abgelehnt, so dass er nach Nordamerika auswandern musste. Doch mit seiner Emigration entkam er seiner mutmaßlichen Ermordung im KZ. Im Ruhestand übernahm Wagner später das Pfarramt an der KZ-Gedenkstätte Dachau (bei München).

Wagner wuchs in einer wohlhabenden, liberalen Familie in Hamburg auf. Sein jüdischer Vater war Gewürzgroßhändler, seine Mutter Konzertsängerin, deren jüdische Eltern zum Christentum konvertiert waren. Nach dem Abitur 1933 studierte er Theologie in Bethel und Rostock. Die Hamburgische Landeskirche verweigerte ihm 1936 zunächst sogar die Zulassung zum Examen. Der Dienst in einer Gemeinde sei "in Ihrem Fall undenkbar", schrieb Bischof Franz Tügel, ein bekennender Nationalsozialist. Einen Singkreis in Hamburg durfte er leiten, Bibelstunden dagegen nicht. Erst als Wagner versprach auszuwandern, wurde er zum Examen zugelassen.

Flucht nach Canada bewahrte ihn vor dem KZ

Im Herbst 1938 gelang Wagner die Flucht nach Kanada. Im Bundesstaat Saskatchewan beendete er in Saskatoon seine Promotion, um dann zuerst reitender Dorfpastor in Big River und später Stadtpastor in Saskatoon zu werden. Auch seine inzwischen verwitwete Mutter floh nach Nordamerika. Andere Verwandte dagegen wurden von den Nazis in Theresienstadt ermordet. 1946 ging Wagner von Kanada in die USA, wo er Pfarrstellen in Bremen (Illinois), Baltimore (Maryland) und San Francisco übernahm.

Nach Kriegsende wurde Wagner auf eigenen Wunsch wieder in die Kandidatenliste der Hamburgischen Landeskirche aufgenommen und zu einem Besuch eingeladen. 1954 kam er für eine Vortragsreihe nach Hamburg, entschied sich aber gegen eine endgültige Rückkehr. Wagner berichtete von einer lautstarken Unterredung mit dem Hamburger Jacobi-Hauptpastor Adolph Drechsler, der als NS-naher Oberkirchenrat seinerzeit maßgeblich an Wagners Vertreibung beteiligt war, und vorgab, Wagner nicht zu kennen. 

Dienst als Pfarrer in der Dachauer Versöhnungskirche

Als 65-Jähriger bewarb er sich bei der Landeskirche Bayern und wurde nach Stationen in Bamberg und Oberammergau 1981 für knapp vier Jahre Pfarrer an der Dachauer Versöhnungskirche. Rückblickend nannte er sich selbst einen "bewahrten Betroffenen". Es sei ein "Witz der Weltgeschichte", dass er damals dem KZ Dachau habe entrinnen können, um später wieder dorthin als Pfarrer zurückzukehren. Ende 1984 ging er mit seiner Frau zurück nach El Cajon (Kalifornien), wo er am 17. September 1993 starb.

Wagner habe als "Vertriebener" in seiner eigenen Landeskirche Schutz und Sicherheit verloren, sagte die Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs. Rassistisches Denken habe in der Gedankenwelt der damaligen Kirchenführung einen höheren Stellenwert gehabt als die Verbundenheit unter Christen. Wagner soll ein Mann von entwaffnender Freundlichkeit gewesen sein und zugleich ein kraftvoller Mahner vor der menschenverachtenden Ideologie des Nationalsozialismus.

Veranstaltungen
Orte
  • Orte
  • Flensburg
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde Flensburg-St. Johannis
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Gertrud zu Flensburg
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Marien zu Flensburg
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Michael in Flensburg
    • Ev.-Luth. St. Nikolai-Kirchengemeinde Flensburg
    • Ev.-Luth. St. Petrigemeinde in Flensburg
  • Hamburg
    • Hauptkirche St. Jacobi
    • Hauptkirche St. Katharinen
    • Hauptkirche St. Michaelis
    • Hauptkirche St. Nikolai
    • Hauptkirche St. Petri
  • Greifswald
    • Ev. Bugenhagengemeinde Greifswald Wieck-Eldena
    • Ev. Christus-Kirchengemeinde Greifswald
    • Ev. Johannes-Kirchengemeinde Greifswald
    • Ev. Kirchengemeinde St. Jacobi Greifswald
    • Ev. Kirchengemeinde St. Marien Greifswald
    • Ev. Kirchengemeinde St. Nikolai Greifswald
  • Kiel
  • Lübeck
    • Dom zu Lübeck
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Aegidien zu Lübeck
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Jakobi Lübeck
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Marien in Lübeck
    • St. Petri zu Lübeck
  • Rostock
    • Ev.-Luth. Innenstadtgemeinde Rostock
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde Rostock Heiligen Geist
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde Rostock-Evershagen
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde Rostock-Lütten Klein
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Johannis Rostock
    • Ev.-Luth. Luther-St.-Andreas-Gemeinde Rostock
    • Kirche Warnemünde
  • Schleswig
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde Schleswig
  • Schwerin
    • Ev.-Luth. Domgemeinde Schwerin
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Nikolai Schwerin
    • Ev.-Luth. Petrusgemeinde Schwerin
    • Ev.-Luth. Schloßkirchengemeinde Schwerin

Personen und Institutionen finden

EKD Info-Service

0800 5040 602

Montag bis Freitag von 9-18 Uhr kostenlos erreichbar - außer an bundesweiten Feiertagen

Sexualisierte Gewalt

0800 0220099

Unabhängige Ansprechstelle für Betroffene von sexualisierter Gewalt in der Nordkirche.
Montags 9-11 Uhr und mittwochs 15-17 Uhr. Mehr unter kirche-gegen-sexualisierte-gewalt.de

Telefonseelsorge

0800 1110 111

0800 1110 222

Kostenfrei, bundesweit, täglich, rund um die Uhr. Online telefonseelsorge.de

Zum Anfang der Seite