Wismar erinnerte an Zerstörung vor 69 Jahren
15. April 2014
Wismar. In der Wismarer Georgenkirche ist am Montag an die Zerstörung der Stadt vor 69 Jahren erinnert worden. Der Landesbischof der evangelischen Nordkirche, Gerhard Ulrich, betonte in seiner Gedenkrede die Notwendigkeit der Erinnerung. Ohne Erinnerung sei, für ihn jedenfalls, kein menschliches Leben möglich. Menschsein heiße für ihn, "eine Geschichte zu haben, in Geschichte und Geschichten zu leben". Der Blick zurück sei unverzichtbar "für einen geschärften Sinn in der Gegenwart und für ein verantwortungsvolles Wirken in ihr".
- Pressemitteilung
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Lebensgeschichten müssten weiter erzählt werden, "gegen die Hoffnungslosigkeit der Todesgeschichten, die uns immer wieder einholen". Denn auf Dauer sei der Mensch scheinbar nicht dazu fähig, in Verdrängungsmechanismen zu existieren. Immer wieder führe das Verdrängen dazu, dass Menschen, Gruppen oder Kulturen ausgegrenzt und verfolgt werden. Es gelte, Erinnerungsorte aufzusuchen, zu vernetzen oder zu schaffen, Erinnerungstraditionen und -rituale zu schaffen und zu pflegen, so wie es in Wismar geschehe.
Der Bischof ging in seiner Rede auch auf seinen Großvater ein, der ein "treuer Soldat in beiden großen Vernichtungskriegen" gewesen sei. Ein Offizier, auf den seine Familie damals stolz gewesen sei. Der Opa habe ihm viele Geschichten vom Krieg erzählt, die sich "für den kleinen Jungen wie Abenteuergeschichten anhörten". Auf seine späteren Nachfragen zu den Verbrechen der Zeit habe der Großvater nicht geantwortet.
Persönliche Erinnerungen an Ulrichs Großvater - ein "treuer Soldat"
Vor einigen Jahren habe er dann in der großen Ausstellung über die Verbrechen der Wehrmacht gesehen, dass sein Großvater zu einem Kommando gehört hatte, das Gefangene zu töten hatte. Er spüre sein "Erschrecken, als wäre es heute", aber auch Wut und Trauer, "dass ich ihn, den Großvater, nicht mehr fragen kann, was ihn damals bewegte, ob er aus Überzeugung und auf Befehl handelte und dazu gehörte".
Bei den Luftangriffen auf Wismar in der Nacht vom 14. zum 15. April 1945 war ein Viertel des historischen Stadtkerns zerstört worden. Betroffen davon war insbesondere das sogenannte "Gotische Viertel". Von den Kirchen St. Georgen und St. Marien blieben nur noch Ruinen stehen. Die Kapelle Maria zu Weiden, die Alte Schule, der Gefangenenturm und viele Wohnhäuser wurden vollkommen zerstört. Die St. Georgenkirche ist inzwischen wieder aufgebaut worden.