Ausstellung: Kritische Besucher im Gottesdienst
19. August 2019
Besonderen Besuch hat die Plöner Nikolaikirche am Freitag (16. August) bekommen: 17 lebensgroße Skulpturen des hessischen Bildhauers Stephan Guber sitzen und stehen bis 15. September in den Bänken und um den Altar herum.
"Die Figuren sind aus Holz, aber so ausdrucksstark, dass man mit ihnen gleich in einen Gedankenaustausch kommt", sagte Kuratorin Elisabeth Zastrow bei der Aufstellung der Skulpuren in Plön. Gubers Figuren wandern unter dem Titel "Ecce homo" bundesweit durch Kirchen, Schulen und Museen.
Kritisch beäugt eine hölzerne Dame aus Pappelholz das Geschehen in den Bänken gegenüber. Eine Gruppe aus zwei Frauen und einem Mann, gefertigt aus rustikaler Eiche, steht hinter dem Altar im Chorraum der Nikolaikirche und verfolgt interessiert die Predigt des Pastors. Ihre äußere Hülle besteht aus unbehandeltem Naturholz, keinen Strich Farbe hat ihr Schöpfer Stephan Guber verwendet. Und dennoch fühlt man sich von den Figuren angezogen, beobachtet und angesprochen.
Kunst zufällig auf Pilgerreise entdeckt
Der Plöner Pastor Lutz Thiele und Elisabeth Zastrow entdeckten Gubers Kunst zufällig auf einer Pilgerreise durch Süddeutschland. Sie betraten den Heilsbronner Münster und trafen in den Sitzreihen auf einen hölzernen Besucher. "Im ersten Moment dachten wir, da sitzt ein Mensch", erinnert sich Thiele. Beide waren so fasziniert von den Skulpturen, dass sie Kontakt zu Guber aufnahmen.
"Der Mensch hat sich in meinen Arbeiten immer feiner herausgebildet", erklärt Guber, der seit 30 Jahren als freischaffender Künstler arbeitet. Die Bildhauerei kam nach der Malerei vor 20 Jahren hinzu. Ein klassisches Schnitzmesser besitzt Guber allerdings nicht. Die Holzstämme, die bis zu 1,20 Meter Umfang aufweisen, bearbeitet er mit Kettensägen, Bohrern und Schleifern. "Das kleinste Werkzeug hat mir mein Zahnarzt vermacht. Mit diesem Bohrer arbeite ich die Augen heraus", sagt der 55-Jährige.
Figuren tragen echte Namen
Für seine Figuren stehen Menschen tagelang, manchmal auch mehrere Wochen, Modell. "Sonst könnte ich diese Differenziertheit in den Gesichtsausdrücken nicht erreichen." Guber schafft es, seinen bis zu 1,80 Meter großen Kunst-Figuren Tiefe zu geben. Sie tragen echte Namen - aus praktischen Gründen, sagt Guber. Damit man bei der Arbeit konkret über sie sprechen kann. "Bring' mir mal den Miese-Peter" oder "Stell' mal die Marianne weg."
Oft sind es Kirchen, die Gubers Skulpturengruppe nachfragen. In verschiedenen Räumen werfen die Figuren unterschiedliche Fragen auf, in Kirchen können sie besonders viel Spannung erzeugen. Etwa wenn Guber sie despektierlich direkt vor dem Altar plaziert. In einer katholischen Kirche durfte er auch mal eine auf die Kanzel hieven. Mit einem Mitarbeiter wuchtete er die etwa 40 Kilogramm schwere Skulptur die Wendeltreppe hinauf. Erst anschließend fiel ihnen auf, dass sie eine Frau von der Kanzel hinab predigen ließen. "Der Pastor fand es aber gut. Wir durften sie stehen lassen", sagt Guber.
Skulpturen können auch Dauergäste werden
Oft bleiben die hölzernen Gestalten auch dauerhaft sitzen. Für die hessische Landesvertretung in Berlin machte Guber eine Auftragsarbeit, dort steht dauerhaft eine Skulpturengruppe. Auch im Museum "Das Jurahaus" in Eichstätt, im Rheingauer Dom in Geisenheim und im Heilsbronner Münster haben einzelne Guber-Figuren ein Zuhause gefunden. Wenn sich auch die Plöner einen Dauer-Gast gönnen wollen, müssen sie zwischen 4.000 und 7.000 Euro ausgeben - je nachdem ob er aus Pappelholz oder Eiche gefertigt ist.