Biblisches Erlassjahr neu zur Geltung bringen
03. Mai 2013
Hamburg. „Alle sieben Jahre sollt ihr einen Schuldenerlass durchführen“, so steht es im Alten Testament geschrieben.
In seiner Bibelarbeit auf dem 34. Deutschen Evangelischen Kirchentag in Hamburg spürte Bischof Dr. Andreas von Maltzahn heute (3. Mai) dem Text aus dem Buch Deuteronomium (Kap. 15, 1-11) nach und fragte, wie ein Erlassjahr heute, in Zeiten der weltweiten Schuldenkrise, gehen kann.
Die Diskussion um die deutsche Hilfe für das verschuldete Griechenland zeige, so der Bischof, dass der Umgang mit Schulden nicht nur eine wirtschaftliche Frage sei. „Es berührt auch die zwischenmenschlichen Beziehungen. Die Schrift geht sogar noch weiter und sagt: „Wie wir mit Schulden umgehen – persönlich wie gesellschaftlich – betrifft unsere Beziehung zu Gott!“
Bei der biblischen Begründung für das Erlassjahr stand der soziale Aspekt im Mittelpunkt. So ging es um Verzicht auf Zinsen für existenzsichernde Kredite, eine Begrenzung der Schuldknechtschaft auf sechs Jahre und einen Schuldenerlass alle sieben Jahre. Vor allem Kleinbauern sollten davor bewahrt werden, in völlige Armut und damit in Abhängigkeit von anderen zu geraten, erläuterte Andreas von Maltzahn den geschichtlichen Hintergrund. Der Bischof plädierte dafür, das Erlassjahr „mit seiner Intention für unsere Zeit neu zur Geltung zu bringen“.
Kritisch äußerte sich der Bischof zu den aktuellen Rettungspaketen und Troika-Auflagen. Diese höhlten im Zuge des Schuldendienstes die Sozialsysteme in Schieflage geratener EU-Staaten aus. Zudem gingen Investitionen drastisch zurück und die Arbeitslosenzahlen explodierten. Anstatt über einen Bankrott von Staaten, sollte lieber über das Gute eines Erlassjahrs nachgedacht werden, mahnte der Bischof und verwies als ein Beispiel auf das deutsche Privatinsolvenzrecht.
„Wer sich sechs Jahre lang nach Kräften müht, seine Schulden abzutragen, dem wird die verbleibende Restschuld im siebten Jahr erlassen. Aus der Seelsorge weiß ich, wie unerhört wichtig diese Aussicht für die Betroffenen und ihre Familien ist. Und weil es viele Betroffene gibt, müssen die Schuldnerberatungsstellen erhalten und gestärkt werden. Kommunen, aber auch wir Kirchen sind da in der Pflicht“, forderte Bischof von Maltzahn.
Kritisch beleuchtete der Bischof ebenso den jüngsten Einsturz eines Hochhauses in Bangladesch. Mitverantwortlich für das Unglück sei „das System globalen Handelns, das uns immer noch erlaubt, unverschämt billige Waren zu kaufen und zu verkaufen, die nur unter unmenschlichen Standards so billig produziert werden können“. Von Maltzahn rief dazu auf, mit dem eigenen Kaufverhalten und eigenen Wahlentscheidungen wenigstens einen gewissen Einfluss zu nehmen, damit Recht und Gerechtigkeit auch für die Ärmsten gelten.
„Wer bei den Armen eintaucht, der taucht bei Gott wieder auf.“ Mit diesem Zitat des französischen Bischofs Jacques Gaillot warb der Bischof darum, freigiebig zu leben. Wer dies tue, habe Gott auf seiner Seite. Eine konkrete Möglichkeit seien beispielsweise Spenden an die Aktion „Brot für die Welt“ oder Geldanlagen wie „Oikocredit“, die der Intention des Erlassjahrs folgten. So könnten Menschen Kleinstkredite bekommen, „die bei normalen Banken nicht kreditwürdig wären“. Insbesondere Frauen bekämen eine Chance, sich aus der Armut herauszuarbeiten.
„Nehmen wir die Bibel ernst und tun, was uns möglich ist!“, forderte Bischof Andreas von Maltzahn die in der Fischauktionshalle anwesenden Zuhörerinnen und Zuhörer auf und ergänzte: „Lassen wir politisch Verantwortliche wissen, dass wir Schuldenerlasse mittragen und unterstützen, auch wenn deutsches Steuergeld dabei verloren geht! Leben wir im Kleinen wie im Großen freigiebig – und im Vertrauen auf Gott. Denn er sorgt für die wesentlichen Dinge des Lebens.“