Brennende Kunstwerke in der dunklen Jahreszeit

16. Dezember 2014 von Timo Teggatz

Es gibt nicht mehr viele, und die industrielle Konkurrenz aus Asien ist übermächtig: Kerzenmacher arbeiten an vergänglichen Kunstwerken, die für Wärme und Wohlbefinden sorgen. Zu Weihnachten haben ihre Produkte Hochsaison.

Mit sanftem Druck und fließenden Bewegungen knetet, rollt und wickelt Dieter Kandziora das handwarme Wachs. Der 68-jährige Kerzenmacher aus Lilienthal bei Bremen deutet mit geübten Griffen an, wie unter seinen Händen kleine Kunstwerke entstehen. Am Ende liefert sein schlanker Daumen den letzten Schliff, formt das Rohmaterial kreiselförmig oder ausladend wie ein Segel. Wie das genau geht? "Betriebsgeheimnis", sagt Kandziora. Bundesweit gibt es nicht mehr viele Werkstätten, die wie er Kerzen formen, die immer Unikate sind.

Die 47-jährige Kerzenkünstlerin Andrea Guntenhöner aus Bremen arbeitet anders. In ihrer Kerzenschmiede rollt sie keine Wachsplatten wie Kandziora. Sie gießt heißes Wachs in Formen, die sie zuvor mit einem Docht aus wachsgetränkter Baumwolle vorbereitet hat. Sie benutzt dafür Stearin, pflanzliches Palmwachs, das mit seiner kristallinen Struktur für Kerzen sorgt, die selbst bei starker Sonneneinstrahlung in Form bleiben.

Warum Kerzen dem Lebensgefühl gut tun

"Stearin rußt nicht und bleibt fest in der Struktur", erläutert Guntenhöner die Vorteile. Und wenn der Docht längere Zeit brennt, entsteht rund um den Schmelzteller ein pergamentartiges Gitter, das die Kerze laternenartig leuchten lässt.

Jetzt zu Weihnachten ist Hochsaison für Kerzen. Warmweißes Kerzenlicht sorge besonders in dieser Zeit für gute Laune und ein wohliges Gefühl von Gemütlichkeit, sagt der Berliner Biopsychologe Peter Walschburger. Dadurch würden Hormon-Ausschüttungen etwa von Serotonin angeregt, die ein positives Lebensgefühl hervorrufen.

So kommt mit Kerzenschein ein wenig Helligkeit in das trübe Dunkel des Winters. Damit das in möglichst gleichmäßigem Kerzenlicht geschieht, muss Andrea Guntenhöner mit Fingerspitzengefühl das heiße Wachs verarbeiten. Vorsichtig gießt sie das je nach Laune durchgefärbte Material in eine Form - nicht zu schnell, damit sich möglichst keine Lufteinschlüsse bilden, die beim Abbrennen nur stören würden. Bilden sich oben auf dem Brennteller der Kerze kleine Vertiefungen, werden sie später tröpfchenweise mit einer Pipette geschlossen.

Kerzen vom Discounter? Nein, danke!

Dieter Kandziora verwendet für seine Kunstwerke Paraffin aus der Kosmetik-Industrie mit einem Ölgehalt von höchstens einem halben Prozent. "Auch das rußt nicht", sagt der Künstler, dessen Werkstatt im Dezember 2011 komplett abbrannte. Ein Funke hatte seinen Adventskranz entzündet und ihn wenige Tage vor Heiligabend obdachlos gemacht. Mittlerweile steht ein neues Haus, aus hölzernen Rundbohlen gebaut. Und trotz der Katastrophe, die durch Kerzen ausgelöst wurde, schwärmt er von seinen Kunstwerken und ist gerade dabei, die Werkstatt neu aufzubauen.

Dieter Kandziora weiß, warum seine Kunden nicht bei einem Discounter kaufen: "Unsere Kerzen brennen viel länger, sind geruchsfrei und immer Einzelstücke ohne künstliche Hilfs- und Zusatzstoffe." Und für Andrea Guntenhöner haben sie neben aller Arbeit auch eine persönliche Bedeutung: "Wenn ich mir eine schöne Kerze anzünde, dann tue ich mir etwas Gutes. Das bedeutet Feierabend, Ruhe und Besinnung."