Serie: 25 Jahre Mauerfall

Darum wurden Christen in der DDR zu Bausoldaten

Blättern in Erinnerungen: Heiner Möhring zeigt Silke Ross Dokumente aus seiner Zeit als Bausoldat
Blättern in Erinnerungen: Heiner Möhring zeigt Silke Ross Dokumente aus seiner Zeit als Bausoldat© Timo Teggatz

17. Oktober 2014

Vor 25 Jahren fiel die Mauer - ein historisches Ereignis, auch für die Menschen in der heutigen Nordkirche. In einer Serie erzählen sie hier ihre Geschichte. Heute im Porträt: Heiner Möhring, der Bausoldat war, um dem Dienst an der Waffe zu entgehen. Keine leichte Zeit für den Christen im damaligen DDR-Regime.

Der Dienst an der Waffe kam für ihn nicht infrage. Und so hatte Heiner Möhring in der damaligen DDR keine Wahl: Er wurde Bausoldat. Die Bausoldaten waren eine Einheit der Nationalen Volksarmee (NVA) und unterstanden militärischem Kommando, waren also nicht mit Zivildienstleistenden im Westen zu vergleichen. Allerdings: Kriegsdienst mit der Waffe mussten sie nicht verrichten.

Von November 1967 bis April 1969 war Heiner Möhring Bausoldat. „Es war auch ein fauler Kompromiss, der dem eigentlichen Anliegen wenig Rechnung getragen hat“, sagt Möhring, der von 1994 bis 2012 Präses der Mecklenburgischen Landeskirche war. Für Möhring war es damals wichtig, den Dienst nicht als Widerstand gegen die DDR zu sehen – sondern nur gegen den Kriegsdienst. In späteren Jahren hingegen kam bei den Bausoldaten durchaus eine politische Motivation dazu.

Zeitungen und Fernsehen schwiegen zum Thema Bausoldaten

Groß war die Zahl der Bausoldaten nicht, denn nur wenige wussten von dieser Möglichkeit. Weder Zeitungen noch Fernsehen berichteten darüber. „Nur über Mund-zu-Mund-Propaganda und über die Kirche erfuhren die jungen Männer überhaupt davon“, erinnert sich Möhring. Aus diesem Grund engagierte er sich später auch selbst dafür, dass in möglichst vielen Kirchengemeinden über diese Möglichkeit informiert wurde: „Tradiert wurde das ganze Wissen über die Bausoldaten in den Kirchengemeinden. Da gab es Treffen von denen, deren Zeit gerade zu Ende war, und denen, die danach als Bausoldaten eingezogen wurden. Da es nur wenige Standorte für Baueinheiten gab, konnten uns die „Alten“ sogar erzählen, welche Dinge sie bei wem mit welcher Begründung verweigert hatten – und da konnten wir dann anknüpfen.“ Als Möhring seine Zeit als Bausoldat beendet hatte, gab er sein Wissen selbst auf Treffen weiter.

Dass die Bausoldaten-Kompanie überhaupt eingeführt wurde, war vor allem ein Verdienst der Kirche: Insbesondere die evangelischen Kirchen und die Jugendlichen drängten immer wieder darauf, dass es eine Alternative zum Dienst an der Waffe geben sollte – ähnlich dem Zivildienst im Westen. Trotzdem hatte Möhring als Bausoldat ein großes Problem: „Schlimm fand ich den psychologischen Druck, denn es ging klar darum, die Grenzen zwischen dem militärischen Führungspersonal und den Bausoldaten abzustecken. So sollten wir dann im Sport verschiedene Übungen machen, die deutlich Wehrübungen waren. Da haben wir uns geweigert. Aber das hat die Stimmung nicht verbessert.“

Bausoldaten egangiert in der Kirche

Bei den Bausoldaten sammelten sich die Menschen, die aus religiösen Gründen nicht zum Dienst mit der Waffe ausgebildet werden wollten: zu einem sehr großen Teil junge Männer, die kirchlich engagiert waren. Diese alle zusammen in einer Kompanie zu sammeln, das hatte für die DDR-Führung den Nachteil, dass sich viele Menschen, die etwas anders dachten, kennenlernen konnten. Allerdings konnten sie in der Gruppe auch besser überwacht und beobachtet werden, so dass die DDR das Risiko einging, mit den Bausoldaten-Kompanien jungen Widerständlern einen Raum zu geben.

Viele Bausoldaten waren kirchlich engagiert: „Wir waren vorrangig evangelisch, einige Katholiken und Adventisten und nur zwei von uns waren nicht aus christlichen, sondern aus humanistischen Gründen bei den Bausoldaten“, erinnert sich Heiner Möhring. Die christliche Grundhaltung der Bausoldaten festigte sich bei vielen während der Armeezeit noch, denn die jungen Männer feierten regelmäßig Gottesdienste und Andachten: „ Das war natürlich verboten, aber da sind wir in Rügen in den Dünen gewesen und haben da miteinander Bibel gelesen und gebetet.“

Berufliche Karrieren zerstört

Der Dienst ohne Waffe wurde nicht gern gesehen: Meist mussten die jungen Männer, die sich für den Dienst als Bausoldat entschieden, später Nachteile erleiden: „Der Einsatz in der Baueinheit war später ein Grund für indirekte Repressalien – wenn ich nicht vor der Einberufung schon einen Arbeitsplatz im Rechenzentrum der Bahn gehabt hätte, wäre ich danach da nicht mehr reingekommen. Und das sei auch den anderen Bausoldaten so gegangen: Viele berufliche Karrieren waren einfach nicht mehr möglich.

Das Gespräch führte Silke Ross. Redaktion Timo Teggatz.

 

Im Porträt

Heiner Möhring, Jahrgang 1941, studierte in Dresden Verkehrsmaschinentechnik und arbeitete später im Rechenzentrum der Reichsbahn. Aus einem christlichen Elternhaus stammend, engagierte er sich in verschiedenen Kirchengemeinden, von 1994 bis 2012 war er Präses der Synode der Mecklenburgischen Landeskirche, danach begleitete er die Fusion zur Nordkirche als Präses der Verfassungsgebenden Synode.

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