Diakonisches Werk Husum wehrt sich gegen Aus der Ein-Euro-Jobs
28. Juni 2012
Husum. „Instrumentenreform“ ist das Stichwort der Stunde, das derzeit die Mitarbeiter im Diakonischen Werk in Husum umtreibt. Die zum 1. April in Kraft getretene Reform der Bundesregierung soll künftig verstärkt die Arbeitsuchenden mit der größten Chance auf eine Rückkehr in den ersten Arbeitsmarkt unterstützen. Die Folge: Projekte mit Langzeitarbeitslosen, den sogenannten „Ein-Euro-Jobbern“, müssen eingestellt werden.
Von Maren Warnecke
Das Café Stellwerk und die Radstation am Bahnhof in Husum sowie die zwei Möbelläden in Husum und Tönning – in den vergangenen 14 Jahren gehörten sie für die Menschen der Region zum Stadtbild. Die aufgrund von psychosozialen, kulturellen und gesundheitlichen Faktoren schwach aufgestellten Langzeitarbeitslosen fanden dort mithilfe des Diakonischen Werkes eine neue Aufgabe.
"Wo bleibt die menschliche Würde?"
Doch mit der „Instrumentenreform“ definiert die Bundesregierung Wettbewerbsneutralität neu. Zusatzjobs müssen nicht nur die Geschäftsfelder bestehender Unternehmen aussparen, auch denkbare Angebote noch zu gründender Firmen dürfen nun nicht berührt werden. In Husum und Tönning bedeutet das: 90 Prozent der derzeit 80 Langzeitarbeitslosen beim Diakonischen Werk verlieren ihre Beschäftigung. Für Siegfried Schulze-Kölln, Aufsichtsratsvorsitzender, „ein politischer Skandal. Man wirft den Schwächsten in der Gesellschaft etwas vor, wofür sie gar nicht geeignet sind.“ Er fragt sich: „Wo bleibt da die menschliche Würde?“
Beschäftigung gibt Langzeitarbeitslosen Halt
Dieser Sichtweise kann sich Volker Schümann, Geschäftsführer des Diakonischen Werks Husum und Vorsitzender der Kreisarbeitsgemeinschaft der Wohlfahrtsverbände, nur anschließen. Die Beschäftigung habe denjenigen Halt gegeben, die zu den Gescheiterten gehören, berichtet Schümann. Die ohne Schulabschluss dastehen und oft mit Suchtproblematiken kämpfen. Die in der Vorstellung vieler sowieso nicht besonders arbeitswillig seien. Wenn diese Menschen nun zum Nichtstun verdonnert werden, „bedienen wir diese Klischees ein Stück weit mit“, sorgt sich Schümann um den negativen Einfluss auf die betroffenen Familien und auf den gesamten sozialen Frieden im Kreis.
Stellwerk muss zum 30. Juni schließen
Allein in Nordfriesland gibt es derzeit 4000 Langzeit-Leistungsbezieher, hat der Kreis ermittelt. 400 Stellen bei den Schwächsten sind unmittelbar von der „Instrumentenrefom“ betroffen. Für das Café Stellwerk bedeutet das die Schließung zum 30. Juni. Die anderen Projekte mit Langzeitarbeitslosen können mithilfe eines Lohnkostenzuschusses zunächst aufrechterhalten werden. Dafür hatte die Kirchenkreissynode Nordfrieslands im März 25 000 Euro zur Verfügung gestellt.
Verbündete im Kreistag für einen „sozialen Arbeitsmarkt"
Im Kreistag und Stadtverordnetenkollegium haben die betroffenen Wohlfahrtsverbände ebenfalls Verbündete gefunden. Beide Gremien hatten sich in einer an die Landes- und Bundesregierung gleichermaßen gerichteten Resolution vom 15. Juni für einen „sozialen Arbeitsmarkt mit gesellschaftlich sinnvoller Bürgerarbeit“ eingesetzt. Für Schulze-Kölln wäre das ein „riesiger Schritt“, um das Recht auf Teilhabe an Arbeit Realtität werden zu lassen.