27. Mai 2015 | Bützow

Die Hoffnung auf ein neues Miteinander

27. Mai 2015 von Andreas von Maltzahn

Ansprache in der Andacht „Besinnen und Danken" im Gedenken an die Sturmnacht vom 31. März 2015

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder,

„alles hat seine Zeit“ – so haben wir es eben in immer neuen Variationen gehört. In allem Wechsel von Wachsen und Vergehen, von Aufbauen und Abbrechen, den der Prediger Salomo hier beschreibt, klingt eine große Verlässlichkeit an: Nach jedem Niedergang, geht es auch wieder bergauf. Es gibt eine Zeit des Weinens, aber dann wird es auch wieder eine Zeit der Freude und des Lachens geben.

Aber hier und jetzt in Bützow, nach dem unfassbaren Tornado haben wir vielleicht eher das Gefühl: ‚Die Zeit ist aus den Fugen!' Was in Jahren aufgebaut worden war – in Minuten wurde es zerstört. Alle Pläne für die Zukunft – plötzlich völlig hinfällig. Nichts scheint mehr verlässlich.

Tornados – die kannten wir aus dem Fernsehen, aus den USA, aber doch nicht bei uns! Der Schock sitzt nach wie vor tief. Auch wenn man im Alltag funktionieren muss, um  die dringendsten Dinge zu regeln – die Erschütterung des Lebens ist noch lange nicht verarbeitet. Wie denn auch! Zu deutlich haben Sie, haben wir erfahren, wie zerbrechlich das Leben ist. Manch einer fühlt sich entwurzelt wie die umgebrochenen Bäume.

So braucht die Trauer ihren Raum: Wir Menschen müssen neuen Halt finden. Manches, was uns lieb gewesen ist, ist verloren. Die alten Bäume kann man nicht reparieren wie die Gebäude. Es wird Jahre und Jahrzehnte brauchen, bis die neu gepflanzten mit weit ausladender Krone Schatten spenden. Unwiederbringlich ist auch die Zeit, die Sie in all den Jahren investiert haben, um Bützow so schön und lebenswert zu machen, wie es vor dem Tornado war.

„Alles hat seine Zeit“ – was ist jetzt an der Zeit? Worauf kommt es jetzt an?

Natürlich – Notsicherungen, Klärungen mit den Versicherungen, Pläne entwickeln, wie die Schäden zu beseitigen sind. All das muss sein und duldet keinen Aufschub.

Jetzt ist aber auch die Zeit des Dankens. Es wird ja häufig darüber geklagt, dass die Zeiten kälter würden und jeder nur an sich denke. Bützow hat es anders erlebt: Freiwillige aus Nah und Fern sind gekommen und haben mit angepackt auf den Dächern, bei der Beräumung des Schutts und der umgestürzten Bäume. Die Menschen in Bützow standen und stehen füreinander ein. Viele Menschen im Land und darüber hinaus sind Ihnen verbunden – denken an Sie, spenden für den Wiederaufbau, beten für Sie. Sie sind nicht allein.

Es ist gut zu wissen, dass – wenn es darauf ankommt – wir mit Zusammenhalt und Solidarität rechnen können. Dafür bin ich dankbar und wünschte mir, dass es für solch' ein Miteinander nicht erst eine Katastrophe braucht. Ihnen allen, die Sie als Helferinnen und Helfer aktiv gewesen sind und es zum Teil auch in Zukunft sein werden – Ihnen allen von Herzen Dank für Ihre Mitmenschlichkeit!

Zutiefst dankbar können wir aber auch sein, dass niemand ums Leben gekommen ist. Einer unserer Pastoren, der in den Tornadogebieten Amerikas seine Kindheit und Jugend verbracht hat, bekräftigte mir gegenüber noch einmal, wie unglaublich es sei, dass ein Sturm dieser Zerstörungskraft kein Menschenleben gefordert habe. Sie, die Sie den Tornado erlebt haben, wissen am besten, dass es auch ganz anders hätte kommen können, wissen, wie sehr Sie – in all der Zerstörung – auch bewahrt worden sind. Gott sei Dank!

Was ist jetzt an der Zeit? Vielleicht ist jetzt auch die Stunde innezuhalten, sich zu besinnen, sich zu fragen, worauf es ankommt im Leben, das uns bleibt. Natürlich kann man einfach versuchen, das alte Leben wieder herzustellen. Wiederaufbau – und damit gut. Aber diese Sturmkatastrophe ist für Bützow ein tiefer Einschnitt. Das bringt die Chance mit sich zu überlegen, wie ,das Leben danach' sein könnte, wie das Leben neu werden könnte, wie es sein sollte – im Miteinander dieser Stadt genauso wie im persönlichen Leben.

Was in dem weiten Raum zwischen Himmel und Erde lohnt das Leben?

In der Lesung des Prediger Salomos, den wir vorhin gehört haben, ist nicht nur vom Auf und Ab des Lebens die Rede. Da hieß es ziemlich zum Schluss:

"Auch hat Gott die Ewigkeit in der Menschen Herz gelegt."

In einer langen Aufzählung dessen, was alles seine Zeit hat – plötzlich: Ewigkeit! Ewigkeit als Gabe Gottes in des Menschen Herz! Offenbar nicht als etwas Zukünftiges, sondern als etwas Gegenwärtiges! Offenbar auch nicht nur als Quell einer Sehnsucht, die sich dereinst, also irgendwann in der Zukunft erfüllen würde, sondern etwas von Gott jetzt in uns, in unserem Lebenszentrum, etwas, das sich jetzt ereignet, etwas, das unser Leben trägt.

Ewigkeit in unseren Herzen – um zu verstehen, was das bedeuten kann, ist es gut, sich klarzumachen: Wenn die Bibel von Ewigkeit spricht, meint sie nicht die unendliche Ausdehnung von Zeit. Ewigkeit im biblischen Sinn meint eine andere Qualität des Lebens – eine Qualität des Lebens, die mit der Wirklichkeit Gottes zu tun hat. Ewigkeit steht für das gelingende Leben, wie es Gott sich für uns wünscht. Das meint das Leben,

-         in dem wir füreinander einstehen;

-         in dem wir uns nach Gerechtigkeit sehnen und dafür etwas tun;

-         in dem uns seine Kostbarkeit bewusst ist, weil wir um seine Zerbrechlichkeit wissen;

-         in dem wir sorgsam umgehen mit diesem kostbaren Geschenk.

-         Es ist das Leben, in dem wir danach fragen, wem wir uns verdanken oder ob wir nur Kinder bloßen Zufalls sind;

-         das Leben, in dem wir Verantwortung übernehmen im Kleinen wie im Großen

-         wo wir Bäume pflanzen auf die Zukunft hin.

Etwas von dieser Hoffnung, etwas von dieser Sehnsucht ist in uns lebendig und kann unser Leben neu werden lassen. „Auch hat Gott die Ewigkeit in der Menschen Herz gelegt."

Liebe Schwestern und Brüder, „alles hat seine Zeit". Das heißt auch: Eines Tages wird das Schwere ein Ende haben. Eines Tages wird die Traurigkeit weichen. Der Tag wird kommen, da werden die Erschütterungen verarbeitet sein. Der Tag wird kommen, da wird Bützow wieder aufgebaut sein.

Und Ihr Leben wird reicher sein, weil Sie die Erfahrung in sich tragen werden, dass Gemeinsinn und Gemeinschaft auch durch schwere Zeit tragen. Sie werden erleben, dass sie den Weg nicht allein gegangen sein werden. Gott steht Ihnen bei als die Kraft, die Sie wieder aufstehen und neuen Lebensmut fassen lässt.

Als Pastor Schabow sich am Morgen nach dem Tornado im beschädigten Kirchturm umschaute, sah er eine Dohle mit einem Zweig im Schnabel – offenbar dabei, sich ein neues Nest zu bauen. Mich hat diese kleine Begebenheit an die biblische Sintflut-Erzählung erinnert. Nach der Katastrophe des nicht endenden Regens war es eine Taube, die mit einem Zweig im Schnabel von ihrem Flug zurückkehrt und Noah und den Seinen verdeutlicht: ‚Wir werden nicht untergehen. Leben wird wieder möglich sein.'

Mögen Sie das in ähnlicher Weise erfahren! Gott schenke Ihnen Halt, Kraft und neue Zuversicht! Wir wollen das Unsere dazu tun. Gemeinsam werden wir die Schwierigkeiten überwinden.

Amen.

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