„Die Zeit allein heilt nicht alle Wunden“
12. November 2014
Schwerin. Auch 25 Jahre nach dem Mauerfall – was in der DDR geschah, beeinflusst das Leben Einzelner und der Gesellschaft. Wie also umgehen mit enttarnten Stasi-Spitzeln? „Vergebung gibt es nicht per Knopfdruck“, sagt Bischof von Maltzahn.
epd: Auch 25 Jahre nach der Friedlichen Revolution kommt es immer wieder zu neuen Enthüllungen von Inoffiziellen Mitarbeitern (IM) des DDR-Staatssicherheitsdienstes (Stasi). Ein aktuelles Beispiel ist die erst jetzt bekannt gewordene IM-Tätigkeit des inzwischen entlassenen Geschäftsführers des Städte- und Gemeindetages in Mecklenburg-Vorpommern, Michael Thomalla. Sollte die Überprüfung auf eine mögliche IM-Tätigkeit intensiviert und ausgeweitet werden oder sollte man einen Schlussstrich ziehen?
Andreas von Maltzahn: Es liegt mir fern, mich zu einzelnen Personalia zu äußern. Einen "Schlussstrich" jedoch kann es meines Erachtens nicht geben, solange Menschen unter den Folgen politischen Unrechts und von Bespitzelung leiden. Die Zeit allein heilt nicht alle Wunden.
Wie sollte mit denjenigen umgegangen werden, die erst jetzt "auffliegen"?
Dafür gibt es im öffentlichen Dienst oder auch in den Kirchen Regeln. Die wichtigere Frage scheint mir aber zu sein: Was können und sollten Menschen tun, die durch ihre Tätigkeit für die Staatssicherheit Schuld auf sich geladen haben? Es ist befreiend, wenn diese Menschen das Gespräch mit denen suchen, über die sie berichtet haben. Geschädigte können dadurch endlich erleben, dass ihr Leid nicht "unter den Tisch fällt". Und diejenigen, die für das MfS gearbeitet haben, brauchen durch solch einen Schritt die Vergangenheit nicht länger zu verdrängen bzw. in der Angst zu leben, eines Tages doch "aufzufliegen".
Was können Kirchengemeinden und Kirche tun, damit Opfer und Täter miteinander ins Gespräch kommen und vielleicht Vergebung oder gar Versöhnung möglich wird? Oder ist es dazu noch zu früh?
Vergebung und Versöhnung gibt es nicht per Knopfdruck. Sie setzen Einkehr in die Wahrheit voraus. Wo es gewünscht wird, kann ein Pastor, eine Pastorin Gespräche begleiten, die dies ermöglichen, gewissermaßen einen geschützten Raum dafür bieten. Darüber hinaus ist es wichtig, dass wir in unseren Gemeinden denen offen begegnen, die Verantwortung für ihr Verhalten in der Vergangenheit übernommen haben.