10. Juni 2019, Pfingstmontag | Dom zu Schwerin

Du bist Christus, des lebendigen Gottes Sohn

10. Juni 2019 von Kristina Kühnbaum-Schmidt

Predigt im Gottesdienst am Pfingstmontag, 10. Juni 2019, im Schweriner Dom zur Einführung in das Amt der Landesbischöfin der Nordkirche zu Matthäus 16, 13-19

Es gilt das gesprochene Wort!


Die Gnade Gottes, die Liebe Jesu Christi und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!

I
Wie hat es eigentlich angefangen? Paare fragen sich das. Erinnern einander an erste Begegnungen. Unser erster Kinobesuch, stundenlanges Erzählen, der erste Kuss. Weißt du das noch...

Wie hat es eigentlich angefangen? Gruppen, Bewegungen fragen sich das. Erinnern sich an erste Treffen, offene Gesichter und klare Worte. Sich nicht mehr verbiegen lassen und endlich das Schweigen brechen. Weißt du das noch, damals, vor dreißig Jahren, mit Mut im Blick, mancher Angst im Herzen, und Kerzen in den Händen, endlich hinaus auf die Straße. Hinaus, nur hinaus, sich Würde und Freiheit zurück erobern, gemeinsam mit all den anderen. Weißt du das noch...

Wie hat es eigentlich angefangen? Ganze Staaten fragen sich das. Erinnern sich daran, woher sie kommen und was sie zusammenhält. Nach Diktaturen und Terror, unfassbarem Morden und vernichtenden Kriegen, ein neues, ein friedliches Land bauen, inmitten der anderen. Nicht vergessen, welch unsägliches Leid vom eigenen Land ausgegangen ist. Nicht vergessen, welch bleibenden Auftrag das bedeutet. Weißt du sie noch, die Worte des Grundgesetzes, damals vor 70 Jahren: „Im Bewußtsein der Verantwortung vor Gott und den Menschen, von dem Willen beseelt, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen.“ Und deshalb: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Alle Menschen sind gleich.“ Weißt du das noch...

Wie hat es eigentlich angefangen? Auch Landeskirchen fragen sich das. Begehen Jubiläen, erinnern sich an Fusionsverhandlungen und Gründungsfeste, an Einführungen und Verabschiedungen. Spüren schmerzlich, was verloren ging, und freuen sich an dem, was gewonnen wurde. Weißt du das noch…

II
Zu Pfingsten, dem großen Erinnerungsfest der christlichen Kirche, freuen wir uns nicht nur am Leben einer Kirche in einem Land. Sondern feiern, dass Menschen weltweit im christlichen Glauben miteinander verbunden sind: Manche als kleine Kirchen in der Minderheit, andere als große und wachsende Kirchen. Manche als Kirchen, die verfolgt und bedroht werden. Manche als arme Kirchen, und doch klar an der Seite von Benachteiligten und Flüchtlingen. Und andere als reiche Kirchen der weißen Mittelschicht - viel zu oft mit sich selbst und ihren Strukturen beschäftigt.

An Pfingsten erinnern wir alle einander: Wir glauben an den einen Gott, an den einen Christus, verbunden in dem einen, dem Heiligen Geist. Wir singen von der unbeirrbaren Liebe Gottes, die allen Menschen gilt. Wir seufzen mit Gottes Schöpfung, bitten und beten um seine Gerechtigkeit und seinen Frieden. Wir versuchen zu tun, was Not und Leid lindert. Wir gehören zusammen als Schwestern und Brüder aus aller Welt. Und mögen die Töne der Nationalisten und Populisten in unserem Land oder wo auch immer in dieser Welt auch noch so laut werden und noch so schrill sein - auch heute und hier wird öffentlich sichtbar und erfahrbar: Über alle Grenzen von Konfessionen, Religionen, Weltanschauungen und Nationalitäten hinweg sind wir verbunden auf der Suche nach Versöhnung und Frieden.

III
An Pfingsten erinnern wir uns, wie alles angefangen hat. Wir hören zwei Namen: Christus und Petrus. Wir hören von einem Auftrag: Binden und Lösen. Und vom Bau einer Gemeinschaft, die nichts und niemand vernichten kann. Die „immer sein und immer bleiben“ wird - wie es die lutherischen Kirchen seit bald fünfhundert Jahren bekennen.

Wenn man sie hört, die Geschichte von Christus und Petrus, so könnte man meinen, die Kirche Jesu Christi sei schon immer eine Sache allein unter Männern gewesen. Aber nicht nur die Tatsache, dass heute und hier eine Frau auf der Kanzel steht, dass heute und hier einer Frau das landesbischöfliche Amt anvertraut wird, erinnert daran, dass der christliche Glaube von Anfang an von Frauen und Männern gemeinsam gelebt und verkündet wurde. Frauen wie Johanna und Susanna waren unterwegs mit Jesus. Frauen wie Maria von Magdala verkündeten als erste die Botschaft seiner Auferstehung: „Ich habe den Herrn gesehen - und das hat er zu mir gesagt“. Frauen wie Junia, „hervorragend unter den Aposteln“, gaben seine Botschaft weiter. Frauen, die schnell vergessen gemacht wurden. So dass sich die Schwestern im Glauben bald nur noch mitgemeint fühlen sollten - und es selten genug auch tatsächlich waren.

Schwestern und Brüder, erinnert euch deshalb auch heute, an Pfingsten, und vergesst es nicht: Von allen Anfängen an sind wir als Frauen und Männer gleichermaßen geliebt und gesegnet. Gleichermaßen beauftragt, Gottes Barmherzigkeit zu verkünden. Gleichermaßen berufen, die Liebe Christi zu leben. Gleichermaßen geistvoll begabt und befähigt für alle Aufgaben und Dienste und Ämter seiner Kirche.

IV
Die Geschichte von Christus und Petrus, sie spielt an einem ganz konkreten Ort: Caesarea Philippi. Von hier aus, einem Zentrum der damaligen römischen Besatzungsmacht, wurden blutige Feldzüge geführt, die Schätze des Landes in Besitz genommen und Menschen gnadenlos beherrscht. Vor der Kulisse dieser Stadt werden sie ausgesprochen, die grundlegenden Worte unseres Glaubens: „Du bist Christus, des lebendigen Gottes Sohn.“

Kein erzwungener Treueschwur ist das, sondern ein Bekenntnis. Aus Vertrauen. Aus Hoffnung. Aus Glauben. Vor der Kulisse eines Ortes, von dem tausendfaches Töten ausgehen wird, bekennen sich Menschen zu dem, dessen Liebe und Hingabe zu allen Zeiten und an allen Orten den Mächten des Todes widerspricht und widersteht. Weil sie sehen und erfahren: Christus fordert nicht, dass sie sich und alles, was sie haben, ihm opfern, damit er sich ein gutes Leben machen kann. Sondern Christus schenkt sich und sein Leben, gibt sich selbst hin, damit wir alle das Leben haben.

Vor der bedrohlichen Kulisse von Caesarea Philippi erfahren Menschen, dass sie frei werden. Frei von den Herrschaftsansprüchen anderer auf ihr Leben, ihre Würde, ihre Freiheit. Frei, indem sie sich binden an Christus. So beginnt, was Christus selbst seine Kirche nennt: Die Gemeinschaft derer, die herausgerufen sind und andere herausrufen aus falschen Abhängigkeiten, aus Tod, Hass, Unterdrückung und Gewalt.

V
Die zerstörerische Macht von Caesarea Philippi gibt es nicht mehr. Heute schicken wir selbst uns an, das Leben auf dieser Erde zu zerstören. Wir selbst schicken uns an, Gottes geliebten Geschöpfen, und mit ihnen uns selbst, die Lebensgrundlage zu entziehen. Alle, die sich zu Christus bekennen, dem Sohn des lebendigen Gottes, müssen sich deshalb fragen lassen, ob sie diese Welt und alles Leben auf ihr wirklich als Gottes Schöpfung, als sein Eigentum, betrachten. Als Schöpfung, die für unser Geld nicht zu haben ist. Aber die wir um dieses Geldes willen zerstören. Wer sich zu Christus bekennt, wird sich entscheiden müssen, als Einzelner wie als Kirche: Was tust du, was tun wir, um Gottes Schöpfung, um das Leben auf dieser Erde zu behüten und zu bewahren? Vom wem erwarten wir alles Gute? Worauf verlassen wir uns im Leben und im Sterben?

„Du bist Christus, des lebendigen Gottes Sohn.“ Wer diese Worte sagt, stellt sich zu denen, die Christus herausruft aus Angst und Tod. Wer diese Worte ausspricht, begibt sich in den Wirkungsbereich seiner Liebe. Wer in diese Worte einstimmt, lebt nicht mehr allein aus eigener Kraft, sondern aus der Kraft seines Heiligen Geistes. Gerät in Kontakt mit der Liebe, die auch der Tod nicht überwältigen kann.

Mit Christus und der Beziehung zu ihm hat es angefangen. Und ja, Christus und die Beziehung zu ihm werden bleiben: „Du bist Christus, des lebendigen Gottes Sohn.“

Amen.

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