Im Gemüsebeet die Vergangenheit bewältigen

Einmalig in Deutschland: Kieler Suchtkranke gestalten einen Kleingarten

Gartenglück: Einige der Suchtkranken und Betreuende präsentieren im "Szenegarten" in Kiel-Gaarden stolz ein frisches Beet
Gartenglück: Einige der Suchtkranken und Betreuende präsentieren im "Szenegarten" in Kiel-Gaarden stolz ein frisches Beet© Heidi Klinner-Krautwald / Hempels

01. August 2012 von Doreen Gliemann

Es ist ein Projekt, das es nach Angaben der Stadt Kiel in Deutschland so kein zweites Mal gibt: Suchtkranke Frauen und Männer gestalten und pflegen im Stadtteil Gaarden auf freiwilliger Basis einen Kleingarten und schaffen es auf diese Weise, wieder eine Struktur in ihren Alltag zu bringen. Mittlerweile widmen sich an Spitzentagen bis zu zwanzig Menschen dieser Aufgabe.

Einer von ihnen ist der 38-jährige Timo. Die Arbeit in dem Szenegarten „Grünes Eck“ genannten Projekt helfe ihm, „meine Vergangenheit zu vergessen. Jetzt ist nur noch wichtig, was ich hier tue.“ Früher hat er harte Drogen konsumiert und wird inzwischen mit Ersatzstoffen substituiert. Alkohol trinkt er weiterhin, achtet dabei aber darauf, dass seine Arbeit darunter nicht leidet. Bevor er zusammen mit anderen Suchtkranken mit der Aufgabe begann, aus einer bis dahin verwilderten Fläche an der Ecke Wilhelmstraße und Mühlenstraße einen Nutzgarten zu schaffen, verbrachte er seine Tage meist auf der Straße.

Timo gehörte zu den Menschen, die sich regelmäßig vor einem Supermarkt am Karlstal trafen. Etliche Anwohner fühlten sich dadurch belästigt. Dass er und einige weitere Menschen aus der Karlstalszene jetzt in dem Kleingarten arbeiten, war Ergebnis von Gesprächen zwischen Stadt, Kinder- und Jugendhilfe-Verbund sowie der Szene, in denen die Idee geboren wurde.

Vor knapp einem Jahr ist der Szenegarten eröffnet worden. Neben Gemüsebeeten entstehen auch Ruheoasen für Besucher. Für Manfred Wagner, Leiter des städtischen Amtes für Wohnen und Grundsicherung, ist er schon jetzt ein Beispiel gelungener Sozialarbeit. Wagner weist dem Gartenprojekt eine ähnliche Bedeutung zu wie den zwei HEMPELS-Trinkräumen in Gaarden und der Innenstadt. Es sei eine „Win-win-Situation“ geschaffen worden sowohl für Anwohner wie auch Angehörige von Straßenszenen.

Besser in der Erde buddeln als im Alkohol versinken

Die "Gärtner" arbeiten ab 11 Uhr. Wer mindestens eine Stunde mithilft, ist nach Gartenschluss um 14.30 Uhr zum gemeinsamen Mittagessen in der Anlaufstelle „Flexwerk“ in der Johannesstraße eingeladen. Jede halbe Stunde Arbeit wird mit 50 Cent bezahlt, das Projekt ist auch so etwas wie eine kleine Tagelöhneragentur. Im Garten sind Drogen verboten, nur der Genuss von niedrigprozentigem Alkohol wie Wein und Bier ist erlaubt.

Fast alle der freiwillig Teilnehmenden kommen aus Gaarden, ein Fünftel von ihnen sind Frauen. Finanziert wird das Projekt über die Stadt und das Jobcenter Kiel, die Betreuung vor Ort liegt in den Händen des Kinder- und Jugendhilfe-Verbundes (KJHV). Mitarbeiterin Annkathrin Pick vom KJHV: „Wir sorgen mit gemeinsam gestalteten Regeln für ein friedliches Miteinander. Allen macht das großen Spaß.“

„Man sieht hier alles so schön wachsen“

Inzwischen ist auch bei manchen Anwohnern eine anfängliche Sorge vor dem Gartenprojekt verschwunden. „Viele kommen vorbei und bringen Tische, Stühle oder Geschirr“, so Manfred Wagner vom Grundsicherungsamt, „der Garten mit den dort arbeitenden Menschen hat sich in den Stadtteil integriert.“ Irgendwann, sagt Timo, der sich mit seiner Arbeit „hundertprozentig angenommen“ fühlt, „irgendwann wird das hier eine gemeinsame Fläche für alle Menschen aus dem Stadtteil werden“.

Dann verabschiedet er sich von der Reporterin, er will zurück in die von ihm angelegten Beete. „Ich hab schon Salat und Erbsen geerntet“, ruft er noch ganz stolz, „man sieht hier alles so schön wachsen.“

Gastbeitrag von Sarah Dieckmann - Foto von Heidi Klinner-Krautwald 
Erschienen im Kieler Straßenmagazins "Hempels" (
Juli-Heft). Das Magazin ist Mitglied im Internationalen Netzwerk der Straßenzeitungen sowie im forum sozial e.V. Die Hefte gibt es in Kiel und in vielen Städten im Raum Schleswig-Holstein bei Hempels-Verkäufern.

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