21. Mai 2015 | Ludwigslust, Katholische Kirche St. Helena/St. Andreas

Es geht ums Evangelium, nicht um uns Evangelische

21. Mai 2015 von Andreas von Maltzahn

Ökumenischer Gottesdienst, Predigt zu Johannes 4, 1-42

Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserm Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder,

von religiöser Konkurrenz unter den Kirchen Brasiliens haben wir eingangs gehört. „Gott sei Dank ist das nicht unser Thema", war mein erster Gedanke. In unserem Land, in dem so viele Menschen Gott noch nicht für sich entdeckt haben, brauchen katholische und evangelische Christinnen und Christen einander, damit das Evangelium glaubwürdig bezeugt wird.

Und doch liegt die Geschichte gegenseitiger Verdächtigungen und Ausgrenzungen noch nicht so lange zurück. Im Blick auf diese schmerzliche Vergangenheit können wir nachempfinden, was sich zwischen Jesus und der Frau aus Samaria abspielte. Juden und Samariter hatten zwar einen ähnlichen Glauben, aber vielleicht gerade deswegen hatte jeder vom andern das Gefühl, den wahren Glauben nicht richtig zu bewahren. Deshalb verkehrte man auch nicht miteinander. Das Tischtuch zwischen ihnen war zerschnitten. Entsprechend baff war die Samariterin am Brunnen, als Jesus sie um einen Trunk Wasser bat:

„Wie kannst du als Jude mich, eine Samariterin, um Wasser bitten?" (V.9a)

Jesus überschreitet eine Grenze. Er überbrückt eine Kluft zwischen verschiedenen Glaubensrichtungen. Ein Gespräch beginnt. Jesus macht das alte Spiel nicht mehr mit, Identität durch Abgrenzung zu gewinnen. Denn das ist ja eine große Versuchung für uns Menschen, das eigene Selbstbewusstsein aufzubauen, indem ich mich vom anderen abgrenze: ‚Ich bin ein Deutscher', sagt der eine und schaut auf ‚die Ausländer' herab, als wären sie nicht alle von Gott mit der gleichen Würde begabt. ‚Wir haben keinen Papst', sagt ein Evangelischer, als wäre damit schon etwas Positives über evangelisches Christsein gesagt.

Schwestern und Brüder, ein Bewusstsein davon, wer wir sind, was uns ausmacht, ist wichtig – sowohl für uns Menschen als auch für unsere Kirchen. Aber wir tun gut daran, dies positiv zu beschreiben – nicht in Abgrenzung, nicht in Negation.    

Christus überwindet, was trennt. Er zieht die Frau am Brunnen in ein erstaunliches Gespräch. Er spricht von „lebendigem Wasser", von einer „Quelle, die ins ewige Leben quillt". Und er kennt ihren Durst nach Leben, ihren Hunger nach Liebe: Bei fünf Männern hat sie Erfüllung ihrer Sehnsucht gesucht und lebt nun mit dem sechsten. Aber ihr Durst nach Lebendigkeit ist ungestillt. Der Fremde am Brunnen weiß es. Er scheint in ihr zu lesen wie in einem aufgeschlagenen Buch. Ist er ein Prophet?

Das Schöne ist: Jesus moralisiert nicht, macht sie nicht nieder. Er versteht sie in der Tiefe ihrer Seele.

Vielleicht ist es etwas kurzgeschlossen, aber ich muss hier an das Wasser der Taufe denken. Das Sakrament der Taufe schenkt uns so viel: Dass wir zu Gott gehören – unverlierbar! Dass uns nichts trennen kann von seiner Liebe, dass wir in der Beziehung zum Dreieinigen Gott die Erfüllung unseres Lebens und Frieden finden können – all das ist mit der Taufe verbunden.

Zugleich sind wir als Christinnen und Christen – gleich welcher Konfession – miteinander in der Taufe verbunden. Sie ist das Sakrament der Einheit. Für jeden Christenmenschen begründet sie die Zugehörigkeit zum Leib Christi. So haben es unsere Kirchen in der Magdeburger Erklärung zur gegenseitigen Anerkennung der Taufe bekannt. Durch die Taufe sind wir eins in Christus. Das stärkt unsere Sehnsucht nach voller Gemeinschaft.

Das Gespräch Jesu mit der Samariterin geht weiter.  Sie blickt zurück auf die Geschichte ihres Volkes und seine Glaubenstradition. Sie sagt:

„Unsere Väter haben auf diesem Berg angebetet, ihr aber sagt, in Jerusalem sei die Stätte, wo man anbeten muss." (V.20)

Es ist fast wie in einem interkonfessionellen Gespräch: Zunächst nimmt man wahr, was ist, fragt nach Unterschieden und Gemeinsamkeiten.

Jesus jedoch weitet den Horizont, indem er zur Samariterin sagt:

„Glaube mir, Frau, die Stunde kommt, zu der ihr weder auf diesem Berg noch in Jerusalem den Vater anbeten werdet. … Aber die Stunde kommt, und sie ist schon da, zu der die wahren Beter den Vater anbeten werden im Geist und in der Wahrheit. Gott ist Geist, und alle die ihn anbeten, müssen im Geist und in der Wahrheit anbeten." (V.21.23f)

Was für Worte, die Jesus da spricht! „Anbeten im Geist und in der Wahrheit" – dahin soll es mit uns gehen. Nicht unsere Traditionen, die uns Heimatgefühl, aber auch Orientierung geben, nicht unsere kirchlichen Ordnungen sind in der Gegenwart Christi entscheidend, sondern Gott, der Geist ist! Entsprechend sollen wir anbeten – in Geist und Wahrheit. Welche Freiheit atmet diese Rede Jesu!

Heißt das, dass Tradition und Ordnung keine Bedeutung mehr haben? Mitnichten! Denn wie kann ich wissen, dass es wirklich ‚Geist und Wahrheit' ist, was mich beseelt, und nicht nur meine persönliche Meinung – und sei ich auch noch so begeistert!? Schrift und Bekenntnis, Tradition und kirchliche Ordnung helfen uns, zu überprüfen, ob wir uns geistlich verlaufen haben oder ob wir dem Weg Jesu folgen. Traditionen und Ordnungen sind in einer Gemeinschaft auch wichtig insbesondere für jene, die eine größere Freiheit überfordern würde. Schon Paulus hat uns die Rücksicht auf diese Menschen ans Herz gelegt.

Dennoch: Das Ziel hat Jesus kenntlich gemacht:

„Die Stunde kommt, und sie ist schon da, zu der die wahren Beter den Vater anbeten werden im Geist und in der Wahrheit."

In Christus, in seiner Gegenwart hat diese Freiheit schon jetzt ihren Raum. Und wir tun gut daran, uns in den Gemeinschaften unserer Kirchen auf diesen Weg zu machen – suchend nach Gott, der Geist ist, prüfend, was er von uns heute erwartet, einander bestärkend in der Liebe zu IHM.

Schwestern und Brüder, die Geschichte Jesu mit der Samariterin weitet sich weiter und bezieht auch Leute aus dem Ort mit ein. Menschen kommen zum Glauben an Christus. Obwohl sie nicht der ‚richtigen' Konfession angehören, erkennen sie:

„Er ist wirklich der Retter der Welt." (V. 42b)

Christus – der Retter, der Heiland, der Erlöser! Schwestern und Brüder, danach sehnt sich mein Herz, dass es uns in unserer Zeit gelingt, unseren Glauben so zu leben, dass Menschen erkennen: ‚Christus ist der Retter! Mit ihm wollen wir unser Leben führen. Denn durch ihn wird unser Leben heil und erfüllt.'

Ein unrealistischer Wunsch?

In Schleswig-Holstein erleben wir gerade, dass die Kampagne zur Aufnahme des Gottesbezugs in die Landesverfassung Gespräche über Gott neu ermöglicht. Gewiss, es gibt auch manche Auseinandersetzung. Missverständnisse müssen ausgeräumt werden. Dennoch – die Frage nach Gott kommt ins Gespräch.

In den kommenden Jahren haben wir eine vielleicht noch größere Chance. Der 500. Jahrestag der Reformation ist eine vorzügliche Gelegenheit, die Schönheit und Lebenskraft des christlichen Glaubens ins Gespräch unserer Gesellschaft zu bringen. Des christlichen Glaubens, nicht des evangelischen!

Lassen sie uns diesen Jahrestag als ein Christus-Fest feiern! Denn auf Christus wollten doch die Reformatoren hinweisen. Uns Evangelische rufe ich auf, dieses Jubiläum nicht in Abgrenzung zu unseren katholischen Geschwistern zu begehen. Es geht ums Evangelium – nicht um uns Evangelische! Darum: Bemühen wir uns alle, das Evangelium von Jesus, dem Christus, so glaubwürdig und lebensnah wie möglich zur Sprache zu bringen und zu bezeugen! Möge Gottes Geist uns dabei leiten in alle Wahrheit!

Amen.

Und der Friede. . .

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