8. Oktober 2017 | Greifswalder Dom

Frauen im Widerstand in der DDR

08. Oktober 2017 von Hans-Jürgen Abromeit

Gottesdienst zum Abschluss der Wanderausstellung „… von gar nicht abschätzbarer Bedeutung – Frauen schreiben Reformationsgeschichte“, Kurzansprache

Zuerst einmal möchte ich als pommerscher Bischof ein wenig stolz darauf hinweisen, dass immerhin sieben Frauen aus Pommern in dieser wunderbaren Ausstellung Erwähnung finden. Das sind die Diakoniegründerin Johanna Odebrecht, deren Vermächtnis in der Odebrechtstiftung bis heute fortlebt, die Evangelistin und Förderin der Seemannsmission Adeline Gräfin von Schimmelmann, die Quäkerin Margarethe Lachmund, Stephanie Mackensen von Astfeld, die als einzige weibliche Delegierte 1934 die Barmer Theologische Erklärung der Bekennenden Kirche mit verabschiedete, die Vikarin Annemarie Winter, die sich im pastoralen Dienst in Hinterpommern verzehrte, die in der DDR oppositionelle Lehrerin und Redakteurin Marieluise Rudloff und die Pädagogin Helga Krummacher.

Wie kann man in der DDR leben und zugleich treu zum christlichen Glauben stehen? Die Ausstellung beleuchtet auch dieses Thema und wirft einen Blick auf die beiden letztgenannten, sehr unterschiedliche, aber gleichermaßen imposanten Frauen.

Ich konzentriere mich jetzt auf Frau Krummacher, weil sie zu den bedeutenden Personen der pommerschen Kirchengeschichte in den 50er- und 60er-Jahren gehört hat. Als Helga Krummacher 1973 im Alter von 64 Jahren starb, stand über der Beerdigung das Wort aus dem Johannesevangelium, Kapitel 14, Vers 27: Jesus spricht: „Den Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt. Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht.“ Was für ein Wort! Es passt zu dieser agilen Frau, der Gründerin des Greifswalder Seminars für kirchlichen Dienst, der Predigerin und Bischofsfrau, der Mutter von sieben Kindern, dem Vorbild für viele, die sich in der DDR nicht dem Mainstream ergaben, sondern widerständig blieben. In diesem Wort Jesu an seine Jünger wendet sich der Herr nicht gegen die Welt, er wendet sich auch nicht ab von der Welt und zieht sich aus ihr in eine fromme Innerlichkeit zurück. Sondern Jesus weiß um die Grenzen dieser Welt und ihre Erlösungsbedürftigkeit. Wo Menschen tätig werden für Frieden, Gerechtigkeit und Versöhnung, und sei es aus unterschiedlichen Motiven, achtet Jesus das nicht gering.

Das Wort Jesu passt zu dieser mutigen und widerständigen Frau. Als sich abzeichnete, dass in der sowjetischen Besatzungszone unter dem Regime Grotewohls und Ulbrichts auch auf Dauer keine christliche Unterweisung und Erziehung mehr im öffentlichen Raum möglich sein würde, war das für Helga Krummacher nicht Grund zur Resignation, sondern zur Aktion. Die gelernte Erzieherin dachte über die Ausbildung junger Frauen zu „Kinderdiakoninnen“ nach. Noch heute gibt es dieses Seminar, wenn auch unter neuen Bedingungen und in einer veränderten Konzeption. Hier werden junge Frauen und Männer im Erzieherberuf mit einer besonderen reformpädagogischen Ausprägung ausgebildet. Ganz im Sinn von Helga Krummacher lernen die jungen Menschen, sich einzumischen. Sie erleben, dass sie selbst Akteurinnen und Akteure ihrer Ausbildung sind und bekommen zugleich vermittelt, auch die ihnen anvertrauten Kinder auf diese Weise zu prägen. Das ist ein bleibendes Erbe und eine bestehende Herausforderung. Wir sind aufgerufen, uns nicht dem Trott des Gewöhnlichen zu ergeben. Mit einem unerschrockenen Herz, in dem der Friede Christi wohnt, gestalten wir aktiv unseren Alltag. Unsere Herausforderung liegt nun nicht mehr in einem kirchenfeindlichen Staat, der uns unterdrücken würde. Aber wir leben in einer Welt, die wenig Verständnis, ja überhaupt kaum einen lebendigen Kontakt zum christlichen Glauben kennt. Wenn wir unseren Glauben lebendig, kräftig und schärfer vertreten, nehmen wir das Erbe von Helga Krummacher auf. In der fröhlichen Schaffenskraft und dem mutigen Bekennen leben wir im Geist des dreieinigen Gottes.

Erlauben Sie mir einen Nachtrag: Ich habe seinerzeit, in einer Predigt anlässlich ihres 100. Geburtstages, Helga Krummacher analog zu den Kirchen gründenden Theologen, die man „Kirchenvater“ nennt, eine „Kirchenmutter“ genannt. Ja, ihr Beitrag zum Leben der pommerschen Kirche ist nicht zu unterschätzen. Wenn mit einer Tafel am Bischofshaus – zu recht – ihres Mannes, dem zweiten Bischof der Pommerschen Evangelischen Kirche nach dem II. Weltkrieg gedacht wird, dann ist mir die kritische Nachfrage meiner Frau im Ohr, warum nicht auch an Helga Krummacher erinnert wird. Ja, das ist ein Fehler. Im Bischofshaus wohnte nicht nur Friedrich Wilhelm Krummacher, sondern auch seine Frau. Die Erinnerung an unsere „Kirchenmutter“ Helga Krummacher sollte in gleicher Weise wachgehalten werden. Ich habe mir deswegen vorgenommen, an die Kirchenleitung der Nordkirche einen entsprechenden Antrag zu stellen. Mit Helga Krummacher würden dann auch viele Frauen und besonders auch Pfarrfrauen geehrt, die einen Dienst „von gar nicht abschätzbarer Bedeutung“ für das Leben und das Wachstum unserer Kirche geleistet haben. Das ist überfällig.
Amen.

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