Senatsempfang für Ralph Giordano

Gegen den rechten Ungeist - Der Publizist Ralph Giordano wird 90 Jahre alt

Als unbequemer Mahner und Aufklärer zieht Ralph Giordano seit mehr als einem halben Jahrhundert gegen rechtsextremes Gedankengut zu Felde. (epd-Bild)
Als unbequemer Mahner und Aufklärer zieht Ralph Giordano seit mehr als einem halben Jahrhundert gegen rechtsextremes Gedankengut zu Felde. (epd-Bild)© epd-bild / Jörn Neumann

18. März 2013 von Simone Viere

Hamburg. Mit seinem autobiografischen Roman "Die Bertinis" hat er den verfolgten Juden in Hamburg ein Denkmal gesetzt. Seine Warnungen vor dem Rechtsextremismus sind hoch aktuell. Am 20. März wird Ralph Giordano 90 Jahre alt und vom Hamburger Senat geehrt.

Auf diese Bestätigung hätte er gern verzichtet. "Ich kann keine Genugtuung über eine Sache empfinden, die fürchterlich ist", sagt Ralph Giordano. Der Mann mit der weißen vollen Mähne, der am Mittwoch (20. März) 90 Jahre alt wird, ist ein lebendes Mahnmal gegen die Gefahr von rechts außen. Dass Rechtsextremisten jahrelang unbehelligt eine blutige Spur des Terrors durch Deutschland ziehen konnten, hat wieder gezeigt, wie aktuell Warnungen vor rechter Gewalt sind. Der gebürtige Hamburger wird am Mittwoch von Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) mit einem Senatsempfang im Rathaus geehrt.

Giordano: "Kalte Amnesie" der Täter "die zweite Schuld" der Deutschen

In Giordanos zentralem Werk "Die zweite Schuld oder von der Last Deutscher zu sein" hat der Autor und Journalist bereits 1987 beschrieben, wie Wirtschaftsführer, Staatsanwälte und Militärs aus der NS-Zeit fast übergangslos ihre Karriere in der Bundesrepublik Deutschland fortsetzen konnten. Diese "kalte Amnestie" der Täter ist nach Giordanos Auffassung "die zweite Schuld" der Deutschen.

Die Geschichte seiner Familie hat Giordano in dem 1982 erschienenen Roman "Die Bertinis" verarbeitet, der vom ZDF verfilmt wurde. Als Fernsehjournalist produzierte er unter anderem Reportagen über den Welthunger, die deutsche Kolonialzeit in Afrika und den Völkermord an den Armeniern. Das Themenspektrum seiner inzwischen 23 Bücher reicht von Ostpreußen über die DDR bis zu Israel.

Angst um sein Leben als Sohn einer jüdischen Mutter

Die Beschäftigung mit Deutschland nach dem Nationalsozialismus ist für Giordano nicht das einzige, wohl aber das wichtigste Thema geblieben. Sein Schlüsselerlebnis sei die "Befreiung von der Angst vor dem jederzeit möglichen Gewalttod, weil ich eine jüdische Mutter hatte", schreibt Giordano in seiner Biografie "Erinnerungen eines Davongekommenen". Noch heute wache er morgens mit der Frage auf: "Ist es wahr - lebst du, lebst du wirklich?"

Am 20. März 1923 wurde er als Sohn einer jüdischen Klavierlehrerin und eines Musikers mit sizilianischen Vorfahren in Hamburg-Barmbek geboren. Um die Mutter vor der Deportation zu bewahren, tauchte die Familie in die Illegalität ab. Die Befreiung durch die britische Armee erlebte Giordano im Mai 1945 mit seinen Eltern und seinen beiden Brüdern in einem feuchten Hamburger Kellerversteck voller Ratten.

Besondere Verdienste um die Aufarbeitung der deutschen Vergangenheit

"Hitler war zwar militärisch geschlagen, aber nicht geistig", stellte der Überlebende schon bald fest. Für ihn einer der Gründe, in Deutschland zu bleiben. "Ich bin angenagelt an dieses Land", bekennt er. In unzähligen Artikeln, Fernsehreportagen und Büchern hat sich Giordano seitdem mit dem Nationalsozialismus und seinen Folgen befasst. Für seine besonderen Verdienste um die Aufarbeitung der deutschen Vergangenheit erhielt er 1990 das Bundesverdienstkreuz Erster Klasse, 2009 das Große Bundesverdienstkreuz.

In die Kritik geriet Giordano, als er 2007 gegen den Bau der Kölner DITIB-Moschee öffentlich Stellung bezog. Moscheen würden in Deutschland hochschießen "wie Pilze", hatte Giordano formuliert. Die Integration der muslimischen Minderheit halte er für gescheitert. Seine Kritik, betont er jedoch, richte sich nicht gegen die Muslime, sondern gegen den politischen Islam.

Giordanos Credo: "Menschenrechte sind nicht teilbar"

Kritikern wie Freunden hat Giordano es nie leicht gemacht. Schon in der Nachkriegszeit erkannte er, dass die Feinde seiner Feinde nicht automatisch Freunde sein müssen. Diese Erkenntnis ließ ihn in den 50er Jahren mit der DDR und später auch mit der KPD brechen. Linke und Friedensbewegte brachte der Nazi-Gegner später mit seiner Kritik an ihren Protesten gegen den Irak-Krieg der US-Regierung gegen sich auf. "Menschenrechte sind nicht teilbar", lautet sein Credo.

Bis heute arbeitet der mehrfach verwitwete Giordano mit eiserner Disziplin. Ärzte schätzten ihn nach Untersuchungen 20 Jahre jünger, wie er erzählt. Bis nachmittags um vier liest, studiert und schreibt er. Dann gönnt er sich eine Tasse Tee mit Zitrone. Und sobald die Sonne scheint, geht er auf der Terrasse seiner großen Leidenschaft nach: Dann setzt er auf der Gleisanlage seine sorgsam gehüteten Dampflokomotiven in Bewegung. "Ich bin immer ein Fan von Dampfmaschinen gewesen", sagt er.

In 23 Büchern "alles, was ich sagen wollte, gesagt"

Größere Werke will Giordano nicht mehr verfassen. "In meinen 23 Büchern habe ich alles, was ich sagen wollte, gesagt", erklärt er. Heute sehe er zwar manches gelassener. "Trotzdem gibt es immer noch genügend Dinge, die mich sofort auf die Palme bringen. Da kann ich mich nicht ändern und will es auch nicht." Für sein letztes Buch wählte er einen Titel, den er auch als Bilanz seines Lebens sieht: "Von der Leistung kein Zyniker geworden zu sein". 

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