5. Juni 2017, Pfingstmontag | Schwerin, Marktplatz

Gott kennt kein egoistisches Kirchturm-Denken

05. Juni 2017 von Gerhard Ulrich

Predigt von Landesbischof Ulrich anlässlich der Ökumenischen Pfingstfeier "Gemeinsam die Stimme erheben" am Pfingstmontag, 5. Juni 2017

Es gilt das gesprochene Wort

Liebe Schwestern und Brüder!

I

Es ist richtig, was der Erzbischof eben gesagt hat: wir sind, gerade im Gedenkjahr 500 Jahre nach Beginn der Reformation, auf das gewiesen, was uns gemeinsam war und ist: das Wort des einen Gottes, sein Geist, der Menschen Feuer und Flamme sein lässt, der beiseite fegt, was trennt: „Und es hob ein Sausen und Brausen an, wie ein Sturm. Und es war zu spüren in dem Haus, in dem sie saßen…“ – Was wir eben in der Apostelgeschichte des Lukas gehört haben, das kennen wir katholischen und evangelischen Christen nahe der Nord- und Ostsee gut: kräftigen Wind, Windbraus, Sturm. Darin ist spürbar die Kraft der Schöpfung.

Die Jünger Jesu mussten damals nach Ostern – nach Tod und Auferstehung ihres Herrn –lange warten, dass endlich losbricht solcher Sturm des Geistes. Und sie konnten dann gar nicht schnell genug hinaus und den Kopf in den Wind halten, damit er ihnen um die Ohren bläst und alles heraustreibt, was sie seit dem Tod Jesu bedrückt hatte.

Da fühlten die Jünger sich allein. Jesus hatte sie verlassen. Sie waren ängstlich. Wie sollte es weitergehen? Sie sitzen zusammen, beten und grübeln – eine geschlossene Gesellschaft. Sie warten auf den Geist des Trostes und der Kraft, den Jesus verheißen hatte. Und sie fürchteten sich zugleich vor Verfolgung, Schmähung wegen ihres jungen Glaubens. Erfahrungen, die Christinnen und Christen aus Mecklenburg und Pommern auch kennen. Die unsere Schwestern und Brüder in Ägypten, Syrien und anderswo heute erleiden.

Und natürlich kennt jeder und jede auch das, was die Jünger fesselt und ängstigt: wenn plötzlich ein Halt verloren geht, Vertrautes nicht mehr greifbar ist; wenn alles sich verändert, wenn man sieht, wie sich draußen Menschen aus aller Herren Länder versammeln – wie damals in Jerusalem, dann ist solche Globalisierung nicht nur schön, sondern erst einmal bedrohlich: dann wächst die Sehnsucht nach dem, was immer schon so war; wenn draußen alles sich verändert und unübersichtlich wird, dann sehnt man sich nach einer „geschlossenen Gesellschaft“; dann ist der erste Impuls nicht Aufbruch, sondern Rückzug, dann macht die Freiheit da draußen Angst, weil man noch nicht weiß, wie es weitergehen kann. Dann braucht es ein Zeichen, ein Wunder, Bewegung, einen Anstoß, jemanden, der uns herausholt aus der Lethargie.

So ist es Pfingsten: Wie die Jünger so beieinandersitzen, kommt es über sie wie ein mächtiger Sturm. Unerwartet, aus dem Nichts der Trauer. Wie Flammen des Geistes von Gott. Ihre Sorgen: wie weggeblasen; ihre Angst: wie weggeweht. Sie fangen an zu reden, laut, offen und frei. Können nicht für sich behalten, was sie glauben: „Jesus, den ihr tot glaubt, lebt und spricht durch uns. Seht, wie er uns frei macht von der schlimmen Angst.“

Eine Geschichte des Aufbruchs ist das: des Umbruchs, der Ermutigung.

Wie aus einem erloschen geglaubten Vulkan bricht es aus den Jüngern hervor. Das Urgestein des Glaubens schleudert schlafende Energien hervor. Schiebt sich wie Feuer über die alte Verzagtheit, die alles berechnen, das Risiko einschätzen will.

Die Menschen hören, staunen. Sind verblüfft. Viele werden mitgerissen von der mutigen Verkündigung. Erinnern, was Jesus gesagt hatte, bevor er ging: „Ich lebe und ihr sollt auch leben!"

Viele rufen: „Ja, die haben Recht, die Männer aus Galiläa! Wir können sie verstehen – auch wenn wir unterschiedlich sind. Sie reden die Sprache Gottes. Alle zusammen: eine Sprache!“

II

Gott kennt kein egoistisches Kirchturm-Denken nach der Devise: „Meine Kirche, mein Land zuerst!“ Nein! Er schafft sich eine Kirche in der Kraft des Geistes. Eine Gemeinschaft der Verschiedenen, der Vielfalt, die nicht Angst macht, sondern reich!

Freiheit ist ohne Vielfalt nicht denkbar. Das Pfingstwunder aber bringt Menschen aus der ganzen Welt zueinander. Pfingsten will öffnen für die Vielfalt der Kulturen. Dieser Windbraus Gottes ist auch heute da. Hier in Schwerin. Habt keine Angst vor der Freiheit. Gestaltet sie: im Glauben und im Respekt für die Würde des Anderen – ganz gleich, wo er herkommt. Das ist die Globalisierung, die Gott will!

Lasst uns feiern: Dass Gott uns seinen guten Geist gibt, damit wir Kraft haben im Kampf gegen Hoffnungslosigkeit und Trostlosigkeit in unserem Leben und in der Welt. Nicht Gewalt sollen wir haben – aber Kraft! Nicht violence – aber power!

Der Auferstandene selbst lädt uns alle ein zur Gemeinschaft im Hören auf Gottes Wort. Zur Gemeinschaft beim Mittagsmahl heute.

500 Jahre Reformation – das ist heute ein ökumenischer Ruf, der an uns alle ergeht: dass wir uns immer wieder neu an Christus orientieren. Gemeinsam sind wir auf diesem Weg. Gemeinsam feiern wir das in diesem Gottesdienst. Erfahren hier: dass wir zusammengehören. Und gehen weiter unseren Weg aufeinander zu. Als Beispiel für die Welt, sehr richtig, lieber Bruder Heße.

III

Gott braucht begeisterte Leute, die auch scheinbar unrealistische Dinge denken und tun. Gott will uns als Leute, bei denen man spürt: dass sie gepackt sind von der Liebe, die wir bei Jesus sehen.

Es geht hier nicht um irgendeinen Hype, sondern um den Traum vom guten Leben, wie Jesus ihn nicht nur geträumt, sondern auch gelebt hat. Das ist ein Traum, der den Schlaf überdauert. Der Traum von der Liebe, der Gerechtigkeit und dem Frieden für alle Menschen. Für alle hier in Schwerin, im Erzbistum, in der Nordkirche und darüber hinaus: weltweit.

Ich habe den Traum, dass eines Tages diese Welt den Frieden Gottes lebt. Dass alle Menschen einander achten. Und haben ein Leben in Fülle. Und teilen miteinander, was wir wirklich brauchen: Brot und Liebe. Frieden und Gerechtigkeit.

Dazu treffe uns der Geist Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft.
Amen

Datum
05.06.2017
Quelle
Stabsstelle Presse und Kommunikation
Von
Gerhard Ulrich
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