Interkulturelles Lernen - Freiwillige in Nord und Süd
27. Februar 2018
Am 18. März ist Sonntag Judika - nordkirchenweit ein Tag der Gottesdienste und Aktionen rund um das Thema Vielfalt und Gerechtigkeit. Ruth Krötz, die als Freiwillige 2016/2017 in Jiuquan/China war, berichtet über ihre Erfahrungen mit interkultureller Begegnung.
Ich hatte wahnsinniges Glück, gemeinsam mit acht Freunden und Freundinnen, die ebenfalls als Freiwillige in Westchina eingesetzt waren, das berühmte Neujahrsfest in einer chinesischen Familie verbringen zu dürfen. Wir waren von Zoey, einer befreundeten Lehrerin, nach Wuhu eingeladen. Dort leben ihre Eltern und ihre Großmutter.
Hut ab vor so viel Gastfreundschaft
Das Neujahrsfest entspricht von der Bedeutung in etwa unserem Weihnachtsfest: Es gilt als das Familienfest schlechthin und ist das wichtigste chinesische Fest. Insgesamt dauern die Neujahrsfeierlichkeiten 15 Tage. Gerade in diesem Kontext fand ich es geradezu verrückt, dass Zoeys Familie uns hat teilhaben lassen. Ich weiß nicht, ob meine Familie ohne Vorbehalte neun Chinesen zu Weihnachten eingeladen hätte, von denen ihre Tochter nur drei wirklich kennt und mit ihnen befreundet ist. Hut ab vor so viel Gastfreundschaft!
Ruth Krötz war als Freiwillige 2016/2017 mit dem Nord-Süd-Programm des Zentrums für Mission und Ökumene in Jiuquan/China und unterstützte dort den Englischunterricht an einer Mittelschule. Sie studiert Politikwissenschaften in Leipzig.
Die gemeinsame Mahlzeit am Abend war unbeschreiblich vielfältig. Es gab viel Fleisch und Fisch, dazu sogenannte runde Gerichte, die eine symbolische Bedeutung haben und für das gemeinsame Zusammensein mit der Familie stehen. Auch Krabben waren in der Essensfolge wichtig. Immer musste darauf geachtet werden, Yin und Yang miteinander auszugleichen. Das Yin der Krabbe zum Beispiel erforderte es, für das Yang heißen Reiswein zu trinken.
Für Unverständnis sorgte, dass aus unserer Gruppe ein Großteil kein Fleisch aß. Das war gerade für den Vater meiner Kollegin schwer zu verstehen, denn Fleisch gilt in China als Zeichen des Wohlstandes.
"Lucky Money"
Vollkommen überrascht waren wir, als auch wir, genau wie Zoey, einen roten Umschlag von ihren Eltern überreicht bekamen. Wir wussten, dass darin Eltern ihren Kindern sogenanntes „lucky money” zum Neujahrsfest schenken, und hätten niemals erwartet, als Gäste ebenfalls dieses Geschenk zu erhalten.
Im Fernsehen lief auf allen Kanälen eine traditionelle Neujahrs-Show. Für uns war das Entertainment sehr gewöhnungsbedürftig mit Gruppenchoreografien, Sketchen, rappenden Weltkriegsveteranen und Männern in Uniformen. Große Feuerwerke waren in der Stadt verboten, aber wir konnten einige Himmelslaternen steigen lassen.
Zwischen Räucherstäbchen, gefalteten Händen und einer zerbrochenen Teetasse
Am nächsten Tag stand der Besuch des buddhistischen Tempels der Stadt auf dem Programm. Dort schoben sich Menschenmassen durch Räume, über Treppen und Plätze, viele mit Räucherstäbchen, manche mit gefalteten Händen. Gläubige Menschen sind in der Öffentlichkeit selten zu sehen, für uns war das deswegen ein spannendes Erlebnis.
Zum Mittagessen konnten wir die leckeren Reste vom Vorabend genießen. Dabei ging leider eine Teetasse zu Bruch. Dies bringt laut chinesischen Vorstellungen am Neujahrsfest Unglück. Zoey hat die Scherben deswegen in rotes Papier eingewickelt, einige Verse gesprochen und sie dann zum Haus-Buddha gelegt, um das Unheil abzuwenden.
Am chinesischen Neujahr teilhaben zu können war eine der vielen prägenden Erfahrungen, die ich in China machen durfte.