26. Dezember 2016 | Dom St. Nikolai zu Greifswald

Jesus Christus – das Licht der Welt

26. Dezember 2016 von Hans-Jürgen Abromeit

Gottesdienst am 2. Weihnachtsfeiertag, Predigt über Johannes 8,12-16

Liebe Gemeinde!

Weihnachten feiern wir, dass Jesus Christus geboren ist - Jesus Christus das Licht der Welt. Das ist die eigentliche Weihnachtsbotschaft. Wer als Leser des Johannesevangelium vorn angefangen ist, weiß das schon. Wir haben es ja gerade als Evangelium für den 2. Weihnachtstag gehört: „Im Anfang war das Wort. … In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen. Und das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat’s nicht ergriffen. … Das war das wahre Licht, das alle Menschen erleuchtet, die in diese Welt kommen“ (Joh. 1, 1.4f.9). In Joh. 8, 12 sagt Jesus selbst: „Ich bin das Licht der Welt.“

Deswegen ist Weihnachten geprägt von Lichtsymbolik. Wir zünden in der Weihnachtszeit Kerzen an, weil Kerzen das Licht in der Dunkelheit anschaulich macht. Vielleicht verstehen wir auf diesem Hintergrund den Predigttext für den 2. Weihnachtstag aus dem 8. Kapitel des Johannesevangeliums (V.12-16) besonders gut. „Da redete Jesus abermals zu ihnen und sprach: Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben.“

Lassen Sie uns zuerst darüber nachdenken, wieso 1. Jesus das Licht ist, und dann 2. was Licht bedeutet, und schließlich 3. darüber, wieso Jesus das Licht der Welt ist, nicht nur das Licht für die, die an ihn glauben, sondern auch für die, die ihn ablehnen.

I. Jesus

Wir Menschen sind auf der Suche nach Gott, auf der Suche nach etwas, das das Leben mit Sinn erfüllt. Das war zur Zeit Jesu nicht anders. Im alten, riesengroßen Römischen Reich gab es eine große Anzahl von unterschiedlichen Göttern, die verehrt wurden. Jeder Gott war ein Versuch, eine Antwort auf das Bedürfnis des Menschen nach „Mehr“, nach Transzendenz, zu finden. Doch da war ein Problem. Wenn es viele Götter gab, dann konnten diese auch gegeneinanderstehen und miteinander in Konkurrenz treten. Das Reich drohte auseinander zu fallen. Darum hatte der römische Kaiser Aurelian (270 – 275) die Idee gehabt, das Fest der „unbesiegten Sonne“ (sol invictus) auf den 25. Dezember zu legen und diesen einen Gott als den zu deklarieren, der die Wahrheitsmomente in den vielen Göttern zusammenfasst. Überraschend schnell hat sich dann dieses Fest der Sonnenverehrung eingeführt. Bald trat die Bedeutung der vielen, unterschiedlichen Götter gegenüber diesem einen zurück. Das Römische Reich brauchte den Glauben an einen die auseinanderstrebenden Kräfte der verschiedenen Religionen, Kulturen und Menschen zusammenführenden Gott. Die Religion der „unbesiegten Sonne“ griff auf das Symbol des Lichtes und der Wärme zurück. Diese Religion gab der Erfahrung Ausdruck, dass es in dieser Welt zwar dunkel ist, dass aber in ihr eine unbesiegbare, starke Kraft waltet. Die Sonne ist unbesiegbar.

50 Jahre später konnte ein anderer römischer Kaiser, Kaiser Konstantin, daran anknüpfen und erklären: Der Glaube an den einen Gott ist wichtig und das Datum passt auch gut, aber die Gotteserkenntnis ist noch unvollkommen. Das, was als Gott der unbesiegbaren Sonne bezeichnet wird, ist eigentlich Jesus Christus. Wir Menschen müssen nicht unsere Bedürfnisse zur Religion hochstilisieren, sondern wir dürfen von dem Kommen Gottes in diese Welt ausgehen.

Jesus Christus hat eben zu seinen Leuten gesagt: „Ich bin das Licht dieser Welt. Wer mir folgt, tappt nicht mehr im Dunkeln. Er wird das Licht des Lebens haben“ (Johannes 8, 12 - Basisbibel). Wenn Jesus von einem Licht für die ganze Welt redet, dann ist dieses Angebot ja unglaublich. Dieser Wanderprediger aus einem kleinen unbedeutenden Volk, der im Winkel der Weltgeschichte zu einer noch nicht einmal präzis zu bestimmenden Zeit gelebt und gelehrt hat, der sagt von sich, dass er die ganze Welt erleuchten kann. Wer dieser Lichtquelle folgt, für den sei die Dunkelheit aufgehoben. Er findet ein Licht, das sein ganzes Leben erfüllt. Aber gerade als dieses Licht der Welt ist er übersehbar und verwechselbar.

Ich habe Heiligabend von dem Bild von Gerrit van Honthorst (1592 – 1656) „Anbetung der Hirten“ gesprochen. Das Spiel von Licht und Finsternis ist erstaunlich. Wir sehen vor uns die zentrale Weihnachtsszene mit dem Kind in der Krippe, mit Maria und Joseph und den Hirten. Ganz deutlich ist dieses Jesuskind die Mitte des Bildes. Das, was bei diesem Meisterwerk sofort ins Auge fällt, ist die Umkehrung der Lichtverhältnisse: Der neugeborene Jesus wird nicht beleuchtet, sondern er strahlt seine Umgebung an. Damit bringt der Maler zum Ausdruck: Der Mensch gewordene Gott bringt Licht in die Nacht der Welt. Der, der hier als kleines Kind in Windeln liegt und mit großen Augen in die Welt guckt, er ist es, der später von sich sagen wird: „Ich bin das Licht dieser Welt.“ Der Maler sagt damit: Dieser ist Gott in Menschengestalt. Der große Gott ist ein Kind geworden. Die Ewigkeit ist in die Zeit eingegangen. Wer sich ihm anschließt, wer ihm „folgt“, für den hebt sich in der Nähe Jesu die Dunkelheit auf. Er tappt nicht mehr im Dunkeln. Nein, das Licht des Lebens, die Erfüllung menschlichen Sehnens, ist in diesem Kind da.

Indem Kaiser Konstantin am gleichen Datum, an dem bisher der Gott der einen, unbesiegbaren Sonne verehrt wurde, am 25. Dezember, das Fest der Geburt Jesu Christi feiern lässt, sagt er den Menschen im Römischen Reich: Dieses verletzliche und hilflose Kind ist die Gestalt des unbesiegbaren Gottes. Nicht die unbesiegbare Sonne, deren Macht wir uns nur beugen können, ist das Licht, sondern dieses verletzliche Kind, das unsere Zuneigung und Liebe sucht. Nur dann, wenn unsere Augen die verborgene Herrlichkeit in Jesus Christus erkennen können, vermag dieses Kind unser Leben hell zu machen.

II. Licht

Ohne Gott ist es in dieser Welt finster. Getrennt von Gott tappen wir im Dunkeln. Jesus sagt: „Wer mir folgt, tappt nicht mehr im Dunkeln. Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis.“ Der Bibeltext gebraucht hier die entschiedenste Form der Verneinung, die in der griechischen Sprache möglich ist. Auf keinen Fall, niemals. Unvorstellbar. Wer Jesus folgt, in dessen Leben gibt es keine Dunkelheit.

Er wird das „Licht des Lebens haben“. Welche Wirkung hat das Licht? Stellen Sie sich einen völlig dunklen Raum vor – und Sie sind darin. Wohin soll ich gehen? Wohin mich bewegen? Lauern Gefahren, die ich nicht sehen kann? Werde ich mich stoßen oder in einen Abgrund stürzen? Ohne Licht gibt es keine Orientierung. Schon ein schwaches Licht schenkt Durchblick. Ich kann die Dinge einordnen und weiß, was ich zu tun habe. Licht dient dem Leben.

Es bedarf des Lichtes, damit etwas wachsen kann. An einem verschatteten Ort gedeiht nichts. Vielleicht haben Sie ein solches Bild vor Augen. Wo kein Licht hinkommt, da gibt es kein Leben. In einem Gewächshaus konnte man nach dem Sturm im hinteren Teil aus Materialmangel keine Glasscheiben einsetzen, sondern ersetzte sie durch geschlossene, leichte Kunststoffplatten. Da entwich die Wärme zwar nicht in die Atmosphäre, aber wo die Sonne nicht hereinscheinen konnte, wuchs nichts. Licht ist Leben. Wo kein Licht ist, da ist auch kein Leben. Wo aber Licht ist, da bricht das Leben hervor.

Jesus Christus ist eine Quelle des Lichtes, des Durchblicks und der Lebenskraft. In seinem Licht sehen wir die Dinge unseres Lebens, aber auch in Politik und Gesellschaft so klar, dass wir handlungsfähig werden.

Was ist aber dann, wenn wir erleben, wie Menschen, die Jesus Christus nachfolgen, doch in ihrem Leben viel Dunkelheit und Finsternis erfahren müssen? Wir denken an viele Kranke. Ich habe Menschen im Blick, die mit dem Krebs kämpfen. Ich denke an unsere christlichen Geschwister in Bethlehem, die solche Sorgen um die Zukunft haben. Die nicht wissen, ob sie auf Dauer in ihrer Heimat bleiben können oder von den Israelis vertrieben werden. Ja, auch im Leben der Nachfolgenden gibt es Dunkelheit, aber diese Dunkelheit bleibt nicht dunkel. Aber in dieser Dunkelheit leuchtet von Jesus Christus ausgehend ein Licht auf: Trost in der Dunkelheit. Licht ist auch Trost, denn es geht einher mit dem „Fürchtet euch nicht!“ Es mag manchmal mit Zittern und Zagen sein, aber durch Jesus Christus das Licht der Welt, habe ich etliche vor Augen, die Orientierung und Lebenskraft gefunden haben. Ich denke an einen Alkoholiker, der völlig unterzugehen drohte, weil er aus seiner Sucht nicht herauskam. In dieser Situation interpretierst du dir dein Leben so, dass es passt. In der Begegnung mit Jesus Christus, im Hören auf sein Wort, fällt dann sein Licht auf dieses Leben und in einem Moment sieht der Mann klar. Ich richte mich und meine Familie zu Grunde. Angesichts dieser unverhofften klaren Selbsteinschätzung wächst dem Mann die Lebenskraft zu, seinem Leben noch einmal eine andere Richtung zu geben. Bis heute ist er trocken. Gott sei Dank! Das heißt Jesus als Licht zu erfahren, als Orientierung und als Lebenskraft.

Solche aufrichtenden Erfahrungen werden heute zugestanden. Du erzählst dein Leben. Es fällt dir nicht leicht, aber du möchtest deinem Gegenüber eine wichtige Erfahrung vermitteln. Du gehst aus dir heraus und legst etwas von deinem Innersten offen. Die Reaktion: „Das ist ja toll, dass Ihnen das so viel bedeutet. Für mich wäre das aber nichts. Ich kann damit gar nichts anfangen.“ Wieso ist Jesus das Licht nicht nur für einzelne, denen er etwas bedeutet, sondern für alle? Wieso ist Jesus das Licht der Welt?

III. Der Welt

Sind die Welt – gerade auch im Johannesevangelium - nicht eher die, die Gott und Jesus ablehnen? Wir haben es doch als Evangeliumslesung gehört: „Das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat’s nicht ergriffen“ (Joh.1, 5). Aber es heißt dort auch: „Das war das wahre Licht, das alle Menschen erleuchtet, die in diese Welt kommen“ (V.9). Wieso kann das Johannesevangelium behaupten, das Licht Jesus sei das wahre Licht für alle Menschen? Ist das nicht furchtbar intolerant?

Ja, es kann intolerant sein, wenn ich der Überzeugung bin, ich müsste dieses Licht nun so leuchten lassen, dass alle einsehen, dass nur auf der von mir erkannten Weise Orientierung und Lebenskraft zu finden sind. Aber nicht ich soll leuchten, nicht ich muss Jesus dem Gegenüber andiskutieren, sondern ich darf darauf vertrauen, dass am Ende Gott sich selbst durchsetzt. Die von uns als Gottes Bodenpersonal erwartete Grundhaltung besteht darin, einerseits klar von dem Licht Jesus zu reden, andererseits allen Menschen mit Liebe zu begegnen, mit einer Liebe, die das Ebenbild Gottes in jedem Menschen (in jedem!) sieht. Unser Elend ist, das wir diese Freiheit unserem Gegenüber häufig nicht lassen, ihn seinen Weg unter Gottes Sonne gehen zu lassen.

Aber natürlich ist die Wahrheit nur eine. Es gibt nicht meine Wahrheit und deine Wahrheit, eine Wahrheit zum Beispiel für die Christen und eine für die Muslime. Licht der Welt kann Jesus nur sein, weil in ihm das Wort leiblich präsent geworden ist, das im Anfang bei Gott war, ja das Gott selbst ist. Kürzlich hat ein kluger Journalist der FAZ treffend analysiert, dass im interreligiösen Dialog eine Schieflage eingetreten ist. „Das Christentum hat sich von der Wahrheit verabschiedet, die der Islam mit Leidenschaft vertritt.“[1] Wer traut sich angesichts der populistischen Hetze gegen den Islam und alle Muslime die Schwächen des Islam in der Öffentlichkeit zu thematisieren? Aus Angst davor, unseren muslimischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern das Leben in Deutschland zu erschweren und mit den falschen Leuten gemeinsame Sache zu machen, spricht kaum ein Kirchenvertreter Probleme wie das Gewaltpotential des Koran oder den Verzicht auf für alle Menschen gültige Menschenrechte an. Deswegen kann es so, wie sich der Islam bisher selbst versteht, keine Religionsfreiheit im Islam geben. Das ist natürlich ein riesiges Problem. Wir werden mindestens mit den Muslimen in Deutschland darüber reden müssen, wenn wir hier in einer Gesellschaft zusammen leben wollen.

Aber wir müssen die Muslime nicht davon überzeugen, dass Jesus Christus das Licht der Welt, auch für sie ist. Wir reden von unserer Überzeugung und hören, was uns unsere muslimischen Gesprächspartner zu sagen haben. Wir tun das mit Liebe und Ehrerbietung, respektvoll und zuvorkommend, in der Sache klar, in der Beziehung zugewandt. Alles andere können wir getrost Gott überlassen. Nicht wir müssen die Welt retten, Jesus hat sie schon gerettet. Aber man sollte uns schon abspüren, dass wir daran glauben.

Vom Kind in der Krippe wird unser Leben hell. Mehr brauchen wir nicht. Das brauchen wir aber unbedingt. Und weil Weihnachten dieses Licht in die Welt gekommen ist, deswegen ist diese Nacht ein Wendepunkt in unserem persönlichen Leben wie im Leben der Menschheit: Jesus Christus – das Licht der Welt.
Amen.

 


[1]
Veranstaltungen
Orte
  • Orte
  • Flensburg
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde Flensburg-St. Johannis
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Gertrud zu Flensburg
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Marien zu Flensburg
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Michael in Flensburg
    • Ev.-Luth. St. Nikolai-Kirchengemeinde Flensburg
    • Ev.-Luth. St. Petrigemeinde in Flensburg
  • Hamburg
    • Hauptkirche St. Jacobi
    • Hauptkirche St. Katharinen
    • Hauptkirche St. Michaelis
    • Hauptkirche St. Nikolai
    • Hauptkirche St. Petri
  • Greifswald
    • Ev. Bugenhagengemeinde Greifswald Wieck-Eldena
    • Ev. Christus-Kirchengemeinde Greifswald
    • Ev. Johannes-Kirchengemeinde Greifswald
    • Ev. Kirchengemeinde St. Jacobi Greifswald
    • Ev. Kirchengemeinde St. Marien Greifswald
    • Ev. Kirchengemeinde St. Nikolai Greifswald
  • Kiel
  • Lübeck
    • Dom zu Lübeck
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Aegidien zu Lübeck
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Jakobi Lübeck
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Marien in Lübeck
    • St. Petri zu Lübeck
  • Rostock
    • Ev.-Luth. Innenstadtgemeinde Rostock
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde Rostock Heiligen Geist
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde Rostock-Evershagen
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde Rostock-Lütten Klein
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Johannis Rostock
    • Ev.-Luth. Luther-St.-Andreas-Gemeinde Rostock
    • Kirche Warnemünde
  • Schleswig
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde Schleswig
  • Schwerin
    • Ev.-Luth. Domgemeinde Schwerin
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Nikolai Schwerin
    • Ev.-Luth. Petrusgemeinde Schwerin
    • Ev.-Luth. Schloßkirchengemeinde Schwerin

Personen und Institutionen finden

EKD Info-Service

0800 5040 602

Montag bis Freitag von 9-18 Uhr kostenlos erreichbar - außer an bundesweiten Feiertagen

Sexualisierte Gewalt

0800 0220099

Unabhängige Ansprechstelle für Betroffene von sexualisierter Gewalt in der Nordkirche.
Montags 9-11 Uhr und mittwochs 15-17 Uhr. Mehr unter kirche-gegen-sexualisierte-gewalt.de

Telefonseelsorge

0800 1110 111

0800 1110 222

Kostenfrei, bundesweit, täglich, rund um die Uhr. Online telefonseelsorge.de

Zum Anfang der Seite