Kieler Nacht der Kirchen: Rückenwind trotz Schietwetter
23. September 2018
An die Besucherzahlen der Vorjahre konnte die ökumenische Nacht der Kirchen 2018 am Freitag insgesamt nicht anknüpfen. Heftiger Wind und kräftige Schauer ließen manchen wohl lieber zu Hause bleiben. Der Atmosphäre tat das keinen Abbruch, ganz im Gegenteil. Erlebten die Besucher so unter dem Motto "Rückenwind" viele Momente noch intensiver. Die Veranstalter an den 21 Orten zeigten sich zufrieden und entspannt, weil sie besser auf die Leute eingehen konnten.
„Ich hab den Eindruck, dass wir gerade eben Gegenwind statt Rückenwind haben", begrüßt Annelie Kinner die Besucher.
Eine leichte Enttäuschung ist ihr anzumerken, als sie ihren Blick durch die Bankreihen der katholischen St. Nikolauskirche streifen lässt. Sturzbachartiger Regen und heftige Böen sind kurz vor Beginn der Nacht der Kirchen durch Kiels Straßen gefegt. Wohl deshalb sind "nur" 120 Besucher gekommen.
Doch die Enttäuschung fällt von Annelie Kinner und den übrigen Organisatorinnen spätestens ab, als die "Company Windsbräute" durch den Mittelgang der Kirche huschen. Neun in weiß gekleidete Frauen zischen, fauchen.
Wind of Change
Die ruckartigen Bewegungen ihrer Arme erinnern entfernt an eine asiatische Kampfsportart. Tänzerisch stellen sie so die kalten Winde dar, nur um wenig später sich wie Pappeln in einem lauen Sommerlüftchen zu wiegen.
Zwischen den Einlagen der Windsbräute improvisiert Kirchenmusiker Werner Parecker an der Orgel über den Hit der Scorpions "Wind of change" und verbindet dessen Melodie elegant mit dem Choral "Komm, Heilger Geist, der Leben schafft."
Getanzt wird zur gleichen Zeit auch in der Ansgarkirche in der Holtenauer Straße. Rund 30 Jungen und Mädchen singen, spielen das Kindermusical "Auf der Suche" unter der Leitung von Kantor Andreas Koller. Das Publikum, gut 100 Eltern und Freunde, fiebert mit den Darstellern.
Einmal den Turm besteigen
Als diese Vorstellung zu Ende geht, schließen sich die Türen der Lutherkirche am Schrevenpark bereits wieder. Dort haben bis zum Einbruch der Dunkelheit knapp 40 Leute die Gelegenheit genutzt, den 63 Meter hohen Turm zu besteigen.
"Das war unheimlich interessant und hat mir sehr gut gefallen", sagt Besucherin Elke Kollak hinterher. Überhaupt sei der Aufstieg gar nicht so steil gewesen, wie sie vermutet hatte. "Und was der ehemalige Küster dabei erzählt hat, von den Glocken und der Geschichte der Kirchen, war wirklich spannend."
Wovon träumst Du? - Kirchen mit Jazz und Blues
Wenig sportlich, vielmehr ganz sutsche geht es derweil bei den Baptisten in der Wilhelminenstraße zu. Bei einem Glas Wein sitzen etwa 100 Gäste zusammen und hören den gefälligen New Orleans Jazz der Band "West Coast Stompers".
"Jeder hat seinen Blues. Jeder hat seine eigenen Traum vom Leben", leitet Pastor Helge Frey mit einem Zitat von Martin Luther King über. Dem amerikanischen Freiheitkämpfer und Pastor ist der Abend in der Wilhelminenstraße gewidmet. Deshalb gibt auch Diakonin Agathe Dziuk nun Stellen aus einer seiner Predigten wieder, wo er über seine Träume spricht. "Wovon träumst Du? Wofür lebst Du", fordert Dziuk die Besucher schließlich zum Nachdenken auf.
Noch einmal Ortswechsel. Finstere Klangcluster schweben durch die St. Nikolaikirche am Alten Markt. Hohe Töne blitzen keck hervor, über die Leinwand flimmert der Stummfilm "Der müde Tod!" von Fritz Lang. Rund 80 Besucher verfolgen wach, wie der Hamburger Michelorganist Manuel Gera dazu aus den Orgelpfeifen Klänge zaubert, die von sphärisch bis hartnäckig reichen, von dissonant bis zu luftiger Harmonie.
"Das Beste war die Atmosphäre. Heiter, ausgelassen, kommunikativ"
Am Ende des Abends sind die Veranstalter zufrieden, auch wenn wegen des stürmischen Wetters weniger Besucher als erhofft zur Nacht der Kirchen gekommen sind. In der katholischen Liebfrauenkirche ließen sich beispielsweise die Gäste nach der mystagogischen Führung zu einem fröhlichen Feiermahl nieder.
In der Neuapostolischen Kirche in der Harmsstraße war man begeistert von den anregenden Gesprächen über den Heiligen Geist. Rekordverdächtige 400 Menschen zählte Pastor Dirk Große in Altenholz: "Das Beste war die Atmosphäre. Heiter, ausgelassen, kommunikativ - ein Abend der Begegnung."
Am längsten dauerte die Nacht der Kirchen in der katholischen Kirche St. Heinrich an der Feldstraße. Nach dem Fünf-Chöre-Konzert und einem durch und durch musikalischen Abend schloss dort der Kirchenmusiker Michael Kallabis um Viertel vor eins die Pforten. Bis zur nächsten Kieler Nacht der Kirchen im kommenden Jahr.