9. September 2018 | Groß Teetzleben

Kirchen als Erinnerungsorte an Gottes Liebe

09. September 2018 von Hans-Jürgen Abromeit

Predigt am 13. Sonntag nach Trinitatis, zur Wiedereinweihung der Kirche Groß Teetzleben am Tag des Offenen Denkmals über 1. Johannes 4,7-16

Liebe Festgemeinde!

Wir feiern heute die Wiedereinweihung der Kirche in Groß Teetzleben. Anlässlich der Bischöflichen Besuchswoche in der Region Altentreptow habe ich die Kirche, die im Frühjahr 2017 noch eine Baustelle war, zum ersten Mal besucht. Schon damals war ich beeindruckt von diesem schönen, hellen Gotteshaus. Es passt wunderbar, dass wir sie heute, am Tag des Offenen Denkmals 2018, nach der langen und grundlegenden Renovierung feierlich wieder einweihen.

Wir brauchen Kirchen. Kirchengebäude sind Erinnerungsorte an Gott. So steht auch diese Kirche den Besuchern offen, um Zeit und Raum für die geistliche Dimension des Lebens zu geben. Menschen kommen als Besucher, betrachten den Kirchraum und seine Ausstattung und werden spirituell angesprochen. An Sonntagen und Festtagen versammelt sich eine Gemeinde, um Gottes Wort zu hören und um ihr Leben und unsere Zeit unter diesem Blickwinkel zu betrachten. Wir brauchen diese Erinnerung an Gott, denn wir sind so vergesslich.

Hier in der Kirchengemeinde Groß Teetzleben erlebten wir gemeinsam mit Altentreptow engagierte und interessierte Gemeindeglieder, aber doch auch die Folgen des demographischen Wandels. Wir sahen die Herausforderungen: ein Leben in einer ländlichen Region, in der 20 Jahre lang die jungen Leute in den Westen weggezogen sind und in der es heute immer noch eine Landflucht, nun häufig auch in die Städte Pommerns und Mecklenburgs, gibt. Und dann lebt hier eine mittlerweile mehrheitlich nichtchristliche Bevölkerung, die dennoch große Erwartungen an die Kirche hat. Wie soll man dem gerecht werden?

Ja, lohnt es sich denn, in einer sich ausdünnenden Region so viel Zeit, Kraft und Geld in die Renovierung einer Kirche zu stecken, wie Sie es getan haben? Ist nicht vielleicht eine Zeit gekommen, wo wir sagen müssen: „Kirchen haben ihre Zeit gehabt. Nun denken die Menschen anders. Lasst uns das Geld für andere sinnvolle Dinge verwenden. Die Leute wollen mit Gott nichts mehr zu tun haben.“

Sie, verehrter Kirchengemeinderat, haben so nicht gedacht. Sie haben im Gegenteil viel Energie daran verwendet, diese Kirche so schön herzurichten, wie sie schon lange nicht mehr gewesen war. Und – sage ich – Sie haben gut daran getan. Nur eine Kultur und eine Gesellschaft, die mit Gott nichts zu tun haben will und meint die spirituellen Kräfte, die der Glaube gibt, nicht zu brauchen, lässt Kirchen verfallen oder reißt sie gar ab. Die DDR war so ein Staat und eine solche Gesellschaft. Ca. 50 Kirchen wurden in der DDR-Zeit „einfach weggesprengt“, die bekannteste von ihnen vielleicht die völlig intakte Leipziger Universitätskirche, die rein aus ideologischen Gründen weichen musste.

Hier in Groß Teetzleben erinnert schon lange eine Kirche an Gott. Als 1721 diese schöne Kirche erbaut wurde, da ersetzte sie einen hier vorher stehenden, älteren Kirchenbau, aus dem eine Reihe der Ausstattungsstücke ursprünglich stammen, wie z.B. der Altar, die Taufe, die Kanzel und die Glocke.

Die Groß Teetzlebener erinnern an diesem Ort schon seit vielen Jahrhunderten an Gott. Auch in Zeiten, als es ihnen nicht so gut ging, haben sie alle Kräfte zusammen genommen, diese Kirche zu erhalten. Man hätte ja auch sagen können: „Was brauchen wir paar Hundert Leute eine eigene Kirche. Altentreptow hat doch ein so prächtiges, mittelalterliches Kirchenschiff und ist nur sechs Kilometer entfernt.“ Nein, man war stolz. Man wollte im eigenen Ort eine Kirche haben. Vor der eigenen Haustür brauchte es einen solchen Hinweis auf Gott.

Mir scheint, in dieser Kirche sehen wir, warum.

Die Groß Teetzlebener Christen haben es nämlich schon damals, vor Jahrhunderten aufgeschrieben, in dieser Kirche aufgeschrieben, damit alle Welt sehen kann, warum wir Gott brauchen: „Gott ist Liebe.“ Schauen Sie bitte auf den Altar. Dort steht es unübersehbar: „Gott ist Liebe.“ Diese Idee hatten die Groß Teetzlebener nicht aus sich, sondern sie haben diesen Satz im Neuen Testament gefunden.

Ich lese den Abschnitt aus dem 1. Johannesbrief, aus dem dieser Satz stammt. Ich lese 1. Johannes 4, 7-16: […]

Man könnte ja meinen, was Liebe ist, das weiß doch jeder Mensch. Aber ist das so? Versuchen Sie einmal zu sagen, was Liebe ist. Es ist nicht so einfach. Heute denken viele bei dem Wort Liebe gleich an Sex. Aber daran sieht man nur, dass wir in einer durch und durch sexualisierten Gesellschaft leben. Meine Frau, eine Grundschullehrerin, weiß davon viel zu erzählen, dass heute bei Grundschülern unverdächtige Bemerkungen eindeutige Reaktionen und ein dummes Gekichere und Gefeixe auslösen kann.

Was aber ist Liebe? Ein Professor, der lange hier vor der Haustür, in Neubrandenburg, geforscht und gelehrt hat, hat Liebe definiert als „wechselseitige Komplettannahme im Modus der Höchstrelevanz“[1]. Alles klar? Es ist offensichtlich nicht leicht, verständlich zu sagen, was Liebe ausmacht. Liebe ist eine positive Beziehung. Mein Gegenüber meint es gut mit mir und hat mich gern.

Die Bibel wagt etwas Ungeheuerliches und identifiziert Gott und die Liebe: „Gott ist die Liebe“ (V. 8 u. V. 16). Liebe ist etwas so Großes und Schönes und Unverzichtbares, dass sie göttlich ist. Wer wissen will, was Liebe ist, was Liebe wirklich ist, nicht, was wir Menschen aus manchmal eigensüchtigen Motiven zur Liebe erklären, der muss sich auf Gott beziehen.

Liebe kann sich auch in Sex ausdrücken. Aber gewiss ist es nicht immer echte Liebe, wenn zwei Menschen sich sinnlich-erotisch begehren. Manchmal ist es sogar Selbstsucht, die nur den persönlichen Genuss sucht. Aber in Wirklichkeit braucht jeder Mensch wirkliche Liebe. Es ist etwas Großartiges, wenn ich erfahre, dass mich ein anderer (oder eine andere, je nach dem) lieb hat, das Beste für mich will und dafür vielleicht sogar bereit ist, sich selbst zurückzunehmen. Mensch – für mich, nur für mich.

Nicht alle Menschen erfahren in ihrem Leben eine solche Liebe. Eine solche selbstlose Liebe ist von Gott. So sagt es unser Bibelwort:

„Die Liebe ist von Gott,
und wer liebt, der ist von Gott geboren und kennt Gott.
Wer nicht liebt, der kennt Gott nicht,
denn Gott ist die Liebe“ (V. 7b.8).

Und was Liebe ist, ist unter uns klar geworden, dadurch dass Gott selbst in Jesus Christus Mensch geworden ist. Jesus ist die verleiblichte Liebe Gottes. Wir hätten es von uns aus nicht gewusst, was Liebe wirklich bedeutet. Zu oft wird Liebe und Selbstliebe verwechselt. Zu oft sage ich „du“ und meine doch nur mich. Zu häufig sind Menschen unter dem Vorwand der Liebe missbraucht worden. Dabei meine ich nicht in erster Linie den Missbrauch, von dem wir fast täglich – schrecklich – fast täglich in den Medien hören oder lesen. Nein, es gibt auch Mutter- oder Vaterliebe, die die Nähe ihrer Tochter oder ihres Sohnes für sich haben will und deswegen nicht loslassen kann. Manchmal ist es aber wahre Liebe, das eigene Kind in die Freiheit zu entlassen. Wir wissen selbst um die verborgenen Motive unseres eigenen Handelns nicht immer Bescheid.

Deswegen musste Gott uns echte Liebe in diese Welt bringen, damit wir nicht unter dem Vorschein einen anderen zu lieben uns selbst lieben. Der Briefschreiber Johannes drückt das so aus: „Darin ist erschienen die Liebe Gottes unter uns, dass Gott seinen eingeborenen Sohn gesandt hat in die Welt, damit wir durch ihn leben sollen“ (V. 9). Und weiter: „Wir haben gesehen und bezeugen, dass der Vater den Sohn gesandt hat als Heiland der Welt“ (V. 14).

Liebe Festgemeinde, und deswegen hat ein unbekannter Künstler diesen Altar geschaffen, auf dem er die Leidensgeschichte Jesu, sein Leiden und Sterben in wunderschönen, geschnitzten Szenen dargestellt hat. Da sehen wir, wie Jesus gefangengenommen wird, wie er geschlagen und gefoltert wird, sodann wie er sein eigenes Kreuz zu seiner Hinrichtungsstätte tragen muss und schließlich in der Mitte die beeindruckende Kreuzigungsszene: Jesus stirbt einen Verbrechertod. Wir sehen die ganze Grausamkeit dieser Tötung, aber auch wie im Vordergrund einige Frauen trauern. Maria gestützt von Johannes, ergreifend dargestellt. „Wir haben gesehen und bezeugen, dass der Vater den Sohn gesandt hat als Heiland der Welt“. Der Briefschreiber Johannes sagt: „Das ist Liebe!“

Wenn du wissen willst, was Liebe ist, dann schau dir diese Szene an, wo der Sohn Gottes für dich, für deine Sünde, für deine Versöhnung mit Gott stirbt. Er hätte es nicht gemusst. Aus freien Stücken ist er bereit, für dich Leiden, Sterben und Tod auf sich zu nehmen. Damit du das Leben hast. So gut meint er es mit dir. Ja, da nimmt dich einer komplett an. Das ist höchst relevant. „Darin besteht die Liebe“ – sagt Johannes – „nicht, dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt hat und gesandt seinen Sohn zur Versöhnung für unsere Sünden“ (V. 10).

Das müssen die Leute in Groß Teetzleben doch wissen, haben sich die Alten gesagt, haben die Kirche gebaut und den Altar in ihr aufgestellt und darauf geschrieben: „Gott ist Liebe“. Das soll unser Miteinander in Groß Teetzleben prägen, dass wir liebevoll miteinander umgehen. Es ist genauso gemeint, wie unser Bibelwort heute beginnt: „Ihr Lieben, lasst uns einander lieb haben; denn die Liebe ist von Gott“ (V. 7).

Damit diese wichtige Erinnerung an Gott und an die Basis des Zusammenlebens allen vor Augen steht, haben Sie diese Kirche so schön hergerichtet. Vielen herzlichen Dank für die Mühe, die Sie sich damit gemacht haben. Gott möge mit seinem Geist Kirche und Dorf beleben!
Amen.

 

[1] Peter Fuchs, Liebe, Sex und solche Sachen. Zur Konstruktion moderner Intimsysteme, Konstanz 1999, 24f.

Veranstaltungen
Orte
  • Orte
  • Flensburg
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde Flensburg-St. Johannis
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Gertrud zu Flensburg
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Marien zu Flensburg
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Michael in Flensburg
    • Ev.-Luth. St. Nikolai-Kirchengemeinde Flensburg
    • Ev.-Luth. St. Petrigemeinde in Flensburg
  • Hamburg
    • Hauptkirche St. Jacobi
    • Hauptkirche St. Katharinen
    • Hauptkirche St. Michaelis
    • Hauptkirche St. Nikolai
    • Hauptkirche St. Petri
  • Greifswald
    • Ev. Bugenhagengemeinde Greifswald Wieck-Eldena
    • Ev. Christus-Kirchengemeinde Greifswald
    • Ev. Johannes-Kirchengemeinde Greifswald
    • Ev. Kirchengemeinde St. Jacobi Greifswald
    • Ev. Kirchengemeinde St. Marien Greifswald
    • Ev. Kirchengemeinde St. Nikolai Greifswald
  • Kiel
  • Lübeck
    • Dom zu Lübeck
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Aegidien zu Lübeck
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Jakobi Lübeck
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Marien in Lübeck
    • St. Petri zu Lübeck
  • Rostock
    • Ev.-Luth. Innenstadtgemeinde Rostock
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde Rostock Heiligen Geist
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde Rostock-Evershagen
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde Rostock-Lütten Klein
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Johannis Rostock
    • Ev.-Luth. Luther-St.-Andreas-Gemeinde Rostock
    • Kirche Warnemünde
  • Schleswig
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde Schleswig
  • Schwerin
    • Ev.-Luth. Domgemeinde Schwerin
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Nikolai Schwerin
    • Ev.-Luth. Petrusgemeinde Schwerin
    • Ev.-Luth. Schloßkirchengemeinde Schwerin

Personen und Institutionen finden

EKD Info-Service

0800 5040 602

Montag bis Freitag von 9-18 Uhr kostenlos erreichbar - außer an bundesweiten Feiertagen

Sexualisierte Gewalt

0800 0220099

Unabhängige Ansprechstelle für Betroffene von sexualisierter Gewalt in der Nordkirche.
Montags 9-11 Uhr und mittwochs 15-17 Uhr. Mehr unter kirche-gegen-sexualisierte-gewalt.de

Telefonseelsorge

0800 1110 111

0800 1110 222

Kostenfrei, bundesweit, täglich, rund um die Uhr. Online telefonseelsorge.de

Zum Anfang der Seite