Konfirmation mit Mitte 50 - "Für manche Dinge ist es nie zu spät"
07. März 2013
Husum. In den 1.045 Gemeinden der evangelischen Nordkirche laufen die Vorbereitungen zu den diesjährigen Konfirmationen. Bis Anfang Mai werden in Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern mehr als 20.000 junge Menschen ab 14 Jahren in Gottesdiensten eingesegnet. Doch nicht nur Jugendliche bereiten sich auf ihre Konfirmation vor. Sonja Wenzel aus Husum ist 55 Jahre alt und auch sie freut sich auf ihren großen Tag.
Die Bibel liegt schon auf dem Tisch, die Material-Mappe hat Sonja Wenzel in der Hand, als ihr der Schreck in die Glieder fährt: "Mir fällt gerade ein: ich habe meine Hausaufgaben nicht gemacht!" Auch ihr Stift ist nicht auffindbar. Tobias Drömann nimmt es mit Humor. "Das kommt bei Konfirmanden öfter vor", so der Pastor. Neu für ihn ist allerdings das Alter seiner Schülerin. Denn die Konfirmandin Sonja Wenzel ist 55 Jahre alt.
Es ist Freitagvormittag in der Kirchengemeinde Husum-Rödemis. Zeit für den privaten Konfirmandenunterricht zwischen Pastor Tobias Drömann und Sonja Wenzel. Das Glaubensbekenntnis, Teil II, Jesus Christus, steht im Albert-Schweitzer-Haus auf dem "Lehrplan". Ein normaler Konfirmandenunterricht habe mindestens 60 Stunden, berichtet Drömann. Aus etwa acht Stunden, verteilt auf vier Treffen, besteht hingegen der Privatunterricht mit Sonja Wenzel.
Ein langer Findungsprozess für Konfirmandin Sonja Wenzel
Die Entstehung der Bibel, das Vaterunser und das Glaubensbekenntnis sind Eckpunkte für die Gesprächsrunden, entscheidend sei aber der Dialog auf Augenhöhe, so der Pastor. Was trägt Sonja Wenzels Leben, worauf vertraut sie? Das interessiert ihn. "Das ist eine sehr intensive Begegnung, die mir viel Spaß macht." Umso mehr, weil sich Sonja Wenzel mit Mitte 50 zur Konfirmation entschlossen hat. Ein absolutes Novum für die Kirchengemeinde Husum-Rödemis, ein jahrzehntelanger Findungsprozess für Sonja Wenzel.
Kirche, Glaube und Religion waren in ihrem Elternhaus in der Nähe von Osnabrück "Tinnef", erinnert sie sich. Dass die Mutter evangelisch und der Vater katholisch war, sorgte für andauernde Spannungen in der Familie. Diese Abwehrhaltung gegenüber Glaubenssachen übertrug sich auf das junge Mädchen. Ein Aufbegehren kam der Pubertierenden nicht in den Sinn, das Bedauern, nicht konfirmiert worden zu sein, kam erst später. "Ich hatte nie Gelegenheit, mir selber ein Bild zu machen."
Konfirmation mit 55 Jahren - "Warum eigentlich nicht?"
Erst durch ihr ehrenamtliches Engagement bei der Husumer Bahnhofsmission und eine persönliche Krise erkannte die gelernte Bankkauffrau an vielen Stationen ihres Lebens das Gehaltensein im Glauben, die praktische, spürbare Nächstenliebe. Beides ließ den Gedanken reifen und Formen annehmen: die Konfirmation mit Mitte 50 – warum eigentlich nicht?
Seit sie sich mit Pastor Drömann trifft, hat sie einen neuen Zugang zur Bibel gefunden, liest "spielerisch" Stück für Stück, holt die vor 40 Jahren verpasste Auseinandersetzung mit Glaube und Religion nach. Unter ganz neuen Vorzeichen, nur für sich allein.
Dazu gehört auch der Gottesdienst-Besuch am Sonntag. Noch ist dies ungewohnt. "Ich habe gemerkt, wie sehr der Sonntag als normaler Tag verplant ist", erzählt sie. An dem oft das erledigt wird, für das unter der Woche wenig Zeit blieb.
Für die letzte gemeinsame Stunde soll sie die Passions-Geschichte, Markus 14-16, lesen. "Es macht Spaß, Hausaufgaben zu verteilen!", sagst Pastor Drömann. Am 24. März, Palmsonntag, wird er Sonja Wenzel im Gottesdienst konfirmieren. Neben Ehemann Helmut wird auch ihr katholisch geprägter Vater da sein. Sonja Wenzel freut sich. "Es ist für ganz viele Dinge im Leben nie zu spät."