Hamburger Straßenmagazin

Kultur, Stadtleben und unbequeme Themen: "Hinz & Kunzt" wird 20

Ein Verkäufer der Hamburger Obdachlosenzeitung Hinz und Kunzt bietet auf dem Jungfernstieg in Hamburg Passanten die Zeitung zum Kauf an. (epd-Archiv 2003)
Ein Verkäufer der Hamburger Obdachlosenzeitung Hinz und Kunzt bietet auf dem Jungfernstieg in Hamburg Passanten die Zeitung zum Kauf an. (epd-Archiv 2003) © Stephan Wallocha, epd-Archiv

04. November 2013 von Simone Viere

Hamburg. Was 1993 als zweijähriges Projekt geplant war, gehört heute fest zu Hamburg - in die Medienlandschaft und ins Stadtbild. Jetzt wird Deutschlands auflagenstärkstes Straßenmagazin "Hinz&Kunzt" 20. Chefredakteurin Birgit Müller ist seit Anfang an dabei.

Die Chefredakteurin sitzt mitten drin: Um zu Birgit Müllers Büro zu gelangen, läuft man durch einen Raum mit Kaffeetresen, wo sich Obdachlose treffen, aufwärmen und stärken können. Einen Raum weiter beginnt die Redaktion. Schlichte Büros, die meisten Türen stehen offen, alle liegen auf der gleichen Etage im Erdgeschoß. "Es ist uns ganz wichtig, dass wir mit den Verkäufern auf Augenhöhe arbeiten", sagt Birgit Müller. Das gilt auch für den Inhalt des Heftes: Denn die Texte werden von Journalisten geschrieben, nicht von den Obdachlosen.

Redaktion und Verkäufer sollen sich auf Augenhöhe begegnen

Gegründet wurde "Hinz&Kunzt" 1993 von Stephan Reimers, Hamburgs damaligen Diakonie-Chef, als Kooperation zwischen Journalisten und Obdachlosen. Vorbild war das Straßenmagazin "Big Issue" in London. Die Themen drehen sich um Leben, Kunst und Kultur in der Stadt, angereichert mit investigativen Geschichten und unbequemen Fakten. Denn "Hinz&Kunzt" bringt immer wieder Themen, die Stadt und Politiker lieber totschweigen würden.

"Ursprünglich wollten wir gar nicht politisch sein", erzählt Müller. Doch inzwischen sei das Magazin ein wichtiges Organ für sozial Benachteiligte geworden. "Hinz&Kunzt" kämpfe zum Beispiel für mehr Wohnungen, für die bessere Behandlung von Hilfeempfängern und gegen Abzockvermieter und Zwangsräumungen. "Das Heft soll aber kein Jammerblatt sein", sagt die geborene Württembergerin Müller. Eher finden sich immer auch Geschichten "mit Aufbruchscharakter" im Heft.

Chefredakteurin Birgit Müller: "Das Heft soll kein Jammerblatt sein"

Zu Beginn wollte Birgit Müller mit "Hinz&Kunzt" die Obdachlosigkeit auf Hamburgs Straßen in den Griff bekommen. "Das war etwas größenwahnsinnig", sagt die Chefredakteurin heute. Sie habe es als eine Art "Durchlauferhitzer" gesehen: Menschen ohne feste Bleibe sollten durch den Verkauf des Heftes Geld verdienen und wieder Struktur in ihr Leben bringen. "Uns wurde schnell klar: Das geht nicht so einfach", sagt die Chefredakteurin. "Uns war damals nicht bewusst, welche Probleme mit Wohnungslosigkeit noch einhergehen." Körperliche Leiden und Einsamkeit gehören dazu.

Insgesamt wurden seit Beginn 5.800 Verkäuferausweise ausgegeben. Derzeit gibt es 462 aktive Verkäufer. Koordiniert werden sie vom Vertriebsteam - das natürlich auch in den Räumen in der Innenstadt angesiedelt ist. Die meisten dieser Kollegen haben ebenfalls "ihre eigene Straßenvergangenheit", wie Müller es nennt.

Pro Ausgabe vertreiben die Verkäufer rund 65.000 Hefte. Vom Verkaufspreis von 1,90 Euro geht ein Euro an den Verkäufer. Finanziert wird "Hinz&Kunzt" durch Spenden. Der Freundeskreis mit 1.700 Mitgliedern hilft ebenso wie Menschen, die unregelmäßig unterstützen. "Aber auch sonst sind wir immer auf die Hilfe anderer angewiesen", sagt Müller. Doch ob Benefizkonzert, Verkäuferaktion oder Plakat-Kampagne - es fände sich immer jemand, mit dem sie ihre Ideen zusammen verwirklichen könnten.  

Pro Ausgabe vertreiben die Verkäufer rund 65.000 Hefte

Die Arbeit ist nicht immer leicht, sagt auch Sozialarbeiter Stephan Karrenbauer. Er arbeitet ebenfalls seit den Anfangstagen für "Hinz&Kunzt" und ist meistens bei den Verkäufern auf der Straße. "Aber es ist ein unbeschreibliches Glücksgefühl, wenn etwas kleines Gutes passiert", sagt er. Verkäufer, die an einem Stammplatz etwa vor einem Supermarkt stehen, knüpfen nicht selten engeren Kontakt mit ihren Kunden. "Da passieren tolle Dinge, Menschen helfen denen, die es nötig haben", sagt er. Das sei auch die "Grundidee" von "Hinz&Kunzt": "Wir wollen Brücken bauen, und die Hamburger und die Hinz&Künztler beweisen ständig, dass es funktioniert."

Erschrecken würde ihn, dass sich Menschen an so vieles gewöhnen, sagt Karrenbauer. "Aber wir dürfen nicht akzeptieren, dass Menschen auf der Straße schlafen." Das durchschnittliche Lebensalter eines Obdachlosen sei 47. Seit zehn Jahren hat "Hinz&Kunzt" einen Gedenkbaum auf dem Öjendorfer Friedhof. Am Totensonntag wird dort der Verstorbenen gedacht und für jeden ein kleines Messingschild am Baum befestigt.

Große Geburtstagsparty am Mittwoch, 6. November, in der Fabrik Altona

Die Novemberausgabe mit der Nummer 249 ist ein dickes Jubiläumsheft mit 108 Seiten - und darum etwas teurer als sonst: Es kostet 2,20 Euro, davon gehen 1,20 Euro an den Verkäufer. Mit einer großen Geburtstagsparty feiert "Hinz&Kunzt" am Mittwoch (6. November) in der Fabrik in Altona. Kooperationspartner für die Veranstaltung ist der Poetry-Slam-Veranstalter "Kampf der Künste". Live-Musik, Tombola und Ausstellung der "Hinz&Kunzt"-Fotogruppe sind geplant.

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