Landesbischof fordert Gleichstellung im kirchlichen Leben für Frauen und Männer
14. Mai 2018
Lübeck. Gerhard Ulrich, Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland (Nordkirche), fordert die umfassende Teilhabe am und die volle Gleichstellung im kirchlichen Leben für Männer und Frauen. Dies sei für Lutheraner Ausdruck einer vertieften Einsicht in das reformatorische Bekenntnis, so Ulrich. „Frauen haben einen ganz eigenen Blick, ein ganz eigenes Verständnis aufgrund ihrer spezifischen Lebenserfahrung und ihrer Gottesbeziehung. Das setzt neue Gedanken und Einsichten frei, die dringend in unserem theologischen Diskurs benötigt werden.“ Ulrich eröffnete heute (14. Mai) in der Lübecker Marienkirche den Kongress „Wir haben selber gehört und erkannt…“ für Theologinnen und Theologen aus den Anrainerstaaten der Ostsee. Noch bis morgen werden sich die 80 Teilnehmenden mit Wegen der Schriftauslegung beschäftigen.
Hintergrund des Kongresses ist sowohl die Einführung von Elisabeth Haseloff als erste Pastorin vor 60 Jahren in einer Gemeinde in Lübeck als auch der Beschluss der lettischen Synode 2016, Frauen per Verfassungsänderung von der Ordination auszuschließen.
Herausforderungen der Moderne begegnen
Ulrich weiter: „Nicht nur wir in der Nordkirche sehen mit Sorge, dass es Menschen, Gruppen, Parteien und auch einzelne Kirchen gibt, denen diese Vielfalt Angst macht und die versuchen, zurückzukehren in eine vergangene Welt scheinbarer Klarheit und Eindeutigkeit.“ Sich abzugrenzen gegenüber Theologien und religiösen Lebensstilen schaffe jedoch keine Antworten auf die Herausforderungen der Moderne. „Das ist weder ein Gewinn persönlicher Freiheit noch Ausdruck einer freiheitlichen Kirche, sondern deren drohendes Ende.“
Landesbischof Ulrich warb für eine Vielfalt des Glaubens: „Wir neigen immer noch dazu, einander mit ‚dem‘ Wort Gottes sozusagen zu bekämpfen, zum Schweigen zu bringen. Dabei wissen wir oft nicht genau, ob wir Gottes Geist vertreten oder unsere eigenen Ängste zu bearbeiten versuchen. Darum brauchen wir dringend eine Verständigung über die biblische Hermeneutik, die uns leiten kann in Vielfalt.“
Er dankte den Organisatorinnen des Kongresses für ihr Engagement, die Auseinandersetzung um die sachgerechte Auslegung der Bibel voranzutreiben. Mit den pluralen Wegen der biblischen Deutung hatte sich bereits Paulus beschäftigt. Seine Weisung an die Gemeinde, sich am Wort Christi zu orientieren, wurde in der Reformation von Luther als die Weisung zur „Mitte der Schrift“ wiederentdeckt und gehört seither zum Grundverständnis lutherischer Bibelhermeneutik.
„Das Wort Gottes scheidet die Geister. Aber eine Waffe ist es nicht. Es ist Power, aber keine Aufrüstung menschlicher Gewalt und Macht. Das Wort der Schrift teilt mir nicht ‚etwas‘ mit, sondern sagt etwas über mich aus; es leuchtet in die Welt und leuchtet sie aus“, erinnerte Ulrich.
Initiiert haben den Kongress das Zentrum für Mission und Ökumene in der Nordkirche, die Beauftragte für Geschlechtergerechtigkeit und das Frauenwerk der Nordkirche sowie die Konvente evangelischer Theologinnen in der Bundesrepublik Deutschland und in der Nordkirche.