11. Dezember 2016 | Maria–Magdalenen Kirche Kiel - Elmschenhagen

„Lasst euch als lebendige Steine zur Gemeinde aufbauen“

11. Dezember 2016 von Gothart Magaard

Festgottesdienst aus Anlass des 150. Kirchweihjubiläum

Der Friede Gottes sei mit Euch allen!

 

Liebe Festgemeinde!
Liebe Jubiläums - Gäste aus nah und fern!

Steine und Gebäude können viel erzählen aus fernen Tagen und Zeiten. Auch diese Maria-Magdalenen-Kirche hier in Elmschenhagen. Sie erzählt aus der Geschichte dieser Region zwischen Preetz und Kiel im 19. Jahrhundert. Sie ist auch steingewordene Kieler Stadtgeschichte:

-      Eine alte Vorgängerkirche aus dem Mittelalter war im 19. Jahrhundert durch Blitzeinschlag erheblich beschädigt worden. Es brauchte dringend einen Neubau, so sah es auch das Preetzer Kloster, das (natürlich) entscheidenden und prägenden Einfluss zu damaliger Zeit auf kirchliche Entwicklungen in der Region hatte. Bis zum heutigen Tag wird das dadurch deutlich, dass das Preetzer Kloster Patronatsrechte an Ihrer Gemeinde innehat.

-      Elmschenhagen bildete damals mit den Dörfern Gaarden, Ellerbek, Rönne und Klausdorf  ein gemeinsames Kirchspiel vor den Toren Kiels. Auch davon zeugt der Kirchenbau. Die Mutterkirche des dörflichen Kirchspiels zwischen Kiel und Preetz stand hier im Zentrum des dörflichen Lebens. Auch deshalb musste nach der Zerstörung der alten Kirche ein Neubau her. Ein Mittelpunkt ohne prägnante Kirche war nicht vorstellbar. Kurz nach der Fertigstellung am 19.12. 1866 wurde die Gemeinde organisatorisch an die Propstei Kiel angebunden wurde.  

Die neue Maria-Magdalenen Kirche berichtet aus der kultur- und kunstgeschichtlichen Epoche der „Neugotik“. Die klaren Strukturen und die klare Gliederung, die in dem Baustil zum Ausdruck kommen, repräsentieren eine Haltung, die die Menschen im 19. Jahrhundert in ihrem Alltag angesichts vieler Veränderungen sehr vermissten.

Schleswig und Holstein standen nicht mehr unter dem Einfluss Dänemarks, sondern Preußens und Österreichs. Hinzu kam der aufkommenden Schiffbau in Gaarden, die beginnende Industrialisierung des Ostufers und die Verstädterung dieses alten Dorfes aus dem Kirchspiel Elmschenhagen hin zu einem wichtigen Teil der Stadt Kiel. Solche rapiden Entwicklungen verunsichern Menschen. Der Bau dieser Kirche antwortet darauf und versucht, den Menschen Raum für den Glauben und Orientierung zu geben.

Und was können die Steine erzählen von den Kriegszeiten, von den Gebeten, den Hoffnungen und den Tränen der Menschen und von den Liedern und  Predigten? 

Der Predigttext für diesen Gottesdienst stammt aus dem 1. Petrusbrief (2,4-8): „Zu Christus kommt. Er ist der lebendige Stein, der von den Menschen für unbrauchbar erklärt wurde. Aber bei Gott ist er auserwählt und kostbar. Lasst euch auch selbst als lebendige Steine zur Gemeinde aufbauen. Sie ist das Haus, in dem Gottes Geist gegenwärtig ist.“

Es ist ein starkes Bild, das Bild von „lebendigen Steinen“. Ein Bild mit großer biblischer Tradition, das seine alttestamentlichen Ursprünge in den Psalmen (Ps. 118, 22) oder auch beim Propheten Jesaja (Jes. 8, 14) hat:

Gott, so sagen diese alttestamentlichen Belege, hat eine Zukunft für sein Volk Israel vor Augen.  Er legt „Grundstein“ und „Eckstein“ für die Zukunft auf dem Berg Zion. Aber diese Zukunft wird deutlich anders sein, als Menschen das erwarten: „Denn“, so der Beter in den Psalmen, „der Stein, den die Bauleute verworfen haben, er ist zum Eckstein geworden“ (Ps. 118, 22).

Und der Prophet Jesaja verstärkt diesen Gedanken der Psalmen und verändert ihn in ein aufrüttelndes und mahnendes Gerichtswort: Der „Stein“ wird bei Jesaja zum „Stein des Anstoßes“, der den beiden Häusern Israels zum „Fallstrick“ wird.  

Der Verfasser des ersten Petrusbriefes knüpft Jahrhunderte später an diese Tradition der Psalmen und des Propheten an und überträgt es in seine Zeit. Er malt das Bild weiter aus: Für ihn wird Christus zum „lebendigen Stein“, der von den Menschen verworfen wurde, der aber für die jungen christlichen Gemeinden in Kleinasien, an die sich der erste Petrusbrief richtet, der Orientierungspunkt in schweren Zeiten sein soll (1.Petr. 2,4).

Und die Zeiten waren wahrlich schwer und zum Teil sehr unübersichtlich. Der notwendige Halt schien in rauer Umwelt immer wieder verloren zu gehen. Die ersten Gemeinden waren sehr bunt: Männer und Frauen hatten etwas zu sagen. Sie stammten aus allen sozialen Schichten, auch Sklaven waren dabei. Auch kulturell waren sie verschieden als Judenchristen und Heidenchristen, und alle von Verfolgung bedroht.  Deshalb diese Worte des Briefschreibers des ersten Petrusbriefes, der den Christenmenschen in einer sehr komplizierten Situation quasi die Mitte, den Haltepunkt zeigen wollte.

Zu diesem Christus, zu diesem „lebendigen Stein“, sollen die Menschen der Gemeinden kommen. Im Blick auf ihn sollen sie sich versammeln. Dadurch können sie Orientierung und – übertragen – eine „Mitte“ finden und so wiederum selbst zu “lebendigen Steinen“, zu einem „geistlichen Haus“, zur Gemeinde Jesu Christi werden (1. Petr. 2,5).

Heute, liebe Festgemeinde, erläutert uns diese Kirche das Bild des Predigttextes auf sehr eindrucksvolle Weise. Sie macht deutlich, wie wichtig und entscheidend der „Schlussstein“  für den Halt des Gebäudes, wie bedeutsam aber auch eine geistliche Mitte für eine Gemeinde ist:

Sehen Sie sich hierzu gerne einmal in Ihrer Kirche um, lassen Sie den Blick und den Kopf kreisen, stehen Sie dazu auch gerne einmal auf, wenn es denn den Blick besonders an die Decke erleichtert.

-      An der Gewölbedecke sind die Schlusssteine besonders gut zu erkennen: Überall dort, wo sich die Kreuzrippengrade der Gewölbe an ihrem höchsten Punkt treffen, wo sich die Linien überschneiden, dort ist der Eckstein eingesetzt und hält das gesamte Gewölbefach zusammen. Ein einziger Stein – besonders bearbeitet – gibt dieser kunstvollen Gewölbekonstruktion ihren entscheidenden Haltepunkt.

-      Ohne diesen Stein würde die Konstruktion nicht halten, sie würde in sich zusammenfallen und hätte keinen Bestand. Mit diesem Stein aber ist sie stabil, belastbarbar und fast unverwüstlich. Nicht umsonst wird dieser Stein in der gotischen wie in der neugotischen Architektur oftmals kunstvoll verziert. So wird er in seiner Bedeutung für die Statik hervorgehoben und besonders geehrt.

Die Geschichte dieser Kirche, liebe Gemeinde, berichtet damit davon, wie die Gemeinde Jesu Christi in unserer Zeit leben kann. Sie ist eine sehr moderne Erzählerin, obwohl sie bereits 150 Jahre alt ist. Sie ist aber auch deshalb eine so kompetente Erzählerin, weil die Zeiten der Umwälzungen und Veränderungen für die Menschen im 19. Jahrhundert – also zu Zeiten der Erbauung – ähnlich einschneidend waren wie für uns heute im 21. Jahrhundert. Es herrschte viel Verunsicherung, die Welt schien aus den Fugen zu geraten, und auch damals stellte sich die Frage, was die Gesellschaft zusammenhält.


Ich höre die Botschaft dieser Kirche in zweierlei Richtung:

1.    Sie sagt der Gemeinde, wie wichtig es ist, eine Mitte zu finden.

Ein Gewölbe hält, weil es einen Eckstein gibt, der dem Ganzen Halt und Bestand über lange Zeit gibt. Hier besteht eine Mitte, auf die hin sich das Ganze, die Gesamtheit aller Steine, ausrichtet.

Das ist ein bestechend klares Bild für eine Gemeinde – auch für Sie als Trinitatis-Gemeinde: Ich denke in diesem Zusammenhang an die Fusion vor bald 15 Jahren: vier Gemeinden sind zu einer großen Gemeinde geworden. In solchen Zeiten der Veränderungen ist es wichtig, die Frage nach der Mitte klar zu stellen und danach zu suchen, was das Ganze zusammenhält.

Es geht darum, auf welcher Grundlage die Menschen in der Gemeinde miteinander ins Gespräch kommen, wie in Gremien und Gruppen gearbeitet wird und welcher Geist dabei weht. Es geht auch darum, in welche Richtung es weitergehen soll, wo man als Gemeinde hinwill. In dieser Spannung leben wir: Wir brauchen die Steine, die Orte, die uns einladen zum Gottesdienst. Und zugleich sind wir unterwegs als Teil des wandernden Gottesvolkes und brauchen Momente des Aufbruchs.

2.    „Lasst euch auch selbst als lebendige Steine zur Gemeinde aufbauen“. Sie alle halten einen kleinen gebrannten Stein in Händen. Wir alle miteinander sind die lebendigen Steine, aus denen die Gemeinde gebaut wird. Eine zentrale Einsicht auch durch die Reformation! Alle sind wichtig, nicht nur in den Kirchen und Gemeindehäusern, sondern in ihrem Leben zuhause und im Beruf: Das zu beherzigen, was im Glauben wichtig ist: Barmherzigkeit, Mitgefühl, Nächstenliebe auch für Ferne, Bereitschaft zur Vergebung, Offenheit für Aufbrüche mit Freude an Vielfalt und mit Zuversicht. Ganz gleich, ob wir Handwerker, Studentin, Pfleger, Oberbürgermeister, Musikerin oder Familienmanagerin sind.

Als Bischof erlebe ich viele solcher lebendigen Menschen, lebendige Steine, die sich engagieren, weil Gott uns freundlich anschaut: In den Kirchengemeinderäte mit ihrer Verantwortung, In der Jugendarbeit und in Kitas, in der Kirchenmusik und bei Projekten und in dem großen Engagement in der Flüchtlingsarbeit in Beratung, Begleitung und Cafés.

Wir können zuversichtlich sein, weil wir an dem Weg Jesu, dem Gekreuzigten und Auferstanden sehen, wie Gott es mit uns meint. Gott, der uns Menschen nahekommt, auf den wir mit gespannten Sinnen warten. Das ist doch der Kern der Adventszeit, dass wir uns auf das Kommen Gottes vorbereiten und einstellen. 

Die klare Ausrichtung einer (neu-)gotischen Kirche auf Altar und den Gekreuzigten unterstreicht diese Mitte.

Die hervorgehobenen Ecksteine in den Gewölben erinnern uns Betrachter an diese Mitte.

Die wunderbaren Glasfenster im Chor mit den Szenen aus dem Leben Jesu illustrieren diese Mitte.

Behalten Sie diese Mitte Ihrer Gemeinde im Sinn, bewahren Sie diesen Grund des Lebens im Herzen – ganz im Sinne des Wochenspruches für den 3. Advent: „Bereitet dem Herrn den Weg, denn siehe, der Herr kommt gewaltig“ (Jes. 40,3.10)
Amen

Veranstaltungen
Orte
  • Orte
  • Flensburg
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde Flensburg-St. Johannis
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Gertrud zu Flensburg
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Marien zu Flensburg
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Michael in Flensburg
    • Ev.-Luth. St. Nikolai-Kirchengemeinde Flensburg
    • Ev.-Luth. St. Petrigemeinde in Flensburg
  • Hamburg
    • Hauptkirche St. Jacobi
    • Hauptkirche St. Katharinen
    • Hauptkirche St. Michaelis
    • Hauptkirche St. Nikolai
    • Hauptkirche St. Petri
  • Greifswald
    • Ev. Bugenhagengemeinde Greifswald Wieck-Eldena
    • Ev. Christus-Kirchengemeinde Greifswald
    • Ev. Johannes-Kirchengemeinde Greifswald
    • Ev. Kirchengemeinde St. Jacobi Greifswald
    • Ev. Kirchengemeinde St. Marien Greifswald
    • Ev. Kirchengemeinde St. Nikolai Greifswald
  • Kiel
  • Lübeck
    • Dom zu Lübeck
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Aegidien zu Lübeck
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Jakobi Lübeck
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Marien in Lübeck
    • St. Petri zu Lübeck
  • Rostock
    • Ev.-Luth. Innenstadtgemeinde Rostock
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde Rostock Heiligen Geist
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde Rostock-Evershagen
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde Rostock-Lütten Klein
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Johannis Rostock
    • Ev.-Luth. Luther-St.-Andreas-Gemeinde Rostock
    • Kirche Warnemünde
  • Schleswig
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde Schleswig
  • Schwerin
    • Ev.-Luth. Domgemeinde Schwerin
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde Berno Schwerin
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Nikolai Schwerin
    • Ev.-Luth. Petrusgemeinde Schwerin
    • Ev.-Luth. Schloßkirchengemeinde Schwerin
    • Ev.-Luth. Versöhnungskirchengemeinde Schwerin-Lankow

Personen und Institutionen finden

EKD Info-Service

0800 5040 602

Montag bis Freitag von 9-18 Uhr kostenlos erreichbar - außer an bundesweiten Feiertagen

Sexualisierte Gewalt

0800 0220099

Unabhängige Ansprechstelle für Betroffene von sexualisierter Gewalt in der Nordkirche.
Montags 9-11 Uhr und mittwochs 15-17 Uhr. Mehr unter kirche-gegen-sexualisierte-gewalt.de

Telefonseelsorge

0800 1110 111

0800 1110 222

Kostenfrei, bundesweit, täglich, rund um die Uhr. Online telefonseelsorge.de

Zum Anfang der Seite