16. September 2016 | Hamburg

"lauf-stark fürs Leben – nebenan ist überall"

16. September 2016 von Kirsten Fehrs

„lauf-stark fürs Leben – nebenan ist überall“, Begrüßung von Katja Hornfeck nach 950 km in 25 Tagen, der Benefizlauf für die Hamburger Renate Rennebach-Stiftung setzt ein sichtbares Zeichen gegen sexualisierte Gewalt

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Katja Hornfeck,

Gratulation – was für eine Leistung! Echt „stark“. Laufstark. Ich bin von Herzen froh, liebe Katja, Sie hier so vital und glücklich in Empfang nehmen zu können. 950 (eigentlich 982!)  Kilometer in 25 Tagen!  Ich stehe bewundernd vor Ihnen. Vor Ihrem Mut. Ihrer Ausdauer. Und Ihrer Intuition, die Ihnen deutlich gesagt hat, dass nach jahrelangen Therapien auch dieser Schritt wichtig ist: buchstäblich nach „draußen“ zu gehen. Zu zeigen: Auch wenn Sie Schreckliches erlitten haben, Sie lassen sich Ihre Stärke nicht nehmen. Ihr Menschsein. Ihre Möglichkeiten. Es gibt auch noch das Leben. Nicht allein das Sein als Opfer. Sondern das Sein als Frau, die einen Beruf hat – eben: Pastorin, liebe Schwester – und die sich wie jede/r andere auch nach Luft und Liebe sehnt, nach Sinn und Urlaub, Heimat und – natürlich - Hamburg.:)

Ihr Blog jedenfalls liest sich wie ein Tagebuch der Ermutigung. Auch übrigens dazu, den Körper nicht nur als Last zu begreifen, so verletzt er einst war. Sondern als einen, der trägt. Mitträgt. Durchhält. Energie braucht. Und er hat wirklich Enormes geleistet.

So auch die beiden Assistenzhündinnen Fianna und Paula, die mitgeholfen haben, dass dies all die Kilometer gut ging. Was wäre man ohne solche instinktsicheren Freundinnen, die wissen, was man braucht. Und was wäre man ohne Günters, lieber Herr Hornfeck, oder „Günter-inen“, die sehen, wann man ihr das Wasser reichen möge….

Lauf-Stark. Das Signal dieses Benefizlaufes für die Hamburger Renate Rennebach-Stiftung ist echt stark. Nämlich zu zeigen: Auch wenn man Furchtbares erlebt hat, jahrelang unter dem Trauma leidet, das sich wie ein Schatten der Panik über die Seele legt, auch wenn Körper und Seele durch sexualisierte Gewalt geschunden wurden – es gibt einen Weg. Es gibt Hilfe, Beratung, Menschen, die verstehen und die einen begleiten. Es gibt Assistenzhündinnen, die Schutz gewähren, den man sich selbst nicht so gut geben kann. Es gibt segensvolle Einrichtungen, ja: ein Netzwerk von Beratungsstellen, das enorm stark ist. Ich danke Ihnen, liebe alle von den Beratungsstellen. Sie wissen darum, was „nebenan“ passieren kann. Sie wissen um die Qual und das tätergetriebene Schweigegebot, um die Lebensmüdigkeit und all die Selbstverletzungen. Und Sie wissen darum, dass „nebenan“ überall sein kann, in der Schule und -  leider -  der Kirche, bei den „netten“ Müllers nebenan, bei Armen und Vermögenden, dem Sportverein und bei dem Patenonkel auch.

Sehr viele Menschen in unserer Gesellschaft sind betroffen von sexualisierter Gewalt. Experten schätzen – so jüngst der Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindermissbrauchs, Johannes-Wilhelm Rörig,  - , dass ein bis zwei Kinder oder Jugendliche in jeder Schulklasse betroffen sind. So viele. Und so nah ist das! Deshalb ist eine Aktion wie diese so wichtig: Für das Thema zu sensibilisieren, immer wieder. Einmal reicht nicht. Zu groß der Abwehrreflex. Zu sehr die Angst, alles falsch zu machen. Aber im Gegenteil, meine Damen und Herren, nicht hinzuschauen ist das Falsche! Deshalb sind die Beratungsstellen – auch in ihrer Vernetzung - so wichtig. Sie geben Orientierung, wie man sich auch als jemand, die nur einen Verdacht hegt, Hilfe holen kann.

Allemal sind sie wichtig für die, die plötzlich in ihrem Leben gewahr werden, dass sie  - vielleicht lange verdrängt – Opfer sexualisierter Gewalt sind. Manchmal Jahrzehnte nach der Gewalterfahrung selbst triggert auf einmal ein Geruch, eine Szene, eine Begegnung – und dann braucht es die, die kundig begleiten. Aushalten. Verstehen. Mitgehen.

„Wenn einer dich dazu drängt, eine Meile mitzugehen, dann geh mit ihm ihr zwei.“  - Dieses Wort aus der Bergpredigt Jesu ist mir sofort durch den Sinn gegangen. Das Thema ist so drängend, dass es aus dem Dunkel der Tabuisierung herausgeholt werden muss. Und mitzugehen heißt: sich befassen. Zu erfassen, so unfassbar das zugleich ist, wie sexualisierte Gewalt geschieht und wie sie ein ganzes Leben beeinträchtigt. Wie Täter und Tätersysteme funktionieren. Wer mitgeht, befasst sich  - und trägt auf diese Weise dazu bei, sexualisierte Gewalt zu verhindern. Signalisiert: wir lassen die Betroffenen nicht allein. Deshalb bin ich zutiefst von dieser Aktion hier überzeugt. Lauf doch einfach mit, habe ich gedacht. Mindestens zwei Meilen. …

Es geht darum, den Opfern eine Stimme zu geben und dem Schweigen ein Ende zu machen – auch, den Betroffenen Mut zu machen, ihre oft schon Jahrzehnte zurückliegenden Missbrauchserfahrungen öffentlich zu machen und die Täter anzuzeigen. In unserer Nordkirche wurde auf diese Weise ein Prozess angestoßen, der geschehene Vorfälle aufklären und zu einer besseren Prävention führen soll. Andere Institutionen befinden sich in ähnlichen Prozessen.

Wir sind als Kirche den Betroffenen zutiefst dankbar, dass sie sich trotz der großen Belastungen, die das bedeutet, mit ihrer je individuellen Gewalterfahrung an uns gewandt haben. Denn nur so, indem wir uns auseinandersetzen und nicht aufhören damit, nur so können wir etwas lernen. Können etwas lernen davon wie Täter agieren, wie sie eine Art System zu ihrem Schutz aufbauen, das ihnen zuspielt. Es gilt, Courage zu zeigen, das Schweigen zu durchbrechen. Auch wenn es ein Kollege ist, ein Bekannter oder eine Verwandte: das Unrecht muss angesprochen werden. Es muss deutlich werden, dass es so nicht weitergehen kann und wird. Deshalb sind Menschen so wichtig, an die man sich wenden kann, um sich zu beraten.

Ich möchte der Renate Rennebach-Stiftung – ebenso wie allen hier anwesenden Beratungsstellen ausdrücklich dafür danken, dass sie seit fast 15 Jahren da sind, informieren und aufklären und in vielfältiger Weise Opfern von sexualisierter Gewalt Unterstützung und Hilfe gewähren. Danke für Ihr Engagement und Ihre Unermüdlichkeit!

Und danke Ihnen, liebe Katja Hornfeck, Sie werden sich jetzt nach einem Fußbad und Ruhe sehnen (und morgen früh die für die 1000 noch fehlenden 18 Kilometer laufen…).  Es sei Ihnen so gegönnt! Ich wünsche Ihnen von Herzen Gottes Segen für Ihre weitere Arbeit – und für Ihr Leben. Möge Ihr Lauf stärkend sein für viele – dass sie Mut fassen und Hoffnung wieder lebendig wird, und tatsächlich selbst spüren: Leben – das ist echt stark.

Ich danke Ihnen.

Veranstaltungen
Orte
  • Orte
  • Flensburg
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde Flensburg-St. Johannis
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Gertrud zu Flensburg
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Marien zu Flensburg
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Michael in Flensburg
    • Ev.-Luth. St. Nikolai-Kirchengemeinde Flensburg
    • Ev.-Luth. St. Petrigemeinde in Flensburg
  • Hamburg
    • Hauptkirche St. Jacobi
    • Hauptkirche St. Katharinen
    • Hauptkirche St. Michaelis
    • Hauptkirche St. Nikolai
    • Hauptkirche St. Petri
  • Greifswald
    • Ev. Bugenhagengemeinde Greifswald Wieck-Eldena
    • Ev. Christus-Kirchengemeinde Greifswald
    • Ev. Johannes-Kirchengemeinde Greifswald
    • Ev. Kirchengemeinde St. Jacobi Greifswald
    • Ev. Kirchengemeinde St. Marien Greifswald
    • Ev. Kirchengemeinde St. Nikolai Greifswald
  • Kiel
  • Lübeck
    • Dom zu Lübeck
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Aegidien zu Lübeck
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Jakobi Lübeck
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Marien in Lübeck
    • St. Petri zu Lübeck
  • Rostock
    • Ev.-Luth. Innenstadtgemeinde Rostock
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde Rostock Heiligen Geist
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde Rostock-Evershagen
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde Rostock-Lütten Klein
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Johannis Rostock
    • Ev.-Luth. Luther-St.-Andreas-Gemeinde Rostock
    • Kirche Warnemünde
  • Schleswig
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde Schleswig
  • Schwerin
    • Ev.-Luth. Domgemeinde Schwerin
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Nikolai Schwerin
    • Ev.-Luth. Petrusgemeinde Schwerin
    • Ev.-Luth. Schloßkirchengemeinde Schwerin

Personen und Institutionen finden

EKD Info-Service

0800 5040 602

Montag bis Freitag von 9-18 Uhr kostenlos erreichbar - außer an bundesweiten Feiertagen

Sexualisierte Gewalt

0800 0220099

Unabhängige Ansprechstelle für Betroffene von sexualisierter Gewalt in der Nordkirche.
Montags 9-11 Uhr und mittwochs 15-17 Uhr. Mehr unter kirche-gegen-sexualisierte-gewalt.de

Telefonseelsorge

0800 1110 111

0800 1110 222

Kostenfrei, bundesweit, täglich, rund um die Uhr. Online telefonseelsorge.de

Zum Anfang der Seite