27. September 2016 | Lübeck-Travemünde

Leben wir! Gut, gemeinsam, gesegnet.

06. Oktober 2016 von Kirsten Fehrs

Grußwort zum Pfarrerinnen- und Pfarrertag

leLiebe Brüder und Schwestern,

endlich Leben! Also auf zum Pfarrer/innentag nach Travemünde! Ich heiße Sie dazu – nach Bischof Magaard und dem Synodenpräses als Dritte im Bunde - ganz herzlich willkommen in der Nordkirche!  Endlich leben – nach arbeitsamem Tag dürfte dieser Abend mit vielen Genüssen für Leib und Seele la dolce Vita schlechthin werden. Ich freue mich aufrichtig, bei Ihnen zu sein und daran teilhaben zu dürfen!

Dies einmal als zuständige Bischöfin für den Sprengel Hamburg und Lübeck, wobei beide Hansestädte an je einem Ende des wunderschönen Lauenburgischen Landes ihren je eigenen Akzent setzen. Morgen werden Sie ja viel Gelegenheit haben, dies für Lübeck bestätigt zu bekommen.... Zudem heiße ich Sie hier ausdrücklich auch im Namen der EKD als Ratsmitglied willkommen. Es ist mir eine große Freude, Ihnen allen aus den Landeskirchen Deutschlands mit so unterschiedlichen Prägungen zu begegnen; wie vielfältig diese sind, ist mir tatsächlich in der neuen Aufgabe in der EKD besonders bewusst geworden.

Dankbar bin ich, heute dieses Rednerpult mit den benachbarten und uns stets verbundenen Brüdern zu teilen, lieber Provst Viggo Jacobsen – danke für das gute Miteinander über manch Grenze hinweg. Und danke, lieber Propst Matsis Seiverts und Propst Zols, dass Sie aus Riga hierher nach Travemünde gekommen sind. Dies ist ein sehr wichtiges Zeichen. Verbunden ist mein Dank ausdrücklich auch im Namen der EKD mit einer herzlichen Bitte: Nehmen Sie für die lettischen, ordinierten und Theologie studierenden Schwestern in Ihrem Land unsere ausdrücklichen Grüße mit und versichern Sie sie unserer uneingeschränkten Solidarität. Wir haben mit großer Bestürzung die Entscheidung der lettischen Synode mitverfolgt und können über diesen Anachronismus in der Kirchengeschichte nur unserem völligen Unverständnis Ausdruck verleihen. Mit großer Achtung und Respekt dagegen sehen wir, was Sie beide derzeit stemmen müssen und werden in unserer Unterstützung ganz gewiss nicht nachlassen.

Endlich leben! – Ihr Thementag heute hat viele Entfaltungen. Da geht‘s eben auch ums Überleben, den vermaledeiten Einschränkungen, Müdigkeiten und Gefährdungen zum Trotz. Da geht‘s um die Geradlinigkeit vierer Lübecker Märtyrer, es geht ums würdige Sterben und würdige Bestatten, ums Befremdliche im Ausnahmeraum des Todes - die ganze Bandbreite pastoraler und vor allem seelsorgerlicher Existenz scheint hier auf. Und mir ist dabei zuallererst dankbar nachgegangen, wie unschätzbar wertvoll es ist, dass es Sie gibt, in unseren Gemeinden und in unserer Gesellschaft. Kundige Begleiter/innen durch Not, Schock und Alltagschaos, aber auch als, - wie Paulus sagt –, Gehilfen der Freude. Ich danke Ihnen von Herzen dafür. Für Ihre Kraft. Liebe. Achtsamkeit.

Zugleich mag Ihnen heute vieles auch persönlich nahe gegangen sein – angesichts eben der Endlichkeit von Leben mit ihren bitteren Grenzen. Mit all dem, was einen „im Amte, das die Versöhnung predigt“, manchmal selbst so unversöhnt lassen kann. Wenn die Kollegin plötzlich stirbt. Man selbst krank wird. Oder – morgen spreche ich auf einem Palliativ-Kongress in Lübeck – wenn ein Mensch nur noch Schmerz fühlt, ja ist. Oder ein ganz anderes Thema voller bitterer Erkenntnis, das mich persönlich tief berührt hat: die institutionelle Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs, furchtbar – das hat alle in unserer Nordkirche zutiefst mitgenommen.

Wenn ich überlege, was man in solchen Momenten geben kann, dann vielleicht das, was die Tageslosung heute auf den Punkt bringt: "Mein Angesicht soll vorangehen, spricht Gott; ich will dich zur Ruhe leiten."

In der Seelsorge, besonders aber bei der Begleitung von Sterbenden habe ich vor allem eines gelernt: Mit Ruhe das Angesicht schauen. Denn kein Mensch weiß vorher, was ihn oder sie im Moment des Sterbens bewegt. Was jemand fühlt und wie er es bewertet. Kein Mensch weiß von einem anderen, wie er stirbt. Und deshalb kann man es auch nicht sagen. Es liegt Würde darin, das Sterben eines Menschen unbeschreiblich sein zu lassen. Ich kann etwa als Seelsorgerin nahe sein, ich kann die Hand halten oder die Wut mitfühlen, kann Segen sprechen. Und ich kann auch einmal den Mund halten und akzeptieren, dass es Grenzen des Verstehens und der Erklärungen gibt. Weil Worte eh nicht hinreichen. Und weil das gemeinsame Schweigen einen ganz tief im Inneren trösten kann. Wir sind als Pastoren und Pastorinnen nicht nur Wortkünstler, sondern wir sind auch die Anwälte der Stille: Ruhig werden und auf diese Weise Gott Raum geben, der die Menschen zur Ruhe leiten will.

Ich glaube, dass diese Qualität der unaufdringlichen, persönlichen Begleitung in dieser Gesellschaft immer mehr gesucht wird. Auch in den Kasualien. Sie wissen, dass es eine Untersuchung der Nordkirche darüber gibt, die zeigt, dass Menschen heute auch außerhalb der Kirche nach Formen lebensbegleitender Rituale suchen. Großes Aufsehen erregte dabei eine Randbemerkung der Studie: Dass sich auch von den verstorbenen Kirchenmitgliedern nur 71 Prozent mit einer kirchlichen Trauerfeier begleiten ließen.

Sicherlich – das muss uns Ansporn sein zu fragen, wie wir die Menschen besser erreichen können. Aber bitte nicht dies: sich selbst laufend unter Druck setzen, indem man das Heute an einem vermeintlich idealen Gestern misst. Gerade in unserer Kirche werden liebend gerne Verfallsgeschichten konstruiert. Dabei zeigt ein Blick in die Vergangenheit: Der Brauch, dass bei einer Bestattung ein Pastor anwesend war, kam in den evangelischen Kirchen überhaupt erst im 19. Jahrhundert auf. Oder blicken wir auf den Gottesdienstbesuch überhaupt: Dass die Kirchen früher immer brechend voll gewesen seien – was für eine Mär! In Hamburg jedenfalls waren vor dem Ersten Weltkrieg selbst die Sonntagsgottesdienste in den Hauptkirchen selten von mehr als 50 Menschen besucht.

Damit wir uns richtig missverstehen: Ich will dahin nicht zurück, aber ich wünsche uns auch in diesem Punkt mehr Ruhe und Gelassenheit. Sie ist nicht zu verwechseln mit Desinteresse. Aber diese Ruhe schafft erst die Voraussetzung dafür, dass wir Gottes Geist Raum geben, dass wir begeistert reden, fröhlich singen und überzeugend handeln können. Als kürzlich in einem der vielen Gremien das allgemeine Klagen darüber anhob, was die Pastorinnen und Pastoren alles besser machen könnten, müssten und nicht täten, da sprang ein Propst auf und sagte (dafür bin ich ihm immer noch dankbar): "Nun ist aber mal gut - es geschieht doch längst, ihr seht es bloß nicht." Es lebe die klare Sicht. Klar wie der Norden!

Endlich leben, liebe Brüder und Schwestern, aus dem heraus, was ruhig ist und was man nicht sieht und was nicht fortwährend große Worte braucht und vorzeigbare Erfolgserlebnisse. Ich möchte Sie daher ermutigen, der Aufregung zu widerstehen, die sich bei jedem Abschied einstellt: Beim letzten Lebewohl für einen Verstorbenen ebenso wie bei einem Abschied von kirchlichen Formen, Gebäuden und Gewohnheiten.

Ich wünsche Ihnen aber Hoffnung, Zuversicht und vor allem den Esprit durch geschwisterlichen Austausch, hier und heute Abend genauso wie in Ihrem Alltag. Also: Leben wir! Gut, gemeinsam, gesegnet.

Ich wünsche Ihnen einen fröhlichen Abend und danke Ihnen!

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