Mini-Predigt für Millionen - Das „Wort zum Sonntag” wird 60
17. Januar 2014
Hamburg. Eine blaue Studiowand. Ein Gesicht. Zwei Millionen Zuschauer. Und vier Minuten Mini-Predigt. Das „Wort zum Sonntag” gehört zu den Dinosauriern im deutschen Fernsehen. „Nachts jemandem, der auf einen Boxkampf wartet, etwas vom Glauben zu erzählen, das ist schon ein bisschen irrsinnig”, sagt Pastorin Annette Behnken (44) aus Wennigsen bei Hannover. Sie gehört seit einem Jahr zum Sprecherteam und ist damit eines der neuesten Gesichter. Am Montag feiern die Kirchen und die ARD in Hamburg das 60-jährige Bestehen der Sendung.
Das „Wort zum Sonntag” ist damit die zweitälteste deutsche Fernsehsendung nach der „Tagesschau”. Seit dem 8. Mai 1954 flimmert es jeden Sonnabend im „Ersten” nach den Spätnachrichten über die Bildschirme, abwechselnd gesprochen von drei Frauen und fünf Männern, vier davon evangelisch und vier katholisch.
Jede Sendung eine Herausforderung
Für Annette Behnken ist jede Sendung eine Herausforderung. „Die wenigsten schalten ja gezielt ein, sondern man bleibt hängen”, sagt sie. „Es kommt darauf an, dass es die Zuschauer packt, dass unmittelbar klar wird, dass es etwas mit ihrem eigenen Leben zu tun hat.” Dafür sucht sich die evangelische Theologin jedes Mal aktuelle Themen, die gerade in der Luft liegen: die NSA-Affäre um Edward Snowden, die Flüchtlingsfrage oder die Diskussion um soziale Medien wie „Facebook”.
Brüche in den Fassaden
„Wenn es gutgeht, kann das Wort die religiöse Dimension des ganz normalen Lebens aufzeigen”, sagt sie. Beim Thema Snowden sprach sie über Wahrheit und die biblischen Propheten, bei Facebook über die glanzvollen Fassade, die viele Menschen von sich aufbauen. Über den „unendlich wertvollen Kern”, der hinter jeder Fassade steckt. Und über die Brüche in den Fassaden. Als Zeichen hob sie ihre verbundene Hand in die Kamera, die sie sich kurz vor der Sendung verletzt hatte.
Erste Sendung evangelisch
Unvorhergesehenes gehört von Anfang an zum"Wort zum Sonntag. Die erste Sendung sollte eigentlich am 1. Mai 1954 über den Bildschirm laufen. Doch ein Kabelbruch verhinderte, dass der katholische Prälat Klaus Mund aus Aachen am Samstagabend live sprechen konnte. So ging der evangelische Pastor Walter Dittmann aus Hamburg am 8. Mai 1954 als erster "Wort-zum-Sonntag-Sprecher" in die Fernseh-Geschichte ein.
Auf aktuelle Ereignisse reagieren
Immer wieder werfen die Autoren ihre bereits fertigen Manuskripte über den Haufen, um auf aktuelle Ereignisse zu reagieren. Zu ihnen gehörte auch der hannoversche Landesbischof Ralf Meister, der von 2004 bis 2010 beim Wort zum Sonntag zu hören war. Er sprach spontan nach dem Hurrikan "Katrina" in New Orleans oder dem Papstbesuch in Deutschland: „Da hat die Welt das Thema bestimmt und nicht zuerst die Bibel.” Statt an das Millionenpublikum zu denken, habe er sich stets vorgestellt, zu seiner Küsterin zu sprechen, verrät Meister. „Die sollte es verstehen. Was ein Kirchenkritiker oder sonst wer davon hielt, war zweitrangig.”
Zuschauer-Hoch für Päpste
Rund 300 Pfarrer und Theologen waren in den 60 Jahren auf Sendung. 1969 war mit Lieselotte Nold aus Bayern erstmals eine Frau darunter. 1977 und 1979 sorgte der württembergische Pfarrer Jörg Zink für politischen Wirbel, als er über den Terrorismus und die Umweltzerstörung sprach. Hohe Einschaltquoten erzielten die Päpste Johannes Paul II. und Benedikt XVI., die sich 1987 und 2011 im Wort zum Sonntag an die Deutschen wandten.
Nicht viele fromme Worte nötig
Für Annette Behnken bleibt die Sendung ein sperriges Format, das voller Chancen steckt. Worte wie Gott oder Jesus setzt sie sehr gezielt und eher sparsam ein, denn gerade für kirchenferne Menschen sollen ihre Beiträge verständlich sein. Manchmal seien gar nicht viele fromm Worte nötig, um über die wesentlichen Dinge des Lebens zu sprechen. „Das hat Jesus prima hingekriegt, und auch die Dichter. Und wenn wir Theologen gut sind, kriegen wir das auch hin.”