Neue Computer-Schnittstelle für romantische Orgel
27. Juni 2013
Hamburg. Eine der spektakulärsten Orgelsanierungen Hamburgs beginnt in wenigen Wochen in St. Johannis-Harvestehude. Das Instrument wird komplett ausgebaut und zur Sanierung nach Süddeutschland transportiert. Erst Weihnachten 2014 wird es zurückerwartet.
Die 130 Jahre alte Marcussen-Orgel in St. Johannis-Harvestehude ist die letzte große romantische Orgel in Hamburg. Leider befinde sie sich in einem "desolaten Zustand", sagt Kirchenmusiker Christopher Brender. 1,2 Millionen Euro soll die Sanierung kosten, etwa 930.000 Euro hat die Kirchengemeinde schon aufgebracht. Für den Rest sollen Spender und Sponsoren gefunden werden. Dafür will sich auch TV-Talkshow-Pianist und Honorarprofessor Gottfried Böttger einsetzen. An diesem Wochenende gibt es das letzte Konzert - mit dem Improvisationskünstler Claus Bantzer.
3500 Orgelpfeifen müssen renoviert, ersetzt oder erneuert werden
3500 Orgelpfeifen und fast zwei Kilometer feinstes Holzgestänge im Innenleben der Orgel müssen renoviert, ersetzt oder erneuert werden. "In seinem jetzigen Zustand ist das zuletzt 1974 weitgehend neu gebaute Instrument abgängig", befand der Orgelsachverständige Martin Petersen bereits vor vier Jahren. Bender berichtete von dem Beginn eines möglichen Schwelbrandes, weil sich eine Magnetspule heißgelaufen hatte. Beim Spielen klemmen außerdem immer wieder Tasten, ganze Registergruppen springen manchmal nicht an: "Ich habe schon Konzerte abgebrochen", sagte der Organist.
Bereits vor rund einem Jahr wurde die Wiederherstellung des ursprünglichen Konzeptes der Marcussen-Orgel von 1882 beschlossen. Nach entsprechender Ausschreibung wurde der Stuttgarter Orgelbaumeister Konrad Mühleisen mit der Realisierung beauftragt.
Neue Midi-Schnittstelle zum Anschließen weiterer Instrumente
Die Orgel soll ihren romantischen Klang wiederbekommen. Zugleich wird der Spieltisch mit hochmoderner Technik erweitert. Dazu zählt eine "Setzeranlage" zur Speicherung annähernd unbegrenzter Registerkombinationen. Als besonderen Clou soll die Orgel auch eine Midi-Schnittstelle bekommen, an der sich weitere Instrumente anschließen lassen, die über die Orgelmanuale zu bedienen sind. Dazu werde laut Kirchenmusiker Bender auch eine Software gehören, die "ein komplettes Tonstudio ersetzen" kann.
"Mit der neuen Technik können wir die Orgel als außergewöhnliches Schulungs- und Bildungsinstrument nutzen", sagte Bender weiter. Es werde möglich sein, live gespielte Orgel-Improvisationen digital abzuspeichern, auf Notenpapier auszudrucken oder vollautomatisch neu abzuspielen. Dabei können dann auch Klangeffekte verändert, verbessert oder neu gemischt werden, schwärmt Bender: "Solche Möglichkeiten an einem einzigen Spieltisch hat es bislang nicht gegeben. Das wird unsere Orgel einzigartig machen."
"Originelle musikalische Alternativen" zur Überbrückung der Zeit ohne Orgel
Unterstützt wird das Sanierungsprojekt auch von Kirchenmusikdirektor a.D. Claus Bantzer (70), der von 1975 bis 2008 als Organist an St. Johannis gewirkt hatte. Mit seinen Konzerten und Orgelimprovisationen war er weit über Hamburgs Grenzen hinaus bekannt geworden. Bei der traditionellen "Orgelmusik zur Abendzeit" will Bantzer an diesem Sonntag (30. Juni, 19 Uhr) mit eigenen Improvisationen das letzte Konzert vor dem Ausbau der Orgel spielen.
Die vielen Monate ohne Orgel will die Gemeinde "mit originellen musikalischen Alternativen" überbrücken, sagte Pastorin Birgitta Heubach-Gundlach. In Zusammenarbeit mit der Musikhochschule sollen auch in den Gottesdiensten Streichquartette, Bläserquintette oder Instrumentalsolisten auftreten. Auch ein Konzertflügel steht im Altarraum zum Musizieren bereit.