Neuer Präses steht für Aufbruchstimmung in Nordkirche
18. November 2012
Die erste Tagung der Nordkirchen-Synode ist am Sonnabend beendet worden. An der Spitze des Kirchenparlaments hat es mit der Wahl des Grünen-Politikers Andreas Tietze eine Überraschung gegeben. Er steht für einen Generationenwechsel in der Kirche. Von Hartmut Schulz (epd)
Als Pfingsten 2012 die neue Nordkirche in Ratzeburg feierlich eingeläutet wurde, gab es eine fröhliche Aufbruchstimmung. Sie hat sich auf der konstituierenden Sitzung der Landessynode fortgesetzt, die bis Sonnabendnachmittag in Lübeck-Travemünde tagte. Mit der Wahl des Grünen-Politikers Andreas Tietze (50) als Präses des höchsten evangelischen Kirchenparlaments für Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern machte die Synode deutlich, dass der Aufbruch in die neue Kirche auch mit einer neuen Synoden-Spitze gelingen soll. Tietze setze sich mit 83 zu 63 Stimmen gegen den ehemaligen nordelbischen Synodenpräsidenten Hans-Peter Strenge (64) durch.
Doch auch auf bewährte Spitzenkräfte wollte das Kirchenparlament nicht verzichten. Es stellte dem Synodenneuling Tietze mit der Wahl von Pastor Thomas Baum (Meldorf) und Elke König (Greifswald) in das Präsidium langgediente Kirchenprofis an die Seite. So gehörten Baum und König bereits dem Präsidium der Verfassunggebenden Synode der Nordkirche an und bekleideten zudem synodale Spitzenämtern in ihren ehemaligen Landeskirchen in Nordelbien und Pommern.
Tietze ist als stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen im schleswig-holsteinischen Landtag im Hauptberuf aktiver Politiker. Zudem ist er in weiteren Ausschüssen des Landesparlaments aktiv. Am Rande der Synode vereinzelt geäußerte Skepsis, ob er die gesamte sechsjährige Legislaturperiode im höchsten Nordkirchen-Ehrenamt wohl durchhält, widersprach er: "Ich strebe kein Spitzenamt in anderen Gremien an", sagte er dem epd. Die Skeptiker verwiesen darauf, dass der Spitzen-Grüne gerade eine verlorene Oberbürgermeister-Wahl in Kiel hinter sich hat.
Offenbar geht aber auch eine deutliche Mehrheit in der Synode davon aus, dass Tietze als Präses erste Wahl ist und durchhält. Dass frischer Wind derzeit eine große Chance bei den Protestanten in Norden hat, zeigt sich auch in der Zusammensetzung des Kirchenparlaments. Etwa die Hälfte der Synodalen sind Neulinge, waren zuvor in keiner Landessynode aktiv. "Der synodale Aufbruch ist gelungen", zog Tietze zum Abschluss der dreitägigen Tagung Bilanz. Zuvor hatte das Kirchenparlament synodale Ausschüsse gewählt und erste Kirchengesetze verabschiedet.
Dass sogar bei eher trockenen Gesetzeslesungen eine gute Stimmung in Lübeck-Travemünde zu beobachten war, bestätigte auch der Vorsitzende der Vorläufigen Kirchenleitung und Schleswiger Bischof Gerhard Ulrich: "Ich bin dankbar für die konstruktive Atmosphäre. Die Synodalen haben sich sachlich und engagiert in die ersten Debatten eingebracht." Schon jetzt sei zu erleben, dass die unterschiedlichen Biografien und Herkunftsorte eine große Bereicherung für die Landessynode und die Nordkirche insgesamt seien, sagte der Bischof.
Das wurde auch bei einem ernsten Thema deutlich. Einstimmig verabschiedete die Landessynode die Resolution "Stolpersteine gehören zu Greifswald". In dieser wird das jüngste Herausbrechen der Stolpersteine verurteilt, die an zwölf Greifswalder Opfer des Nationalsozialismus erinnern. "Die Landessynode nimmt mit Abscheu und Trauer die Schändung der Stolpersteine zur Kenntnis", heißt es in der Resolution.
Dass auch unterlegene Kandidaten in der Synode ihre zweite Chance bekommen, machte das Kirchenparlament ebenfalls klar. Strenge wurde in den Finanzausschuss gewählt, wo er neben dem ehemaligen schleswig-holsteinischen Finanzminister Claus Möller Sitz und Stimme haben wird. Die zweite Tagung der Landessynode findet vom 21. bis zum 23. Februar 2013 wieder in Lübeck-Travemünde statt. Auf dieser Tagung wird die erste Kirchenleitung der Nordkirche gewählt.