7. Oktober 2018 | Lindenhof, Pinneberg-Waldenau-Datum

Nichts ist verwerflich, was mit Danksagung empfangen wird

07. Oktober 2018 von Kirsten Fehrs

Predigt zu 1 Tim 4,4-5 anlässlich des Landeserntedankfestes Schleswig-Holstein

"Sorget euch nicht! Seid ihr denn nicht viel kostbarer als die Vögel am Himmel?" Was uns da aus dem Evangelium entgegen kommt, liebe Erntedankgemeinde, ist Hoffnungswort und Zukunftsmut. Denn: Schaut euch um, so fordert Jesus uns auf – schaut auf eure Familie, auf das, was Dir in Deinem Leben schon alles geschenkt wurde, schaut auf diese einmalige Gemeinschaft heute. Überall ist Gutes zu entdecken. Selbst wenn wir dieses Jahr nach großer Trockenheit eine wirklich schlechte Ernte zu beklagen haben, Erntedank ist und bleibt ein Fest des Guten. Gerade hier, in Lindenhof-Datum!

Ein „Mehr als Erntedank“ – Fest soll es sogar sein und ich bin sehr froh, mit Ihnen zu feiern und gleich üppig mit dem Danken anzufangen: Danke dem Ehepaar Ramcke, dass wir heute zu Gast sein dürfen. Danke der Kreuzkirchengemeinde und Pastor Schlotfeldt, danke der Landjugend für die schöne Erntekrone, aber natürlich auch dem großartigen Bürgerverein Waldenau – Herr Brammer und Herr Hilbert seien stellvertretend genannt. Nicht zu vergessen die wunderbare Musik des Männergesangvereins und der Posaunen und die vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer, die dieses große Fest hier zum 70. Mal möglich machen!

Gestern bei der Übergabe der Erntekrone in Hamburg sagte eine Landfrau zu mir: „Was glauben Sie, wie wichtig unsere Erntefeste sind! Mit Tracht und Tanz, Singen und Gemeinschaft. Wir hätten weniger Streit und Krieg, würden die Menschen mehr gemeinsam feiern und danken.“  Wie Recht sie hat! Hinschauen und aufmerksam sein für das Gute  – darin liegt ein Geheimnis des Friedens. Und ich schaue auf all das Gute auf dem wunderschön geschmückten Altar samt sagenhafter Bibel! Früchte des Feldes und gewissermaßen auch des Lebens sehen wir da. Es ist diese geerdete, sinnliche Feierlichkeit, die ich so mag. Schon als Kind. Ich komme ja aus Dithmarschen (das kann passieren :-) ) – und unabhängig davon, ob die Ernte gut ausgefallen war oder schlecht, hieß es immer mit tiefer Ehrfurcht: „Wi seggt di Dank, leeve Vadder.“ Denn wer wirklich mit der Erde in Berührung ist, weiß ja, wie wenig wir wirklich in der Hand haben. Dass wir zutiefst angewiesen sind auf ihn, der‘s wachsen lässt.

Daran erinnert auch unser Predigttext heute – der ganz kurz ist, aber umso eindrücklicher. „Denn alles, was Gott geschaffen hat, ist gut, und nichts ist verwerflich, was mit Danksagung empfangen wird; denn es wird geheiligt durch das Wort Gottes und Gebet.“

So steht es im 1. Timotheusbrief. Alles was Gott geschaffen hat, ist gut. Ein starker Satz. Was der bedeutet, mussten wir in den vergangenen Jahrzehnten erst wieder lernen – zum Beispiel, dass auch kleinste Lebewesen oder Organismen, die erst einmal schädlich scheinen, für die Balance in der Natur eine wichtige Rolle spielen. Als Nahrung etwa für andere Lebewesen. Alles, was geschaffen ist, ist gut – sieht man den größeren Zusammenhang. Dann ist man sogar geduldig mit den Wespen...

Die Landwirte unter uns sind ja seit jeher die Experten für diese Zusammenhänge vom Werden und Wachsen. Umso wichtiger ist es, dass auch in der Großstadt nicht nur die Kinder immer wieder erinnert werden, woher unsere Lebensmittel eigentlich stammen! Dass die Äpfel von Bäumen gepflückt werden, die man wiederum hegen und pflegen muss. Ja, dass es Baumschulen gibt mit einer Art Klassenzimmer für die Jungpflanzen – sie haben diesen Sommer besonders zu leiden gehabt. Dass die Milch nicht einem Tetrapack entspringt, sondern gemolken wird aus einer Kuh, der es gut gehen soll, weil sie ein lebendiges Wesen ist und keine Maschine.

Heutzutage wird diese sinnliche und empfindsame Seite von Erntedank immer wichtiger. Denn wir erleben ja, dass durch die Digitalisierung Arbeit nicht nur immer schneller  wird, sondern auch unverbundener und anonymer. Mit den Sinnen kaum noch zu erfassen. Ein Fingerwischen auf dem Display, und schon werden komplizierte Abläufe in Gang gesetzt. Man kann mit dem Handy einkaufen, die Bankgeschäfte regeln, die Hausheizung anstellen. Steuerungsvorgänge in der Industrie laufen über das Smartphone oder das Tablet – und erleichtern zweifellos auch die Arbeit in der Landwirtschaft. 

Und doch ist die Arbeit der Bäuerinnen und Bauern besonders. Denn sie ist nie nur technisiert. Sie hat direkt mit dem Leben zu tun, ja mit dem Wunder, wie das Leben überhaupt entsteht. Denn wie Leben wirklich wird und wächst und vergeht, das weiß auch Google nicht, das bleibt letztlich Geheimnis. Und wer dies hautnah erlebt wie Sie, behält immer eine gewisse Demut. Wissend, dass man Entscheidendes nicht beeinflussen kann. Und so war es ja in diesem Sommer doch arg wenig Regen… und schlechte Ernte.

Jüngst sprach ich mit einem 60-jährigen Landwirt, der echt verzweifelt war: über die Regenmassen bis ins Frühjahr, die langen Dürremonate, vor allem aber über die schwierigen Zukunftsaussichten. Keines seiner Kinder, obwohl entsprechend ausgebildet, will den Hof übernehmen. Mit welcher Perspektive auch? Die Überlebensfähigkeit der mittleren und kleinen Betriebe ist gefährdet, so viel einer auch arbeitet. Diese Sorge sollte uns gemeinsam umtreiben, liebe Gemeinde! Und da braucht´s zuallererst die Würdigung, was unsere Landwirte leisten – das kommt mir oft viel zu kurz. Wir müssen viel mehr würdigen, dass die Landwirte eben nicht allein Lebensmittelproduzenten sind, sondern auch unsere Landschaft pflegen. Und es braucht natürlich faire Preise und Bedingungen für die regionale Landwirtschaft.

Das ist kein abstrakter Wunsch an „die Politik“ und den Minister, lieber Herr Albrecht, sondern auf beides haben wir als Verbraucherinnen und Verbraucher unmittelbar Einfluss. Und dazu gehört eben, der Predigttext ist höchst aktuell, dass wir alles in den Blick nehmen, um die Zusammenhänge sichtbar zu machen. Wirtschaftlich. Persönlich. Global. Erntedank, das heißt eben: Für den vollen Teller auf meinem Tisch zu danken und gleichzeitig über den Tellerrand zu schauen. Auch an die Menschen etwa in Äthiopien zu denken, an die in diesem Jahr Brot für die Welt erinnert. Dort ist Dürre ohne Ende. 1 Milliarde Hungernde auf dieser Welt – und jeder und jede Deutsche wirft pro Jahr 82,6 Kilogramm Lebensmittel in den Müll! Die Welt ist aus dem Lot und der Klimawandel macht viele zu Verlierern, da gibt es keine Schönrederei. Dabei sollte eigentlich alles, was Gott geschaffen hat, dem Guten dienen!? Nicht nur in unserer kleinen Welt, sondern universal.

Denn: Nichts ist verwerflich. Der Timotheusbrief würdigt das Leben von Grund auf. Ja, er beschreibt es sogar als geheiligt, also übersetzt: unantastbar, wenn wir es würdigen. Auch das ist Erntedank: Danken für den Frieden in unserem Land und in Europa, so lange schon. Danken für das Miteinander in unserer Gesellschaft. Hingegen diese Abwertung, Demütigung, Fremdenhass, Spaltung – all das verletzt die Würde von anderen und ist zutiefst gottesfern. Punktum. Wichtiger Klartext, liebe Gemeinde, gerade jetzt in diesem Land. Erntedank ist der Gegenimpuls zu den vermeintlich Unzufriedenen, die mit menschenverachtenden Parolen pöbelnd auf die Straße gehen. Dagegen stehen wir von unserem Glauben her, vom Christentum mit seinem Blick aufs Ganze ein für Weltoffenheit, das geht gar nicht anders. Stehen für eine Haltung,  die entgegen all der Polarisierungen gerade aussteigt aus der Abgrenzung von hier „Gut“ und dort „Böse“.

Nein, nichts ist verwerflich, was mit Danksagung empfangen wird. Heißt ja: Nicht die Abwertung, sondern die Sprache der Anerkennung ermöglicht es, dass wir in Frieden leben. Das können wir alle erleben: Wer danke sagen kann, verwirft nicht. Sich selbst nicht und andere auch nicht. Wer danken kann für das gesunde Kind auf dem Schoß und den treuen Freund an der Seite, für überstandene Krankheit und überwundenen Streit, wer danke sagen kann, denkt nach. Der kann denken, dass es den anderen gibt – mit seinem und ihrem Menschenrecht auf Freiheit. Liebe. Brot. Und Würde, die unantastbar bleiben will und bleiben muss.

Nichts ist verwerflich –  würde man das danken bloß einmal denken, sagte kürzlich Annalena zu mir, eine von vielen Pfadfindern, die bei der Aktion „Verschwenden beenden“ mitmachen. Dabei retten sie Lebensmittel, die sonst weggeworfen werden. „Nach einer Rettungsaktion haben wir oftmals mehrere Kisten Brot, Obst, Gemüse oder sogar mehrere Kilo Süßigkeiten. Allein davon, was ein großer Supermarkt uns gab, konnten wir 100 Pilgerreisende mit einem  4-Gänge-Menü beglücken. Genau in diesem Moment bin ich meinem Traum von einer guten Welt ganz nah. Doch dann kommt der ernüchternde Gedanke: Was ist mit Morgen? Morgen werden in unserem Land wieder Tonnen von Lebensmittel weggeschmissen, das muss man doch ändern können!“ Diese jungen Menschen geben Hoffnung und Zukunftsmut. Weil sie zeigen: Wir bleiben dran. Auch morgen noch und übermorgen: Verschwenden beenden! Bitteschön!

Und wieder schaue ich auf diesen Altar mit den Früchten des Lebens. Es ist alles da, was wir zum Leben brauchen. Und viel mehr noch. Und es wird klar, wie privilegiert wir sind, oder? Wir haben allen Grund zu danken. Tiefen Grund. Und so ist Danken eben nicht nur Denken. Sondern ein tiefes Gefühl. Es möge Sie und Euch erfüllen, nicht nur heute, auch morgen. Beim Lachen der Kinder, ganz praktisch beim Gärtnern, beim Deutschlernen mit Flüchtlingen, im Begehren, in der Liebe, im Gebet. Überall dort, wo ich mich hinein-, ja hin-gebe. Da wächst Sinn und Segen. 

Und all das wird nicht aufhören, sagt Gott. Es wird nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Wachsen und Gedeihen. „All de goden Gaben kaamt her von Gott den Herrn;  so seggt em Dank  un glöövt an em!“

Sein Friede, höher als alle Vernunft, bewahrt jeden Augenblick unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Datum
07.10.2018
Quelle
Stabsstelle Presse und Kommunikation
Von
Kirsten Fehrs
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