15. April 2017 | Greifswalder Dom

Ostern: Das Leben siegt über den Tod

15. April 2017 von Hans-Jürgen Abromeit

Osternachtpredigt 2017 über Matth. 28, 1-10

Liebe Gemeinde,

„Dies ist die Nacht, die alles verändert!“ Mit diesen verheißungsvollen Worten habe ich Sie, die Sie sich spätabends vor dem Greifswalder Dom versammelt hatten, zur Feier der Osternacht in die Kirche eingeladen. Dann haben wir eine zunächst völlig dunkle Kirche betreten. Es ist für mich immer wieder ein merkwürdiges Gefühl, wenn so viele Menschen der einen brennenden Kerze in die Kirche folgen. Jedes Mal fürchte ich, dass jemand stürzt.

Aber die Augen gewöhnen sich an die Dunkelheit und finden Orientierung. Dreimal bleibt der Zug stehen. Der Vorsänger singt: „Christus, Licht der Welt!“ Die Gemeinde antwortet: „Gott sei Lob und Dank!“ Schließlich kommt der Menschenzug vorn in der Mitte der Kirche vor dem Hochaltar an und der Vorsänger singt ein uraltes Loblied, das aus dem vierten oder fünften Jahrhundert stammt. Es ist wohl im Umfeld von Bischof Ambrosius von Mailand entstanden. Es dreht sich alles um die Auferstehung von Jesus Christus, die alles verändert. Seine Kernzeile lautet: „Was nützte es uns, geboren zu werden, wären wir nicht erlöst!“

„Exsultet“, „es juble“, „es jauchze“, heißt dieses Lied nach seinem ursprünglich lateinischen Anfang. „Es jauchze die Schar der Engel im Himmel. Frohlocken sollen die göttlichen Mächte. Zum Triumph des Königs der Könige töne hell die Fanfare des Heiles.“ Die Jahrtausende alten Worte preisen Jesus als den Erlöser: „Dies ist die selige Nacht, in der Christus die Ketten des Todes zerbrach und aus der Tiefe als Sieger emporstieg.“ Wenn die Besucher des nächtlichen Gottesdienstes ihre Kerzen anzünden und der Dom schließlich im warmen Licht erstrahlt, erfahren sie mit allen Sinnen: „Dies ist die Nacht, die alles verändert!“

Die Osternachtfeier habe ich bereits als Jugendlicher kennengelernt. Es mag in den Jahren 1969 oder 1970 gewesen sein - im wunderschönen Altenberger Dom im Bergischen Land. Da war es für mich wie ein Wunder, am frühen Morgen beim aufgehenden Sonnenlicht diese wunderschöne Liturgie mitzufeiern. In den letzten Jahren erfreut sich die Osternachtfeier immer größerer Beliebtheit, gefeiert am Abend oder am frühen Morgen. Warum? Weil wir wissen: bei der Auferstehung Jesu und der Überwindung von Leiden und Tod, berühren wir Inhalte, die mit dem Verstand kaum zu fassen sind. Doch im Zusammenspiel von Wort und Gesang, im Erleben von Licht und Dunkelheit, werden Menschen auf einer tieferen Ebene angesprochen. In der christlichen Poesie des gesungenen Exsultet kommen die Tiefe, die Würde und der Reichtum der Erfahrungen von Generationen von Menschen überall auf der Welt zum Ausdruck, die gespürt haben: Diese eine Nacht ist anders als alle anderen Nächte.

In der Zeit / Christ und Welt vom Osterwochenende nennt Christina Rietz das Exsultet „eine betörende Verführung zum Glauben“. „Es macht die heiklen österlichen Geheimnisse durch Schönheit zugänglich.“[1] Denn in der Tat: Ostern treffen wir auf die Mitte des christlichen Glaubens. An Christi Kreuz und Auferstehung hängt der christliche Glaube. Dass Jesus von Nazareth gelebt hat und gestorben ist, muss ich nicht glauben. Das ist eine geschichtliche Tatsache, die kein objektiv arbeitender Historiker abstreiten wird. Aber dass der Tod Jesu nicht nur ein Justizmord ist, sondern eine tiefere Bedeutung hat, das hat schon mit Glauben zu tun. Christen glauben, dass durch den Tod Jesu Christi Sündenvergebung möglich wird. Wie kann der Tod eines Menschen für alle Menschen Bedeutung bekommen? Ist das überhaupt denkbar?

Es ist denkbar, wenn erstens mit Jesus von Nazareth nicht nur ein normaler Mensch gestorben ist, sondern wenn mit Jesus Gott auf dem Plan war. Dann hat Gott die Sünden aller Menschen auf sich gezogen und ist für die Schuld der ganzen Menschheit gestorben. Dann gibt es Sündenvergebung in einem umfassenden Sinn.

Aber diese hängt zweitens daran, ob Jesus im Tod geblieben ist oder ob er wieder auferstanden ist. Auferstehung meint nicht die Wiederbelebung eines Scheintoten. In meiner Fernsehzeitung steht, Jesus sei nach vielen Stunden im Koma dann wohl wieder aus diesem Koma auferwacht. Das sei Auferstehung. Das ist Blödsinn, denn dann muss Jesus ja irgendwann später erneut gestorben sein. Das bedeutet aber nicht Ostern.

Ostern heißt: Er ist nicht im Grab geblieben, sondern er ist auferstanden, auferstanden in ein völlig anderes Leben, das mit unserem Leben hier nicht vergleichbar ist.

Das haben auch die beiden Frauen erfahren, von denen wir im eben gesungenen Osterevangelium in Matthäus 28 gehört haben. Jesus lag gerade 36 Stunden im Grab (zwei Nächte und einen Tag), da gehen Maria Magdalena und – wie sie genannt wird - die andere Maria zur Begränisstätte. Sie wollen nach Jesus schauen, so wie Hinterbliebene eben das Bedürfnis haben, noch einmal zum Friedhof zu gehen. Dort erscheint vor ihnen, verbunden mit einer Erschütterung wie ein Erdbeben, „der Engel des Herrn“ – oder wie wir auch sagen könnten: „der Bote Gottes“. Diese Erderschütterung zeigt dem Menschen der Antike gleich an: Hier geschieht Außerordentliches.

Dieser Bote Gottes hat eine Botschaft für die beiden Frauen: „Fürchtet euch nicht! Ich weiß, dass ihr Jesus, den Gekreuzigten, sucht. Er ist nicht hier; er ist auferstanden.“ Sie sollen – fast als Beweis – sich das leere Grab anschauen und dann seinen Jüngern von der Auferstehung berichten. Als die Frauen sich auf den Weg machen, begegnet ihnen der auferstandene Jesus persönlich. Er wiederholt noch einmal den Auftrag, seinen Jüngern zu sagen, dass sie nach Galiläa gehen sollen. Dort werden sie Jesus begegnen.

So werden die beiden Marien Zeuginnen der Auferstehung Jesu, nein, besser Zeuginnen des Auferstandenen. Denn bei der Auferstehung selbst waren sie ja nicht dabei. Gott leistet sich damit etwas. Nach damaligen jüdischem Recht, galt die Aussage von Frauen vor Gericht nicht. Aber das war Gott offensichtlich egal. Er hat sich noch nie an menschliche Vorschriften gehalten. Zwei Frauen sind die ersten, die von dem grundstürzenden Ereignis der Auferstehung erfahren. Und sie erzählen es weiter. Damit beginnt etwas völlig Neues. Das Neue knüpft am Anfang an. Deswegen sollen die Jünger dahin gehen, wo sie Jesus kennengelernt haben, nach Galiläa. Aber es ist diese Osternacht, die alles verändert. Wir haben im Lobgesang gehört: „Dies ist die Nacht, in der Christus die Fesseln des Todes zerriss und aus der Tiefe als Sieger emporstieg. Was nützte es, geboren zu werden, wären wir nicht erlöst?“

Mit der Kreuzigung Jesu Christi ist nicht alles aus. Aber ohne die Auferstehung bleibt die Geschichte Jesu Christi unvollendet. Dass Jesus von Gott auferweckt worden ist, zeigt, dass Gott zu dem Gekreuzigten steht. Er hat ihn nicht im Tod gelassen. Die Auferweckung Jesu Christi von den Toten zeigt die unendliche Liebe des Vaters, von der Jesus zeit seines Lebens erzählte, und ist die Beglaubigung des Lebens Jesu, seiner Worte und seiner Taten. Darum ist die Auferweckung Jesu Christi von den Toten auch nicht nur seine Rückführung in das Leben, sondern der Beginn einer neuen Welt. Einer Welt, in der nicht mehr gelitten und gestorben werden muss und die wie die Morgendämmerung bereits in unsere Welt hineinscheint. Mit der Auferweckung Jesu Christi eröffnet Gott eine unbegrenzte Zukunft. Jeder, der an Jesus glaubt, darf sich darauf freuen, von Gott auferweckt zu werden.

Als junger Mensch hatte ich meine Schwierigkeiten mit dem Glauben an die Auferweckung Jesu Christi von den Toten. Ich war aber kein Atheist, ich glaubte an die Existenz Gottes und betete, zu Gott und zu Jesus Christus. Und ich erlebte immer wieder, dass Gott meine Gebete erhörte. Jesus Christus handelte also heute noch. Dann saßen wir im Jugendkreis zusammen und sprachen über die Auferstehung Jesu.

Ich besuchte ein mathematisch-naturwissenschaftliches Gymnasium und hielt viel von logischer Beweisführung. Eine Auferstehung Jesu konnte ich mir nicht vorstellen. „Tote stehen nicht auf! Das ist symbolisch zu verstehen. Die Sache Jesu geht weiter“, argumentierte ich. „Aber die Frauen am Grab und später die Jünger haben ihn doch gesehen! Und das Grab war leer“, antworteten meine Freunde. Mir leuchtete das nicht ein. Später ließ mir das keine Ruhe. Wenn ich Jesus persönlich immer wieder in meinem Leben erfuhr, dann musste er doch leben. Warum sollte Gott ihn dann nicht auferweckt haben? Mir wurde klar, dass ein lebendiger Christus voraussetzt, dass Jesus nicht im Grab geblieben ist. Manchmal geht die Erfahrung dem Verstehen voraus.

Am Ende siegt das Leben über den Tod. Der Tod hat nicht das letzte Wort, auch wenn es oft so aussieht. Weil Gott Jesus Christus auferweckt hat, dürfen auch wir auf unsere Auferstehung hoffen. Mag der Abgang aus diesem Leben manches Mal erbärmlich erscheinen, die Zukunft bei Gott wird herrlich sein. Das feiern wir Ostern. Denn: „Dies ist die Nacht, die alles verändert!“
Amen.

 

 


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