Pastor macht Hamburger Kirche zum Begegnungszentrum
24. Juli 2014
Hamburg. Im Stadtteil Veddel sind Menschen mit ausländischen Wurzeln deutlich in der Mehrheit, schwierige Voraussetzungen für eine christliche Volkskirche. Der Pastor vor Ort macht seine Kirche deshalb zu einem Begegnungszentrum – und bekommt Hilfe von „König Fußball“.
Im Nachhinein lässt sich ziemlich genau sagen, wann die Kirche auf der Veddel zu einer Art Kulturzentrum wurde. Es war im Juni 2012, die deutsche Fußballnationalmannschaft kämpfte um den EM-Titel, und Pastor Ulfert Sterz organisierte im Gemeindehaus ein Public Viewing. Die Veranstaltungen wurden zu einem Erfolg, es sprach sich herum in dem Hamburger Stadtteil, dass man im Gemeindehaus der Immanuelkirche prima Fußball schauen konnte.
Dass die deutsche Mannschaft so unterstützt wurde, ist nicht selbstverständlich, denn auf der Veddel haben 70 Prozent der Einwohner ausländische Wurzeln und sind den DFB-Kickern also nicht von Hause aus verbunden. Aber beim Fußball spielte die Nationalität keine Rolle mehr, es jubelten Menschen aus vielen Kontinenten und Religionen zusammen.
Die Geschichte von Pastor Sterz und der Veddel beginnt aber schon ein gutes Jahr vorher. Er kommt mit seiner Familie im April 2011 in Hamburg an – und ist erst einmal geschockt von seinem neuen Viertel: zum Beispiel von der Not, die er in einem der ärms-ten Hamburger Reviere jeden Tag hautnah mitbekommt. „Die Leute kamen und wollten einfach nur was zu essen haben“. Und auch von den Drogenproblemen und der hohen Diebstahlrate: „Man muss schon schauen, dass man seine Sachen wegschließt.“ Und natürlich auch davon, wie seine Kirche sonntags bei Gottesdiensten aussieht: ziemlich leer. Es verlieren sich weniger als zehn Besucher in der Immanuelkirche.
Gerade arbeiten sie an einem Theaterprojekt
Deshalb ist Pastor Sterz schnell klar: „Eine herkömmliche Volkskirche lässt sich in einem Viertel mit so vielen Problemen nicht etablieren.“ Also beschließt er, die Kirche auf der Veddel für die Einwohner auf der Veddel zu öffnen, unabhängig von Herkunft und Religion. Der Gemeinderat zögert zunächst, aber nachdem das Public Viewing zur EM ein Erfolg wird, steht er hinter dem Pastor und seinem offenen Kurs.
Und so können Sterz und Gemeindediakonin Uschi Hoffmann viele Angebote etablieren: „Auch mal mehr als 100 Leute“ kommen zur Musikkirche, die etwa alle zwei Monate in der Kirche aufgeführt werden. „Ungezwungen“ gehe es dort zu, berichtet Sterz. Deutsche Studenten sitzen dann neben Afrikanern oder Türken. Einmal pro Monat lädt die Gemeinde ein zum Sonntagsfrühstück, bei dem munter drauf los diskutiert wird. Für junge Leute auf der Veddel gibt es das Kinder-Kino, und wer sich für Kultur interessiert, kann Foto-Ausstellungen besuchen.
Gerade arbeiten Sterz und Hoffmann an ihrem größten Projekt: Es heißt „New Hamburg“, und entsteht in Zusammenarbeit mit dem Schauspielhaus. Das Theater förderte viele kulturelle Initiativen auf der Veddel, zum Beispiel einen Stadtteil-Chor, eine Biografie-Werkstatt, Schultheater und ein interkulturelles Orchester mit Flüchtlingen.Damit die Veddel-Bewohner im Herbst ein Theaterstück in der Kirche aufführen können, sind schon die Bänke entfernt und ein Teppich verlegt worden. Und im Gemeindehaus nebenan hat ein Stadtteil-Café unter dem Namen „Diakonis-tanbul“ eröffnet. Mit dem Namen des Projekts soll daran erinnert werden, dass zu Anfang des vorigen Jahrhunderts viele Deutsche ausgewandert sind und in Übersee neue Hamburgs gründeten.
Pastor Sterz verlässt die Veddel
Pastor Sterz dürfte das Projekt auch mit etwas Wehmut betreuen, denn mit „New Hamburg“ geht seine Arbeit auf der Veddel zu Ende. Seine Stelle wird gesperrt, weil die Gemeinde mit etwa 750 Mitgliedern deutlich zu klein ist. Verärgert ist Sterz darüber nicht, er sagt, er habe schon zu Anfang seiner Tätigkeit damit gerechnet, dass irgendwann Schluss sei. Wichtig sei ihm, dass Diakonin Hoffmann langfristig auf der Veddel arbeiten könne. Ohnehin sei er vom Kirchenkreis in seiner Arbeit gut unterstützt worden. „Sie sind immer aufgeschlossen gegenüber unserer Arbeit gewesen.“ Besondere Gelder für die besonderen Projekte hat es allerdings nicht gegeben.