Kanzel-Tausch

Predigten zum Mauerfall: „Gottes Wort befreit vom Duckmäusertum“

Kanzeltausch in der Nordkirche (v.l.): Die Bischöfe Gerhard Ulrich, Andreas von Maltzahn, Kirsten Fehrs, Hans-Jürgen Abromeit und Gothart Magaard (Archivfoto)
Kanzeltausch in der Nordkirche (v.l.): Die Bischöfe Gerhard Ulrich, Andreas von Maltzahn, Kirsten Fehrs, Hans-Jürgen Abromeit und Gothart Magaard (Archivfoto)© Jens Schulze / epd

09. November 2014 von Timo Teggatz

Schwerin. Mit einer besonderen Aktion hat die Nordkirche an den Mauerfall vor 25 Jahren erinnert. Die Bischöfe tauschten die Kanzeln und blickten auf die friedliche Revolution zurück – mit persönlichen Worten und mit einer Mahnung.

Mit einem zentralen ökumenischem Gottesdienst im Dom zu Schwerin haben die Nordkirche sowie die katholischen Erzbistümer Hamburg und Berlin am Sonntag (9. November) an die friedlichen Revolution in der ehemaligen DDR im Herbst 1989 erinnert. Die Bischöfe der Nordkirche predigten zudem bei einem Kanzeltausch in den Gotteshäusern ihrer Kollegen. Im zentralen Gottesdienst im Schweriner Dom hielten Landesbischof Gerhard Ulrich (Nordkirche) und der katholische Diözesanadministrator Ansgar Thim (Erzbistum Hamburg) eine gemeinsame Predigt. Das Wort Gottes befreie "von Duckmäusertum und Angst", sagte Ulrich mit Blick auf die Demonstranten, die vor 25 Jahren die friedliche Revolution einläuteten und in den Kirchen Zuflucht und Ermutigung fanden.

Thim verwies auf den damaligen Ruf der Mensch auf den Straßen: "Wir sind das Volk." Die mit diesen Worten verbundene gewaltlose Macht habe die Mauern eines Unrechtsstaates einstürzen lassen. "Wir glauben, dass Gott die Macht und den tatsächlichen Willen auch heute hat, seine frohe Botschaft gegen das Böse in dieser Welt durchzusetzen", betonte der katholische Theologe. Thim war damals Kaplan in Schwerin. "Mit vielen tausenden Demonstranten - mit Kerzen in der Hand, gestärkt durch das Friedensgebet - demonstrierten wir auf den Straßen", schilderte er die Ereignisse.

Bischof Magaard: "Es gibt auch eine Kälte in der Freiheit"

Nach den den Worten von Ulrich könne das Wort Gottes nicht eingemauert werden, "weil keine Mauer die Sehnsucht nach Recht und Freiheit und Schalom, Frieden, halten kann". Es befreie zu einer Haltung, "die den Aufstand wagt gegen allen Kleingeist, gegen Mitläufertum". Daran zu erinnern, sei dringend nötig, betont der evangelische Theologe und verwies auf Fremdenhass, Gewalt und Terror, Vertreibung und Mord.

Der Schleswiger Bischof Gothart Magaard predigte im Doberaner Münster (Mecklenburg-Vorpommern). Die deutsche Wiedervereinigung sei nicht ohne Schmerzen abgegangen, sagte er. "Der Bankrott eines real-existierenden Systems schafft nicht nur Gewinner. Es gibt auch eine Kälte in der Freiheit, die manchen frösteln ließ und lässt", mahnte der Bischof. Der Kapitalismus habe auch seine hässlichen Seiten.

In der Hauptkirche St. Jacobi in Hamburg predigte Gottfried Timm (SPD), ehemaliger Innenminister von Mecklenburg Vorpommern. Er erinnerte an den Abend des 9. November 1989, den er in der mecklenburgischen Kleinstadt Röbel am Ufer der Müritz erlebte. Als Pastor gehörte er dort zu den Organisatoren der Demonstrationen gegen die DDR-Führung, die dort immer donnerstags stattfanden. Über 3.000 Kinder, Familien und Ältere, Christen und viele Nichtchristen zogen durch die Dämmerung des Abends von der Marienkirche in das Stadtzentrum. Sie alle hätten gespürt, dass die SED-Diktatur aus den Fugen gerät, so Timm.

Rabbinerin spricht im Gottesdienst

Die Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs bezeichnete im Greifswalder Dom die friedliche Revolution als ein Wunder. "Jeder Mensch war doch im Innersten berührt und hat gefühlt, dass hier eine Macht wirkte, die das Menschliche sprengt", sagte sie. Fehrs gestaltete den Gottesdienst gemeinsam mit Dompastor Matthias Gürtler. Er war vor 25 Jahren in der friedlichen Revolution als Pastor in Eberswalde aktiv und gehörte zur Auflösungskommission der Stasi in Frankfurt/Oder. Die in den Kirchen gestartete Bewegung "Schwerter zu Pflugscharen" hatte nach seinen Worten erheblich dazu beigetragen, dass am 9. November die Mauer fiel.

Der Schweriner Bischof Andreas von Maltzahn verwies im Schleswiger Dom auf den biblischen Predigtext "Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit".  "Dieser Geist steht uns bei in den wichtigen Veränderungen, die vor uns liegen", so der Bischof. Er verwies auf die Energiewende und den Umgang mit Flüchtlingen. In dem Gottesdienst sprach auch die erste Rabbinerin Jerusalems, Ada Zavidov, aus der reformierten jüdischen Gemeinde Kehilat Har El. Sie ist Gast im Kirchenkreis Schleswig-Flensburg, der mit der Har El-Gemeinde eine Partnerschaft unterhält.

Auftakt zur Ökumenischen Friedensdekade

Die friedliche Revolution in der ehemaligen DDR wurde auch vom Greifswalder Bischof Hans-Jürgen Abromeit gewürdigt. Er predigte im Dom zu Lübeck zu einem Abschnitt aus dem Matthäus-Evangelium: "Selig sind die Sanftmütigen, denn sie werden das Erdreich besitzen." Es gehöre eine gehörige Portion Mut dazu, sanft zu sein angesichts mancher Formen von Gewalt, sagte der Bischof.

Die Gottesdienste waren zugleich Auftakt zur diesjährigen Ökumenischen Friedensdekade unter dem Motto "Befreit zum Widerstehen?. Während des Gottesdienstes im Schweriner Dom wurde auch zum Gedenken an die Reichspogromnacht am 9. November 1938 um vor der Schweriner Synagoge auf dem Schlachtermarkt eingeladen.

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