Ende der Schockstarre

Proteste gegen Rechtsextremisten im Nordosten der Republik

Demonstration gegen Rechtsextremismus (Archivbild).
Demonstration gegen Rechtsextremismus (Archivbild).© epd-bild, Matthias Schumann

13. August 2012 von Simone Viere

Greifswald. Es hat langsam angefangen. Am Samstagvormittag gegen elf Uhr ist auf der Landstraße zwischen Pasewalk und Viereck noch wenig Betrieb. Aber dann kommt ein Auto nach dem anderen, Fahrräder, Fußgänger. Um ein Uhr herrscht Gedränge auf dem Fahrradweg neben der Straße. Und um 13.30 Uhr sind es schließlich 2000 Menschen die auf die Fahrbahn treten, um eine Menschenkette gegen das "Pressefest" des rechtsextremen NPD-Organs "Deutsche Stimme" zu bilden.

Begleitet wurde die Menschenkette am Mittag zwischen Pasewalk und dem vier Kilometer entfernten Veranstaltungsort der Rechtsextremisten von minutenlangem Glockengeläut evangelischer Kirchen in umliegenden Dörfern. 1000 Sympathisanten der rechten Szene haben sich in Viereck zusammengefunden. "Auf diesen Tag habe ich 15 Jahre lang gewartet", sagt Günther Hoffmann. Hoffmann arbeitet für den Informationsdienst Neonazis in Mecklenburg-Vorpommern und beobachtet die rechte Szene seit Mitte der 1990er Jahre. "Die Veranstalter haben sich den Ort in der Überzeugung ausgewählt, dass sie hier keine Probleme haben werden."

Rechte Alltagskultur ist allgegenwärtig

Pasewalk, ganz im Süden Vorpommerns, gilt für viele in der rechten Szene schon als national befreite Zone. Hier liegt auch das Dorf Koblentz, wo die NPD bei den Landtagswahlen 2011 über 30 Prozent der Stimmen einfuhr. Im 17 Kilometer entfernten Löcknitz marschierten die Kameraden im Juni bei einem Festumzug mit – in SS- und Wehrmachtsuniformen und ohne dass jemand dagegen protestierte. NPD-Abgeordnete sitzen im vorpommerschen Kreistag und rechte Alltagskultur ist allgegenwärtig. Die Zivilgesellschaft, so schien es bislang, hat sich hier weitgehend zurückgezogen.

Nach der Menschenkette trifft Edith Bohl ihre Freunde auf dem Pasewalker Marktplatz: das Stadtfest ist Teil der bunten Proteste gegen die Rechten. "Ich bin überwältigt, ich hätte nie geglaubt, dass wir so viele werden", sagt sie. Die 19-Jährige Abiturientin kennt viele, die nicht mitgegangen sind, weil sie sich nicht getraut haben, ihr Gesicht zu zeigen. "Viele hier haben Angst mit ihrer Meinung alleine dazustehen", sagt sie, "das wird sich nun vielleicht ändern."

Aus der Landeshauptstadt reihten sich Landtagspräsidentin Sylvia Bretschneider(SPD) und Bildungsminister Mathias Brodkorb (SPD) in die Menschenkette ein – ansonsten machte sich die Schweriner Politprominenz eher rar. Doch unter den Organisatoren will sich am Samstagabend niemand so richtig darüber aufregen. Vielleicht weil die große Freude über die Beteiligung in der Region überwiegt.

Breit aufgestelltes Bündnis gegen Rechtsxtremismus

Benno Plassmann ist Sprecher des Aktionsbündnisses, einer breit aufgestellten Gruppe von Parteien, Verbänden, Gewerkschaften und Kirchen. Er sei mehr als zufrieden mit dem Ergebnis, sagt er. Das Aktionsbündnis gründete sich gerade mal vier Wochen vor dem angekündigten rechtsextremen Pressefest. 120 Menschen hätten sich spontan zusammengefunden. "Allen war die Erleichterung ins Gesicht geschrieben, im Kampf gegen rechts endlich nicht mehr allein zu sein", sagt Plassmann.

Das gilt offenbar auch für die Politik: 40 Bürgermeister unterzeichneten im Vorfeld der Aktion eine Unterstützungserklärung und gründeten am Samstag zum Auftakt der Proteste ein Bündnis um die "hiesigen neonazistischen Strukturen zurück zu drängen", wie es in einer Erklärung unter anderem heißt.

Das Problem mit den Rechtsextremen habe sich natürlich nach der erfolgreichen Menschenkette nicht erledigt, sagt Plassmann vom Aktionsbündnis. Nun soll es darum gehen, das Erreichte in den Alltag hinüberzuretten. Ein erstes Treffen hat er schon angesetzt: Das Aktionsbündnis trifft sich am kommenden Donnerstag um 16 Uhr in der Pasewalker Marienkirche.

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