Rendsburger Tafel startet in neuen Räumen durch
24. Februar 2015
Rendsburg. Die Rendsburger Tafel hat neue Räume bezogen, in der Lager und Ausgabestelle untergebracht sind. 50 Helfer versorgen jeden Tag 680 Menschen. Doch die wahre Zahl der Bedürftigen dürfte höher liegen.
„Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.“ – Der Rendsburger Propst Sönke Funck zitierte den Evangelisten Matthäus, um bei der Eröffnung der zentralen Ausgabestelle der Rendsburger Tafel auf den christlichen Hintergrund des kirchlichen Engagements in der Fürsorge für die Bedürftigen zu verweisen. Funck machte aber auch klar, dass es mit der Ausgabe von Lebensmitteln nicht getan sei, wenn man den „Armen Recht schaffen wolle“, wie es im Psalm 140 heißt. Es sei ein „Stachel im Fleisch der Gesellschaft“, so Funck, „dass so ein Ort überhaupt nötig ist“.
Jedes dritte der mehr als 4000 Kinder bis zu 14 Jahren in Rendsburg lebt statistisch betrachtet in Kinderarmut. Jeder fünfte der knapp 30 000 Einwohner der Kreisstadt hat Anspruch auf Sozialhilfe. Auf diese Zahlen verwies Bürgermeister Pierre Gilgenast, der ebenfalls zur Eröffnung der neuen Einrichtung des Diakonischen Werkes mitten im Rendsburger Stadtteil Rotenhof gekommen war. Gilgenast kennt sich aus in dem von zahlreichen Wohnblocks geprägten Viertel. Er wuchs nur knappe hundert Meter von dem Gebäude in der Bredstedter Straße 11 auf. „Das war damals unser Supermakt“, erzählt der fast 50-Jährige heute: „Und während meine Mutter die Lebensmittel einkaufte, verschwand ich immer in die Ecke mit den Spielsachen.“
Morgens kommen die Transporter
Spielsachen gibt es in dem flachen, weißen Bau heute nicht mehr, dafür wieder Lebensmittel. Jeden Vormittag herrscht in dem neuen Haus der Rendsbuger Tafel geschäftiges Treiben. Transporter schaffen die Ware heran: Spenden von insgesamt 49 Lebensmittel-Läden, die in Rendsburg und Umgebung die Arbeit der „Tafel“ unterstützen. Zahlreiche ehrenamtliche Helfer packen die Lebensmittel um in grüne Kisten und stellen sie für die Fahrer wieder bereit, die sie in die beiden anderen Ausgabestellen in der Stadt sowie in Osterrönfeld und Schacht-Audorf bringen.
Rund 50 Mitarbeiter – 45 von ihnen sind Ehrenamtliche – versorgen bislang 680 Menschen mit „Tafel“-Ausweis. Doch die Zahl der Bedürftigen wird deutlich höher eingeschätzt, wie Frank Hildebrandt klarstellt. Hildebrandt vertritt die insgesamt 59 „Tafeln“ in Schleswig-Holstein und Hamburg, und er schätzt, dass nur jeder zehnte Berechtigte die Hilfe der „Tafel“ in Anspruch nimmt. Diese Erfahrungen seien bundesweit gemacht worden und sicher auch auf Rendsburg zu übertragen. Es falle vielen Bedürftigen schwer, sich einzugestehen, auf fremde Hilfe angewiesen zu sein, so Hildebrandt. Zudem scheuten viele Bedürftige die Situation, von Bekannten dabei beobachtet zu werden, sich Lebensmittel bei der „Tafel“ zu holen.
Dem solle entgegengewirkt werden, meinte Propst Funck: Durch die weiten Fenster und die deutliche Beschriftung des Gebäudes könne das diakonische Handeln der „Tafel“ ausstrahlen. Auch Volker Siegling, „Tafel“-Koordinator bei der Kirchenkreis-Diakonie, unterstrich den positiven Effekt des Standortes: Mitarbeiter seien schon mehrfach von Passanten darauf angesprochen worden, wo und wie man einen „Tafel“-Ausweis bekommen könne. Und zudem hätten sich bereits neue Helfer beim „Tafel“-Team gemeldet, freut sich Siegling, weil sie auf das Gebäude aufmerksam geworden seien.
"Tafel ist anpacken!"
Diese neuen Helfer wird die „Tafel“ in ihrer neuen Ausgabestelle in Rotenhof sicher brauchen können. Vor dem offiziellen Eröffnungstag hatten bereits an zwei Freitagen zuvor Ausgaben stattgefunden: Am ersten waren 80 Personen gekommen, beim nächsten Mal wurden schon 115 Kunden gezählt.
Diesen Anstieg nannte Volker Siegling „bombastisch“ – erfreut über den gemeinsamen Erfolg des „Tafel“-Teams. Hatte die Arbeit an dem Projekt und in dem neuen Gebäude doch erst vor wenigen Wochen begonnen. „Tafel ist anpacken!“ lautete das Motto, so Siegling, und so schuf man in kurzer Zeit dieses Zentrallager und die Ausgabestelle. Doch niemals hätte er mit einem solchen Andrang gerechnet, so Siegling: „Das zeugt doch davon, dass sich die Leute hier wohl fühlen, wir ausreichend Ware haben und es sich rumgesprochen hat, dass wir jetzt hier erreichbar sind.“
Doch viel höher dürfte die Zahl der Kunden nicht mehr steigen, so Segling mit Blick auf seine ehrenamtlichen Helfer und die allwöchentlich zur Verfügung stehende Menge an Lebensmitteln: „Ich hoffe, dass nicht irgendwann so viele Kunden kommen, dass wir es nicht mehr packen.“