3. Dezember 2017 | Vater-Unser-Kirche Osdorf

„Unsere Kirchen sind ein Ort der Nächstenliebe“

03. Dezember 2017 von Gothart Magaard

Predigt zum 50jährigen Jubiläum der Vater-Unser-Kirche in Osdorf

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit Euch!

Liebe Festgemeinde hier in Osdorf,

herzlich grüße ich Sie in diesem Gottesdienst, mit dem wir das 50jährige Jubiläum der Vater-Unser-Kirche hier in Osdorf inmitten von vielen festlich-adventlichen Veranstaltungen in Ihrer Kirchengemeinde begehen. Ich freue mich über die Einladung, heute mit Ihnen zu feiern!

Liebe Schwestern und Brüder,

heute, am 1. Advent, möchte ich die Worte der vorgesehenen Epistellesung ins Zentrum meiner Predigt stellen. Ich lese noch einmal die Worte aus dem Brief des Apostels Paulus an die Römer:

Seid niemandem etwas schuldig, außer dass ihr euch untereinander liebt; denn wer den andern liebt, der hat das Gesetz erfüllt. Denn was da gesagt ist: „Du sollst nicht ehebrechen; du sollst nicht töten; du sollst nicht stehlen; du sollst nicht begehren“, und was da sonst an Geboten ist, das wird in diesem Wort zusammengefasst: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ Die Liebe tut dem Nächsten nichts Böses. So ist nun die Liebe des Gesetzes Erfüllung.

Und das tut, weil ihr die Zeit erkannt habt, dass die Stunde da ist, aufzustehen vom Schlaf, denn unser Heil ist jetzt näher als zu der Zeit, da wir gläubig wurden. Die Nacht ist vorgerückt, der Tag ist nahe herbeigekommen. So lasst uns ablegen die Werke der Finsternis und anlegen die Waffen des Lichts.“

Liebe Gemeinde,

„… denn unser Heil ist jetzt näher als zu der Zeit, da wir gläubig wurden. Die Nacht ist vorgerückt, der Tag ist nahe herbeigekommen.“ Wenn ich diese Worte des Apostel Paulus, voller Erwartung, ja: voller Nah-Erwartung höre, dann spüre ich, wie sehr an den Anfängen unserer Kirche die brennende, unruhige und bewegte Hoffnung auf die Wiederkunft Christi steht.

Das Gottesreich, das Jesus in Wort und Tat bezeugte, indem er Menschen aufrichtete, heilte, indem er Grenzen überschritt und Menschen mit auf den Weg zu einem anderen Leben nahm, dieses Gottesreich sollte sich nun vollenden – das war die Hoffnung, die Erwartung der Menschen.

Die ersten Häuser dieses Gottes waren darum keine imposanten Bauten. Man traf sich in den Wohnhäusern – denn wozu besondere Häuser bauen, wo man doch schon bald ganz und gar mit Gott rechnete? Damit, dass die Zeit der heiligen Schriften, der Priester und Propheten ein Ende haben würde und man Gott unverstellt sehen würde?

Die ersten Kirchen, liebe Schwestern und Brüder, waren Warteräume. Räume, in denen die Hoffnung lebendig war, in denen die Menschen sich zusammentaten, getragen davon, dass sie die Vollendung dieser Welt schon bald erleben würden. Warteräume des Glaubens.

Liebe Schwestern und Brüder, kann das ein Bild für unsere Kirchräume auch in unserer Zeit sein? Ein Bild hier für die Kirche in Osdorf und das Leben, das viele von Ihnen damit verbinden?

50 Jahre umfassen einen Zeitraum, in dem sich unsere Gesellschaft und Kirche, ja unsere Welt grundlegend verändert hat – und dieser Zeitraum ist in unserer Kirchengeschichte ja nur ein kleiner, ein verschwindend kleiner Zeitabschnitt.

500 Jahre liegt der Thesenanschlag Luthers zurück.

Mehr als 1.950 Jahre liegt die Abfassung jenes Briefes des Paulus an die Gemeinde in Rom zurück, aus dem der heutige Predigttext stammt.

Die Hoffnung der Menschen, der Christinnen und Christen, hat sich in diesen vielen Jahrhunderten verändert.

An die Stelle der Hoffnung auf die von Gott gewirkte Vollendung der Welt ist in manchen Zeiten die Angst von dem menschengemachten Weltuntergang getreten.

Das eschatologische Bureau hat heute zumeist geschlossen“, also das Büro der Theologie, das sich mit der christlichen Hoffnung für unser Leben und für diese Welt beschäftigt, hat der Theologe Ernst Troeltsch vor 100 Jahren festgestellt. – Und wie sieht es in unserer Zeit aus? Ist unsere Hoffnung lebendig?

Ich bin überzeugt davon, dass sie es ist. Sicherlich anders, als sie es zur Zeit des Paulus war, als man ganz konkret mit der bevorstehenden Wiederkunft Christi, und das auch noch in opulenten Bildern rechnete.

Doch bereits Paulus selbst gibt mir einen wesentlichen Hinweis auf dieses andere Warten, auf diese andere Hoffnung, die uns heute trägt. Er schreibt: „… was da sonst an Geboten ist, das wird in diesem Wort zusammengefasst: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“

Liebe Schwestern und Brüder, Menschen warten unterschiedlich. Wer je in einem Warteraum gesessen hat, konnte das beobachten. Manche voller Unruhe, andere gelassen. Wieder andere gelangweilt und noch einmal andere aufmerksam, mit Interesse für die Menschen, die auch noch da sind, genau in diesem Moment im Wissen darum, dass es nur eine Übergangszeit ist. Aber eben zugleich Lebenszeit, die kostbar ist, und die es wert ist, wirklich gelebt und nicht nur „ausgesessen“ zu werden. „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“

Wie warten Sie, liebe Gemeinde, hier in Osdorf? Wie gestalten Sie die Wartezeit, von der Paulus spricht?

Ich würde sagen: Sie haben es in den letzten 50 Jahren – und nicht nur in diesen – getan, indem Sie einander Anteil an Ihrem Leben gegeben haben. Indem Sie die frohen und schweren Momente des Lebens miteinander geteilt haben, hier in der Kirche und im Alltagsleben vor den geöffneten Kirchtüren.

Wie viele Geschichten von Taufen, Trauungen, Konfirmationen und  Abschieden könnte diese Kirche erzählen? Wie eng sind Familiengeschichten mit diesem Haus, dem Warteraum, der Teil der großen Geschichte Gottes mit uns Menschen ist, untrennbar verknüpft? Sie werden, so hoffe ich, in diesen Tagen Gelegenheit haben, einander daran Anteil zu geben. Und ich frage Sie: Gibt es heute Menschen, die vom Anfang erzählen könnten, die hier mitgearbeitet haben oder den Bau beobachtet und begleitet haben? In jedem Fall gilt mein Dank allen, die sich über die Jahrzehnte in dieser Gemeinde engagiert haben: Die Mitglieder der Kirchenvorstände und Kirchengemeinderäte, die hauptamtlichen und ehrenamtlichen  Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die Pastoren.

Ein Ort der Nächstenliebe sind unsere Kirchen. Menschen sind darin ganz und gar in der Gegenwart, sie lassen sich dort aufrichten, ermutigen, stärken und trösten. Aber sie lassen sich dort nicht vertrösten auf ein Morgen – und doch sind sie, sind wir darin zugleich auf die Zukunft Gottes ausgerichtet, die unserer Liebe und unserem Leben Sinn und Vollendung geben wird.

Gottes Zukunft ist doch recht verstanden nie eine nur jenseitige, sondern eine, die in jede Zeit dieser Welt hineinwirkt. Gottes Zukunft ist eine, die uns Christenmenschen einen Geist und Sinn haben lässt, der dem Pessimismus und der Angst in uns und um uns nicht das letzte Wort lässt – sondern sie Gott anvertraut, in dessen Händen Anfang und Vollendung dieser Welt liegen. Der Name dieser Kirche drückt dies in besonderer Weise aus „Vater unser Kirche“ : Gott, der uns begleitet wie ein fürsorglicher, liebender Vater, wird diese Welt nicht fallen lassen.

„… denn unser Heil ist jetzt näher als zu der Zeit, da wir gläubig wurden. Die Nacht ist vorgerückt, der Tag ist nahe herbeigekommen.“

Liebe Schwestern und Brüder, von der Nähe Gottes zu singen, zu erzählen, ihn anzusprechen und ins Gebet zu nehmen, sich von ihm ansprechen und ins Gebet nehmen zu lassen, das geschieht an diesem Ort – und darin sind die Menschen ganz und gar auf die Hoffnung ausgerichtet, die Gott uns schenkt. Eines der schönsten Bilder für die Zukunft Gottes findet sich im Gleichnis vom verlorenen, oder besser wiedergefundenen Sohn, das auf dem wunderbaren großen Rundfenster dieser Kirche zu sehen ist.

So und in genau diesem Sinne dürfen wir von Gott als Vater sehen – als der Sohn umkehrt, läuft ihm der Vater schon längst entgegen und sendet das entscheidende Zeichen: Nichts kann uns trennen, Du gehörst zu mir.

Ich bin da – heute und in Ewigkeit.

Amen.

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