Hilfe für Flüchtlinge

Urlesung: "Die Schutzbefohlenen" in der St. Pauli Kirche

Schauspielerin Patrycia Ziolkowska vom Thalia Theater mit Flüchtlingen in der St. Pauli Kirche  bei der Urlesung "Die Schutzbefohlenen".
Schauspielerin Patrycia Ziolkowska vom Thalia Theater mit Flüchtlingen in der St. Pauli Kirche bei der Urlesung "Die Schutzbefohlenen".© Simone Viere

23. September 2013 von Simone Viere

Hamburg. Es ist sehr still in der St. Pauli Kirche, obwohl mehr als 400 Menschen in ihr Platz gefunden haben – die meisten stehen, andere sitzen auf dem Holzboden, auf wenigen Stühlen und der Empore. "Bitte helfen Sie uns, Gott, bitte helfen Sie uns, unser Fuß hat Ihr Ufer betreten, doch wie geht es jetzt weiter? Fast hätte uns die See vernichtet, jetzt sind wir in dieser Kirche, doch wo werden wir übermorgen sein und danach?" liest Schauspielerin Patrycia Ziolkowska die bewegenden Zeilen aus Elfriede Jelineks "Die Schutzbefohlenen".

Zwölf Schauspieler des Hamburger Thalia-Theaters haben am Sonnabend, 21. September, gemeinsam mit einer Gruppe der afrikanischen Flüchtlingen, die seit Juni in der Kirche ein Unterschlupf auf Zeit gefunden haben, den jüngsten Text der Literaturnobelpreisträgerin als Urlesung präsentiert. Bereits eine halbe Stunde vor Einlass drängten sich viele Menschen vor der Kirche.

Urlesung mit Schauspielern und Flüchtlingen gemeinsam

Jelineks Text enstand ursprünglich anlässlich des Kirchenasyls in der Wiener Votivkirche, als im November und Dezember 2012 rund 60 Asylwerber das Gotteshaus besetzten. In der Hamburger St. Pauli Kirche wurde der gekürzte Text nun sehr lebendig. "Angst, Angst, Angst" riefen die Schauspieler und Flüchtlinge aus verschiedenen Ecken der Kirche und von der Empore herunter und fragten: "Wo werden wir übermorgen sein und danach? Wo?Wo?Wo?". Die Lesung konfrontierte die Besucher mit der Furcht und Ungewissheit, in der die Flüchtlinge leben müssen - mit ihrer Trauer um verlorene Freunde und Familienangehörige und ihrer der Hoffnung auf eine sichere Zukunft in Deutschland.

Auf der Flucht vor dem Bürgerkrieg in Libyen sind rund 300 Afrikaner in Hamburg gestrandet. 80 von ihnen bietet die Hamburger St. Pauli Kirche seit Juni eine Unterkunft. Einige wirkten bei der Urlesung aktiv mit, unter anderem auf Deutsch, Englisch und in ihren Muttersprachen. Auch Thalia Intendant Joachim Lux stellte sich auf die Bühne neben Flüchtling Andreas und übersetzte den Bericht von dessen lebensgefährlicher Flucht über das Mittelmeer nach Lampedusa.

Bewegende Bilder von der Flucht über das Mittelmeer

Ergänzt wurde der für die Inszenierung gekürzte Text auch durch mit dem Handy eines Flüchtlings aufgenommene Videoaufnahmen von dem Boot, mit dem er nach Europa kam und durch Elfriede Jelinek selbst, die via Tonaufnahme mitwirkte. Mit den Worten: "Wir sind gekommen, doch wir sind gar nicht da" beendete die Autorin die rund einstündige Lesung, für die es viel Beifall in der Kirche gab.

"Wir sind in einem Moment der Ohnmacht. Aber zusammen stehen wir auf", sagte Pastor Sieghard Wilm zum Abschluss. "Die Kirche gilt als ein Ort der Stille, das kann gut sein. Aber wir müssen in der Kirche auch manchmal laut sein, miteinander zusammen in der Stadt aufstehen. Danke dafür."

 

 

 

Wilm hatte Tags zuvor die über 1000 Gemeinden der Nordkirche während der Synodentagung in Travemünde zur Aufnahme von Flüchtlingen ermutigt. Viele Gemeinden wollten Flüchtlingen helfen, sagte er am vergangenen Freitag in einer Andacht auf der in Lübeck-Travemünde tagenden Nordkirchen-Synode. Dabei müssten auch Ängste überwunden werden, zum Beispiel vor Problemen mit der Nachbarschaft. 

Mut zur Aufnahme von Flüchtlingen

Die Synode der evangelischen Nordkirche hat eine gerechte und humanitäre Lösung für die Flüchtlingsfrage in Europa gefordert. Die europäische Abschottungspolitik müsse beendet werden, heißt es in einer mit großer Mehrheit beschlossenen Erklärung. Ein entsprechendes Bleiberecht müsse geschaffen werden. Der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein begrüßte das Kirchenwort. 

Hamburgs Bischöfin Kirsten Fehrs forderte eine politische Lösung für die Flüchtlinge. „Wir haben das Wort erhoben aufgrund unseres kirchlichen Auftrages und vermitteln, dass eine gute Lösung für die Lampedusa-Flüchtlinge gefunden wird.” Die Aussichten, mit dem Hamburger Senat eine zufriedenstellende Lösung zu finden, schätze sie aber als „nicht besonders rosig” ein. Synoden-Präses Andreas Tietze betonte, dass die Kirche in der Flüchtlingsfrage auch der Politik Orientierung geben müsse.

Unterdessen hat der Hamburger Senat erneut eine Sonderregelungen für die rund 80 Libyen-Flüchtlinge abgelehnt. Es werde in Hamburg "keine Situation geben, in der Männer mit unbekannten Namen und unbekannten Flüchtlingsschicksalen ein Aufenthaltsrecht bekommen", sagte Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) vergangene Woche dem "Hamburger Abendblatt". Eine Räumung der Kirche sei aber nicht vorgesehen.

Scholz: "Kirchen sind Schutzräume"

Kirchen seien Schutzräume, so Scholz. Das sei "eine gute Tradition, die wir achten". Ob weitere Kirchen ihre Türen für Flüchtlinge öffnen könnten, könne er nicht beurteilen. "Für mich ist der Respekt vor der Kirche als geweihtem Ort wichtig – mit Konsequenzen, die auch zu Ungereimtheiten führen können."

Veranstaltungen
Orte
  • Orte
  • Flensburg
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde Flensburg-St. Johannis
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Gertrud zu Flensburg
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Marien zu Flensburg
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Michael in Flensburg
    • Ev.-Luth. St. Nikolai-Kirchengemeinde Flensburg
    • Ev.-Luth. St. Petrigemeinde in Flensburg
  • Hamburg
    • Hauptkirche St. Jacobi
    • Hauptkirche St. Katharinen
    • Hauptkirche St. Michaelis
    • Hauptkirche St. Nikolai
    • Hauptkirche St. Petri
  • Greifswald
    • Ev. Bugenhagengemeinde Greifswald Wieck-Eldena
    • Ev. Christus-Kirchengemeinde Greifswald
    • Ev. Johannes-Kirchengemeinde Greifswald
    • Ev. Kirchengemeinde St. Jacobi Greifswald
    • Ev. Kirchengemeinde St. Marien Greifswald
    • Ev. Kirchengemeinde St. Nikolai Greifswald
  • Kiel
  • Lübeck
    • Dom zu Lübeck
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Aegidien zu Lübeck
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Jakobi Lübeck
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Marien in Lübeck
    • St. Petri zu Lübeck
  • Rostock
    • Ev.-Luth. Innenstadtgemeinde Rostock
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde Rostock Heiligen Geist
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde Rostock-Evershagen
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde Rostock-Lütten Klein
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Johannis Rostock
    • Ev.-Luth. Luther-St.-Andreas-Gemeinde Rostock
    • Kirche Warnemünde
  • Schleswig
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde Schleswig
  • Schwerin
    • Ev.-Luth. Domgemeinde Schwerin
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Nikolai Schwerin
    • Ev.-Luth. Petrusgemeinde Schwerin
    • Ev.-Luth. Schloßkirchengemeinde Schwerin

Personen und Institutionen finden

EKD Info-Service

0800 5040 602

Montag bis Freitag von 9-18 Uhr kostenlos erreichbar - außer an bundesweiten Feiertagen

Sexualisierte Gewalt

0800 0220099

Unabhängige Ansprechstelle für Betroffene von sexualisierter Gewalt in der Nordkirche.
Montags 9-11 Uhr und mittwochs 15-17 Uhr. Mehr unter kirche-gegen-sexualisierte-gewalt.de

Telefonseelsorge

0800 1110 111

0800 1110 222

Kostenfrei, bundesweit, täglich, rund um die Uhr. Online telefonseelsorge.de

Zum Anfang der Seite