10. Juli 2016 | MV-Tag Güstrow

Was braucht‘s zum Leben?

10. Juli 2016 von Andreas von Maltzahn

7. Sonntag nach Trinitatis, Ökumenischer Gottesdienst auf dem Mecklenburg-Vorpommern-Tag in Güstrow, Predigt zu Joh 6, 1-3

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

Was braucht‘s zum Leben? Die Antworten auf diese Frage können so unterschiedlich sein: Wer sich einsam fühlt, wird sich menschliche Nähe wünschen. Kinder, die in schwierigen Verhältnissen aufwachsen, brauchen erstklassige Kindergärten und Schulen. Menschen auf der Flucht vor Krieg und Verfolgung sehnen sich nach einem sicheren Ort. Vermutlich brauchen wir alle ein Stück Heimat.

Heimat – was ist das? In Vorpommern wurden Menschen befragt, was sie mit ‚Heimat‘ verbinden. In der Klasse 4a der Loitzer Grundschule antworteten die Kinder unter anderem: „Weihnachtsduft, Gurken, Döner.“ Tja, nun wissen wir endlich, wo der Döner wirklich erfunden wurde. 

Was braucht‘s zum Leben? Befragen wir die eben gehörte Geschichte von der Speisung der 5000, dann kommt es zunächst einmal darauf an, wach zu sein, achtsam und gespannt darauf, was das Leben noch sein könnte. Viele Leute waren aufmerksam geworden auf diesen Jesus aus Nazareth, der Zeichen setzte: Menschen wurden in der Begegnung mit ihm gesund an Leib und Seele. Ihr Leben verwandelte sich. Die Leute sahen und hörten das. Sie spürten auf einmal: Das Leben könnte so viel mehr sein... Mehr als Mühe und Arbeit, mehr als Alltag und ein wenig Zerstreuung – ein erfülltes Leben eben. So gingen sie Jesus nach, Alte und Junge, Mütter mit ihren Kindern. Sie hofften darauf, etwas zu erleben, etwas zu lernen, was auch ihr Dasein veränderte. Wach sein, gespannt darauf, was das Leben noch sein könnte...

Das Passa-Fest war nahe, erzählt Johannes in seinem Evangelium – Passa, das jüdische Fest der ungesäuerten Brote, an dem man sich an den Auszug aus der Knechtschaft Ägyptens erinnerte. Bei unserer Speisungsgeschichte geht es also um mehr als um die Sättigung vieler hungriger Münder. Es geht um Befreiung -
Befreiung aus dem, was uns unfrei hält:
- wenn ich anders sein möchte, es aber nicht schaffe;
- wenn ich mich verrannt habe, aber keinen Weg herausfinde;
- wenn ich erstarrt bin in Gewohnheit und täglichem Einerlei, aber wieder lebendig sein möchte – das Leben muss nicht bleiben, wie es ist.

Das können Menschen erleben, wenn sie sich auf Christus einlassen.

Es geht also um einen doppelten Hunger – den Hunger der Seelen ebenso wie den Hunger der Mägen. Wie aber kann der gestillt werden?

Bertolt Brecht hatte wohl nur zur Hälfte recht, als er meinte: Erst kommt das Fressen, dann die Moral. Vielleicht braucht es in unserer Zeit etwas mehr Moral, damit alle etwas zu beißen haben – bei uns und in der weiten Welt. Es muss uns beunruhigen, dass in unserem vergleichsweise reichen Land Lebensmittel-Tafeln und Suppenküchenwachsenden Zulauf haben; vom Hunger in Afrika und in Flüchtlingslagern ganz zu schweigen!

Jesus jedenfalls spielt den einen Hunger nicht gegen den anderen aus. Er kümmert sich um beides. Aber wie soll das gehen für so viele? Brot für zweihundert Denare reicht nicht aus, so rechnet einer der Jünger vor. Sehr viel Geld! Geld, das sie nicht haben! Aber manchmal braucht es einfach einen anderen Blick. Jemand hat einmal den guten Satz geprägt:

„An Christus glauben heißt nicht, einen Satz für wahr halten. Es heißt, seinen Blick auf die Welt lernen.“

Jesu Blick auf die Welt lernen: In unserer Geschichte heißt das, einen kleinen Jungen mit seinen sehr überschaubaren Möglichkeiten wahrzunehmen. Fünf Gerstenbrote und zwei Fische trägt er mit sich. ‚Was ist das schon für so viele?‘ Doch Jesus nimmt es, dankt Gott dafür und lässt Brote und Fische austeilen. Und es reicht für alle. Am Ende sind zwölf Körbe übrig.

Wie das gehen soll, wenn doch für die beiden Fische und die fünf Brote des Anfangs wahrscheinlich ein einziger Korb genügt hätte? War es das Beispiel des Teilens, das ansteckend gewirkt hat – dass alle, die etwas auf den Weg mitgenommen hatten, es nicht für sich behielten, sondern es hervor holten und es freimütig teilten? Oder war es die Wunderkraft Gottes, die Vermehrung der Speise bewirkte?

Für mich kann das heute getrost offen bleiben. Wichtig ist mir, den richtigen Blick zu lernen: Bleibe ich gefangen im Blick auf den Mangel? Oder bekomme ich in den Blick, was da an Möglichkeiten ist? Lasse ich mich entmutigen durch die fehlenden 200 Denare, oder lerne ich, die Brote und Fische zu sehen, die immerhin ein Anfang sind?

Manch Förderverein hat so begonnen: Kaum Eigenkapital war da, aber Hoffnung und der Wille, etwas zu bewegen. Und wie viel haben sie schon angeschoben in unserem Bundesland: Soziale Initiativen wurden gestartet, die Menschen beistehen in ihrer Not; Kirchen vor dem Verfall bewahrt; eine Konzertlandschaft entwickelt, die Einheimische und Touristen gleichermaßen erfreut. Ich finde, trotz materieller Grenzen ist unsere Gesellschaft reich an Möglichkeiten:

- Denken wir nur an die Hilfsbereitschaft nach dem Tornado, der Bützow im letzten Jahr getroffen hat: Wie viele kamen, um anzupacken, nahmen sich sogar Urlaub, um mit dabei zu sein!

- Denken wir an die vielen, vor allem jungen Leute, die auf einmal da waren, als die Flüchtlinge eine Bleibe und etwas zu essen brauchten! Viele, gerade auch unter den Älteren sind auch jetzt noch aktiv, haben Patenschaften übernommen, kümmern sich darum, dass das Einleben gelingt.

- Denken wir an das vielfältige ehrenamtliche Engagement landauf, landab in Sportvereinen, in der Kommunalpolitik, in Kirchgemeinden. Wie arm wäre unser Land ohne diese Einsatzfreudigen!

- Vergessen wir genauso wenig jene, die sich beruflich einsetzen für andere – zum Beispiel in Einrichtungen von Caritas und Diakonie, aber auch Ämtern oder der Polizei –, die mit Hingabe für andere da sind und oft genug arbeiten bis an die Grenzen der Kraft.

Ich weiß, es gibt auch die andere Seite unserer Gesellschaft. Aber wollen wir uns entmutigen lassen durch Mangel oder Destruktivität? Nein, lasst uns Menschen der Hoffnung sein! Menschen, die die Möglichkeiten sehen – und seien sie noch so unscheinbar!

Ich bin überzeugt: Gerade jetzt, in unserer sich mehr und mehr polarisierenden Gesellschaft braucht es Menschen der Hoffnung,
die das Verbindende suchen, wo Gräben sich vertiefen,
die neu zuhören, wo man einander schon abgeschrieben hat,
die versachlichen und ermutigen, wo Verunsicherung geschürt wird,
die Unrecht beim Namen nennen, wo es verschleiert wird,
denn wir wissen: In Wahrhaftigkeit und Friedfertigkeit liegt befreiende Kraft.

Menschen der Hoffnung braucht es in unserer unruhigen Zeit,
die Verantwortung übernehmen, wo Menschen in Not sind,
die Verantwortliche stärken, wo es keine einfachen Lösungen gibt,
die einstehen für ihre Zuversicht, wo lauter Gefahren gemutmaßt werden,
denn wir wissen: Hoffnung „ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht,
sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat
“ (Vaclav Havel).

Menschen der Hoffnung braucht es,
die ihre Geschichte erinnern und darum die nationalistischen Fehler der Vergangenheit vermeiden,
die Selbstbewusstsein gewinnen nicht durch Abgrenzung, sondern aus Verbundenheit,
die sich in ihren Glauben vertiefen
und zugleich gespannt sind auf Gottes Spuren im Leben der Anderen,
denn wir wissen: Nichts kann uns trennen von der Liebe Gottes.   

Schwestern und Brüder, das lohnt das Leben – Menschen der Hoffnung zu sein! Es bereichert uns alle, wenn wir uns einsetzen für Zusammenhalt und gerechtere Verhältnisse. Es bereichert unsere Gesellschaft, wenn wir Gottes Blick auf die Welt erlernen: wach für die Nöte der Menschen, wach für die Möglichkeiten, die da sind. Das lohnt das Leben, und zugleich es befreit uns von der Angst, zu kurz zu kommen. Wach sein, gespannt darauf, was wir mit Gott erleben können, wofür er uns braucht – auf diesem Weg werden wir die Fülle des Lebens erfahren.

Amen.

Veranstaltungen
Orte
  • Orte
  • Flensburg
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde Flensburg-St. Johannis
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Gertrud zu Flensburg
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Marien zu Flensburg
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Michael in Flensburg
    • Ev.-Luth. St. Nikolai-Kirchengemeinde Flensburg
    • Ev.-Luth. St. Petrigemeinde in Flensburg
  • Hamburg
    • Hauptkirche St. Jacobi
    • Hauptkirche St. Katharinen
    • Hauptkirche St. Michaelis
    • Hauptkirche St. Nikolai
    • Hauptkirche St. Petri
  • Greifswald
    • Ev. Bugenhagengemeinde Greifswald Wieck-Eldena
    • Ev. Christus-Kirchengemeinde Greifswald
    • Ev. Johannes-Kirchengemeinde Greifswald
    • Ev. Kirchengemeinde St. Jacobi Greifswald
    • Ev. Kirchengemeinde St. Marien Greifswald
    • Ev. Kirchengemeinde St. Nikolai Greifswald
  • Kiel
  • Lübeck
    • Dom zu Lübeck
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Aegidien zu Lübeck
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Jakobi Lübeck
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Marien in Lübeck
    • St. Petri zu Lübeck
  • Rostock
    • Ev.-Luth. Innenstadtgemeinde Rostock
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde Rostock Heiligen Geist
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde Rostock-Evershagen
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde Rostock-Lütten Klein
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Johannis Rostock
    • Ev.-Luth. Luther-St.-Andreas-Gemeinde Rostock
    • Kirche Warnemünde
  • Schleswig
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde Schleswig
  • Schwerin
    • Ev.-Luth. Domgemeinde Schwerin
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde Berno Schwerin
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Nikolai Schwerin
    • Ev.-Luth. Petrusgemeinde Schwerin
    • Ev.-Luth. Schloßkirchengemeinde Schwerin
    • Ev.-Luth. Versöhnungskirchengemeinde Schwerin-Lankow

Personen und Institutionen finden

EKD Info-Service

0800 5040 602

Montag bis Freitag von 9-18 Uhr kostenlos erreichbar - außer an bundesweiten Feiertagen

Sexualisierte Gewalt

0800 0220099

Unabhängige Ansprechstelle für Betroffene von sexualisierter Gewalt in der Nordkirche.
Montags 9-11 Uhr und mittwochs 15-17 Uhr. Mehr unter kirche-gegen-sexualisierte-gewalt.de

Telefonseelsorge

0800 1110 111

0800 1110 222

Kostenfrei, bundesweit, täglich, rund um die Uhr. Online telefonseelsorge.de

Zum Anfang der Seite