Diskussion im Netz

Was ist eigentlich #DigitaleKirche?

Kirchenfenster, Richterfenster im Kölner Dom
Kirchenfenster, Richterfenster im Kölner Dom© fotolia.de/E. Schittenhelm

08. Mai 2017 von Lena Modrow

Eine Suchmaschinen-Abfrage verrät: Hinter dem Hashtag #DigitaleKirche versteckt sich eine Diskussion um die Digitalisierung in der Kirche, die offenbar immer größer wird. Was aber wird darunter verstanden und wie fing es an? Eine Spurensuche.

Eine Internetkirche gibt es schon - in den USA: Mehr als 20 Millionen Mitglieder soll die "Church of Life" bereits aufgenommen haben und nur virtuell funktionieren. Per E-Mail kann man Mitglied werden und sich sogar selbst trauen. Jeder ist somit sein eigener Pfarrer. Ein solch praktisches Konzept lässt sich unter dem Suchbegriff #DigitaleKirche nicht finden. Doch die Idee ist der Netzgemeinde nicht völlig fremd.

Meint #DigitaleKirche das Priestertum aller?

So richtig Fahrt nahm die Diskussion unter dem Hashtag #DigitaleKirche mit einem Artikel in „Christ & Welt“ im März dieses Jahres auf: „Und wie wir wandern im finstern Digital" von Journalist Hannes Leitlein.

Darin kritisiert er: Wenn Martin Luther nicht die Medienrevolution seiner Zeit - den Buchdruck - genutzt hätte, wären seine Thesen verpufft. Zur digitalen Revolution verhalte es sich nun anders: „Nur die evangelische Kirche scheint zu betäubt von Austrittszahlen und Sparmaßnahmen zu sein, um die Revolution, die um sie herum geschieht, zu bemerken und sich ihrer zu bedienen.”

Sein Plädoyer: Wenn man die sozialen Medien nutzt, sollte man auch verstehen: Es geht nicht nur darum zu verkünden, sondern auch auf Augenhöhe zu interagieren. „Erst durch die Digitalisierung wird ein protestantischer Kerngedanke technisch möglich: das Priestertum aller”, schreibt Leitlein. (Worauf ihm Niklas Schleicher im Netzwerk Theologie auch theologisch widerspricht.)

Sich nicht auf die Digitalisierung einzulassen, sei gestrig alt und unbeweglich - dabei gebe es gerade für eine Kirche genügend Ansätze, die digitale Gegenwart theologisch zu deuten und sich auch mit ihrer Ethik in allen Facetten auseinanderzusetzen.

Jonas Bedford-Strohm: Digitalisierung kann nicht per Dekret von oben verordnet werden

Zwei Wochen später gibt der Journalist Jonas Bedford-Strohm, Sohn des EKD-Ratsvorsitzenden, in „Das Digital muss blühen” (ebenfalls in Christ & Welt) Leitlein zumindest in Teilen recht: Die institutionellen Kirchen in Deutschland hätten sich bisher nicht gerade als "early adopters" hervorgetan. Doch seine Analyse greife zu kurz.

Er schreibt: „Das 'Priestertum aller Gläubigen' heißt dann nicht nur, dass Möglichkeiten der Vernetzung und Beteiligung im digitalen Raum wahrzunehmen sind. Es bedeutet eben auch, dass die Digitalisierung nicht per Dekret von oben verordnet werden kann.”

Eine der Lösungen sieht Jonas Bedford-Strohm darin, die versteckten digitalen Talente der Freiwilligen in den Gemeinden zu schätzen und besser zu nutzen. Das gehe jedoch nur, wenn Alt und Jung sich nicht gegeneinander ausspielten.

Diese Punkte spielen auch in der Replik "Und ob wir schon wandern im Digital" von Pfarrer Christoph Breit, Beauftragter für Social Media und Networkmanagment bei der Pressestelle der Evangelischen Kirche in Bayern eine Rolle. Sein Fazit auf dem Projektblog "elkb2punkt0": Die Kirche fängt nicht bei Null an. Aber sie müsse noch stärker darauf setzen, in der "Timeline" ihrer Mitglieder vorzukommen. "Kirche, die nur sendet und ansonsten – schönes Wortspiel von Leitlein -  „Empfängnisverhütung“ betreibt, kommt in der digitalen Welt nicht vor. Ganz einfach. Und immer schon", schreibt Breit.

Hanno Terbuyken verordnet Pflichtlektüren zur re:publica

Was ist also #DigitaleKirche? Eine rege Beteiligung in den sozialen Medien? Gut strukturierte Webseiten? Gottesdienste im Netz (zum Beispiel wie dieser aus Bayern)? Die Frage ist nicht abschließend geklärt. Kurz vor der re:publica, der größten europäischen Internet- und Blogger-Konferenz, weist Hanno Terbuyken, Chefredakteur von evangelisch.de, auf zwei weitere Texte hin, die seiner Meinung nach Pflichtlektüre seien: „Dieses Ding mit der Digitalisierung” von Pfarrerin Friederike Erichsen-Wendt, sowie „Wie hast du's mit dem Digital?”  aus dem Blog von Mara Wandelbar, die unter anderem Redakteurin bei theologistudierende.de ist.

Erichsen-Wendt: Es gewinnt, wer unter digitalisierten Bedingungen entscheidungsfähig bleibt

Dass der Begriff Digitalisierung allein nicht ausreichend mit Inhalt gefüllt ist, kritisiert Erichsen-Wendt, und das mache das Wort auch zu einem Angstbegriff. „Mich beschäftigt die Frage, ob uns die Spaltung der (innerkirchlichen) Diskussionen in die vehemente Digitalisierungsskeptiker und -befürworter nicht mehr schadet als nutzt”, schreibt sie - und spricht damit also ein ähnliches Generationen-Problem an wie Jonas Bedford-Strohm.

Erichsen-Wendt geht jedoch stärker psychologisch-philosophisch an die Problematik heran: Die fehlende Selbstbestimmung bei der Digitalisierung, die zunehmend alle Lebensbereiche durchdringe, führe zu der Frage, wer noch Subjekt und Objekt sei und ob diese Einteilung nicht sowieso zu kurz greife.

Ihr Fazit: „Es gewinnt, wer entscheidungsfähig ist und unter digitalisierten Bedingungen auch bleibt”. Es gehe nicht nur darum „christlichen Content” zu generieren. Menschen sollte „wohl auch eine Hilfe gegeben angeboten sein zu entscheiden, wie sie - aus Sicht eines christlichen Weltverständnisses und Menschenbildes - wahrnehmen und verstehen, was sie ohnehin erleben.”

Dies geht in eine ähnliche Richtung wie  Hannes Leitleins Kritik: In den neuen Medien soll nicht nur weiter verbreitet, sondern die Dinge auch diskutiert und Antworten gegeben werden.

Mara Wandelbar: Gewonnen ist wenig, wenn der Fokus starr auf Kirche(n) liegt

Das beschäftigt auch Mara Wandelbar in „Wie hast du's mit dem digital?”. 

Sie fragt: Warum liegt der Fokus auf dem Zusammenbringen von Kirchen und Internet? Für sie erscheint das als ein verzweifelter Versuch, "zur vielbesuchten Volkskirche" zurückzukommen. Ihrer Meinung nach solle es bei der Formulierung konkreter Erwartungen und Pläne in Sachen Digitalisierung nicht darum gehen, überholte Hierarchien und Deutungs- bzw. Steuerungshoheiten weiter zu festigen, denn gerade das Internet biete verflachte Hierarchien, die nicht an die Institution angepasst werden sollten.

„Gewonnen ist wenig, wenn der Fokus starr auf den Kirche(n) liegt, denn gewissermaßen sind auch sie ein mögliches Medium unter vielen, durch und in dessen Rahmen etwas vermittelt werden kann. (...) Kirchen sind hierbei als ein Medium unter vielen zu verstehen, sie sind nicht (mehr) das einzige Medium, das solche Inhalte kommuniziert und dementsprechend das Kommen und (Zu-)Hören aller Menschen sicher hat (zum Glück)", so die These.

Kanäle wie Twitter, Facebook oder Blogs seien relative Schutzräume, in denen Dinge, die einem "irgendwie fremd" seien, relativ frei von Konventionen und Deutungshoheiten diskutiert werden könnten. Und da sei die Kirche, vielmehr der Glaube, schon angekommen: Dort werde er mitgeteilt und ausgelebt. „Vielleicht sollte die Debatte um 'digitale Kirche' genau das im Blick haben, hinhören und diese, statt Strategiepapiere für Rettungsversuche, Struktur- und Hierarchiebedürfnissen der bereits vom System gehörten und privilegierten auf dem Reißbrett zu entwerfen.”

#DigitaleKirche als Form der Kommunikation

Aus diesen Texten lässt sich als Quintessenz formulieren: Glaube und Gott sind im Internet schon vorhanden (als eine "innere Kirche", wie Hanno Terbuyken schrieb), ohne das Zutun von Kirchen, da dies grundsätzliche Fragen sind, die im Netz auch so schon diskutiert werden. Das Internet soll nicht nur als weiterer Verbreitungskanal, als "Mittel zum Zweck" gesehen werden, sondern Diskussionen auf Augenhöhe aufnehmen, da sonst eine Digitalisierung in der Kirche nicht funktionieren kann. Nach diesen Texten ist #DigitaleKirche eine Form der Kommunikation, die über verschiedene Kanäle und Plattformen im Internet stattfindet, die aber gleichzeitig an sich eine Hilfe und eine Konstante in einer sich im Umbruch befindlichen Welt darstellt. Dies stellt einen möglicherweise nicht auflösbaren Widerspruch dar: Wie kann etwas, das seine Deutungshoheit ein Stück weit aufgeben soll, gleichzeitig eine Instanz sein, die Worte formuliert, an denen man sich festhalten kann? Aber ebenso wichtig: Wie kann diese Form von Kommunikation praktisch umgesetzt werden?

Die Kirche muss nicht nur sprachfähig im Netz sein, sie muss auch gehört werden

Auf der Landessynode im November vergangenen Jahres wurde das Thema „Kommunikation des Evangeliums in der vernetzten Welt als Herausforderung für die Nordkirche“ als Schwerpunkt gewählt. Denn: „Zu selten und zu disparat werden kirchliche Angebote im Netz wahrgenommen“, wie Internetbeauftragte Doreen Gliemannin diesem Zusammenhang festhielt. „Schwer wiegt auch, dass die  Kirche sich nicht richtungsgebend und wertebildend in den massiven Digitalisierungsprozess der Gesellschaft einbringen kann.“

So werde der aktuelle Diskurs über Datensicherheit, Netzneutralität, digitale Emanzipation und Netzethik ohne nennenswerte Beteiligung der Kirchen geführt. Das Fazit: Die Kirche muss sprachfähig im Netz werden, wenn sie mit aktuellen Entwicklungen mithalten möchte. Dies sei unter anderem möglich über die Entwicklung von Richtlinien für die Kommunikation im Netz, die Vermittlung von digitaler Kompetenz und regelmäßige Fachkongresse und -tagungen (wie etwa der kommende Fachtag „Digitaler Wandel" oder die vergangene Veranstaltung zu virtueller Kirche in ländlichen und städtischen Räumen),   und einer umfassenden Sensibilisierung, dass bei dem Thema #DigitaleKirche alle kirchlichen Bereiche erfasst werden. Weitere Überlegungen gibt es von Vikar Tobias Graßmann im Netzwerk Theologie. Auch Inga von Thomsen, Diplom-Theologin und Social Media Koordinatorin bei „Kirche im NDR“, gibt auf ihrem Blog „Schokofisch“ Hinweise für den alltäglichen Umgang mit dem Digitalen in der Kirche.

2014 war Digitalisierung schon Thema bei der EKD-Synode und wurde umfassend dokumentiert. Dabei hat auch die Jugend der EKD einige Vorschläge eingebracht, unter anderem ein digitales Kompetenzzentrum einzurichten und Preise für die besten Innovationen im Bereich auszuloben.

Das Christentum als Medienreligion

Doch auch trotz der vielen Kritik und der langen "To Do"-Liste in Sachen Digitalisierung: das Christentum ist von Beginn an eine „Medienreligion” gewesen, wie Ingo Dachwitz, Jugenddelegierter der EKD-Synode und Redakteur der Fachzeitschrift „Netzpolitik”, in seinem Aufruf "Kirche ins Netz!" schreibt. Immer hat es über verschiedene Medien kommuniziert. Dabei kann der Inhalt auch ganz Alltägliches kommunizieren: "Ein Foto aus einer schönen Kirche vor oder nach dem Gottesdienst. Ein Gedanke, den man daraus mitnimmt und mit anderen teilt. Ein kirchliches Lied, das einen beschäftigt. Eine kurze Vorschau auf die nächste Predigt. Oder aber eben der im Evangelium begründete Widerspruch, wenn jemand gegen andere hetzt – und vielleicht ja auch eine Ein­ladung zum persönlichen Gespräch."

 

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