24. Dezember 2016 | St. Petri-Dom zu Schleswig

„Weihnachten ohne Musik ist unvorstellbar“

24. Dezember 2016 von Gothart Magaard

Christvesper am Heiligen Abend

Der Friede Gottes sei mit uns allen!

 

Liebe Gemeinde,

was wäre dieser Abend, was wäre diese heilige Nacht ohne Musik? Ein Weihnachtsfest ohne Musik, ohne Lieder – für mich wäre es undenkbar. Sogar im Werbeprospekt eines großen Lebensmittelhändlers war in diesen Tagen ein Liederheft mit unseren klassischen Weihnachtsliedern zu finden.

Und dass es vielen Menschen ebenso geht, hat wohl einen tieferen Grund. Denn die Weihnachtsgeschichte ist eine Geschichte, die auf vielfältige Weise mit Musik zu tun hat. Sie bringt Menschen ganz einfach dazu, zu singen. Das kann man in Weihnachtsgottesdiensten beobachten, wenn selbst der ein oder andere hartgesottene Mann bei einem aus Kindheitstagen vertrauten Weihnachtslied kaum merklich beginnt, die Lippen zu bewegen.

Die Weihnachtsgeschichte lässt uns singen und sie hat seit jeher Menschen angeregt, neue Musik, neue Vertonungen der Weihnachtsbotschaft zu schaffen:

Die vielen Werke kleiner und großer Meister, die uns überliefert sind, vom Weihnachtsoratorium Johann Sebastian Bachs bis hin zu schlichten und zugleich schönen Choralsätzen, zeigen, wie sehr die Geschichte von der Geburt Jesu im Stall Menschen begeistert und mit ihrer Musikalität herausgefordert hat.

Umso mehr hat mich überrascht, dass ich bei der Vorbereitung dieses Gottesdienstes feststellen musste, dass das Wort „singen“ an keiner Stelle der Weihnachtsgeschichte vorkommt. Aber das muss wohl daran liegen, dass es so selbstverständlich ist, dass in manchen Momenten gesungen wird. Der Evangelist musste es darum gar nicht ausdrücklich erwähnen.

Denken wir zum Beispiel an die Hirten auf dem Felde – die Hirtenmusik gehört dazu, weil es undenkbar ist, dass Menschen in der Dunkelheit auf den Feldern nicht Musik machen sollten. Denn so schaffen sie sich in der dunklen Fremde wenigstens durch vertraute Klänge eine Heimat. Vielleicht ist manche Hirtenmusik da dem sprichwörtlichen Pfeifen im Walde verwandt.

Schlicht und zugleich eindringlich und eingängig stelle ich mir diese Melodien vor, und so erklingen sie ja auch in den Pastoralen, den Hirtenmusiken. Vielleicht geht es Ihnen, liebe Gemeinde ja ähnlich: ich habe diese Klänge immer im Ohr, wenn ich die Weihnachtsgeschichte höre.

Mag sein, dass mancher sich fragt: Können wir diese Lieder heute singen nach den Gewalttaten in Berlin, Zürich und Ankara und im Wissen um das Elend in Aleppo? Wenn diese Welt erzittert und wir das auch in unserem Land spüren? Denen möchte ich antworten: Die Weihnachtsgeschichte beschreibt keine Idylle, keine heile Welt. Im Gegenteil: Eine Geburt in einfachsten Verhältnissen: in einem Stall! In einem Land unter Besatzungsrecht – und ausgerechnet die Hirten erfahren zuerst davon, dass mit diesem neugeborenen Kind eine besondere Friedensbotschaft verbunden ist.

Die Kraft dieser Botschaft liegt gerade darin, dass sie aus der Dunkelheit heraus Hoffnung auf Frieden, Versöhnung und Gerechtigkeit beschreibt. Viele unserer schönsten Lieder sind aus großer Not und Verunsicherung heraus geschrieben und vertont. Dadurch haben sie Tiefe und Kraft und es gut, dass wir in sie auch heute einstimmen können.

Die Weihnachtsgeschichte ist eine Geschichte mit Musik: die Hirten werden zu den ersten Zeugen des Weihnachtsfestes: „Fürchtet euch nicht! Siehe ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird: denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr in der Stadt Davids.“

Und dann alsbald war da bei dem Engel die Menge der himmlischen Heerscharen, die lobten Gott und sprachen – sprachen sie wirklich – nein, sie sangen natürlich: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens.“ Versuchen Sie das einmal, elegant und nachdrücklich zu sprechen!

Nein, die Engel haben auch das ganz selbstverständlich gesungen und damit die Hirten als erste Menschen auf den Weg nach Bethlehem gesandt.

Aus der dunklen Nacht klingen die Stimmen der Hirten hervor, und vom Himmel klingt der Engelsgesang herab. Und schließlich, so wird es berichtet, stimmen die Hirten selbst in das Gotteslob der Engel mit ein. Nachdem sie das Jesuskind mit eigenen Augen gesehen hatten, kehrten sie wieder um, „priesen und lobten Gott für alles, was sie gehört und gesehen hatten, wie denn zu ihnen gesagt war“. Und dieser Gesang hat dann jenen weihnachtlichen Glanz, der durch die Zeiten klingt und auch in unseren Liedern zu spüren ist.

Wo die Weihnachtsbotschaft gehört wird, da wird auch gesungen, das ist bis heute so. Und doch sind es unterschiedliche Klänge und Traditionen: man kann sie unterscheiden: die Klänge der westlichen und der östlichen Kirchen und der auf der Südhalbkugel unserer Erde. Mal klassisch, mal rockig oder jazzig – sie sind nachdenklich, melancholisch, heiter oder fröhlich.

Man hört es, ob Menschen ein und dasselbe Lied in Zeiten von Frieden und Wohlstand singen oder in Not und Verunsicherung oder inmitten der Ruinen ihrer Städte, umgeben von Verzweiflung und Not.

Und so wir wissen uns als Christenmenschen in diesen Tagen besonders verbunden mit den Menschen, die in Verstecken und Trümmern die Botschaft der Geburt Christi hören und drängend darauf hoffen, dass Gott seine Friedensverheißung erfüllt.

Wir wissen, dass Menschen heute vor Ort sind, als Ärztinnen und Ärzte, als Aufbauhelfer, Vermittler und mit ihrem Dienst diese Friedensbotschaft tatkräftig bezeugen – und wir wissen, das zugleich auch der Friede in dieser Heiligen Nacht bedroht ist durch Menschen, die das Leben nicht achten.

Wir wissen uns heute auch verbunden mit denen, die als Opfer der Gewalttaten verletzt in Krankenhäusern versorgt werden.

Das weihnachtliche Singen, unser Singen kann darum nie nur Ausdruck von religiöser Ergriffenheit sein – es ist stets auch ein Ansingen gegen die Dunkelheit dieser Welt. Ihm wohnt etwas von den Hirtengesängen inne, aber jenen veränderten, die von jener Nacht an gesungen wurden. Sie sangen inmitten der Nacht vom Licht, von der Hoffnung und vom Frieden – nicht lauter als zuvor, aber mit einem anderen Glanz, mit dem Glanz, der vom Kind in der Krippe ausgeht.

Liebe Gemeinde, solche Lieder begleiten die Christenheit auf ihrem Weg durch die Zeiten. Wir stimmen sie an, um die Friedensbotschaft für diese Welt auch in dunklen Zeiten zu bezeugen. Der Seher Johannes hat uns einst das wohl stärkste Hoffnungsbild dieser Zukunft vor Augen gemalt: Was bei der Geburt Jesu und bis heute in weiter Ferne liegt, sieht er bereits verwirklicht: eine Schar aus allen Nationen ist zusammengekommen. Sie tragen weiße Gewänder und haben die schmutzigen Westen abgelegt. Sie halten Palmzweige in ihren Händen als Zeichen dafür, dass Friedenszeiten angebrochen sind und hinfort nicht mehr enden werden. Diesen Gottesdienst werden wir einst feiern, ein Fest des Friedens und Versöhnung.

Der Weg zu diesem Gottesdienst, in dem sich Gottes Friedensverheißungen erfüllt haben werden, beginnt im Stall in der Heiligen Nacht – ärmlich, schmutzig, in einem dunklen Winkel der Welt, und doch unter einer großen Verheißung.

Dieser Weg setzt sich fort mit den Gottesdiensten der Jahrhunderte, mit den vielstimmigen Lobgesängen der Zeiten und Völker, und den vielen unverwechselbaren Stimmen, auch unseren Stimmen hier im St. Petri-Dom in dieser Heiligen Nacht.

Gottesdienste, nicht nur an Weihnachten, sind nichts anderes als Ansage jener Zukunft, sie rufen diesen Friedensgottesdienst in Erinnerung und sie rufen uns zur Verantwortung.

Für die orthodoxe Christenheit ist es ganz fraglos so, dass der eigentliche Gottesdienst im Himmel gefeiert wird, zu allen Zeiten, und die Gottesdienste in unseren Kirchen dieses geschehen nur abbilden.

Auch unsere Gottesdienste, unsere Kantaten und Lieder stehen unter der Verheißung, dass sie schon heute den großen Lobgesang der Engel anklingen lassen. Sie sind Friedensbotschaften für diese Welt und weisen auf die Vergangenheit, auf das Kind im Stall, in dem sich Gott uns zugute klein macht, um uns empor zu heben und uns eine Zukunft zu geben. Sie weisen über unsere Zeit hinaus auf jenen künftigen Gottesdienst im Himmel hin, in dem das Gegeneinander der Menschen und Völker ein Ende haben wird.

Dass uns diese Zuversicht auch in dieser Heiligen Nacht trägt und für unser Leben stärkt, das wünsche ich uns allen. Gesegnete und frohe Weihnachten!
Amen.

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