6. Januar 2015 | Neubrandenburg

Widerstandsgeschichte des Glaubens

06. Januar 2015 von Gerhard Ulrich

Tischrede zum Dreikönigstag des Dreikönigsvereins

Sehr geehrter Herr Vorsitzender Prachtl,

sehr geehrte Herr Oberbürgermeister Dr. Krüger,

sehr geehrte Damen und Herren Minister und Abgeordnete,

liebe Schwestern und Brüder in Christus!

I
Es ist mir eine Ehre und besondere Freude, heute bei Ihnen zu Gast zu sein bei diesem traditionellen Dreikönigstag Ihres Vereins! Ich bin im besten Sinne neugierig auf Sie alle als Mitglieder und Förderer des Vereins – und ebenso auf die Arbeitsbereiche und Projekte hier vor Ort und in der Region, die durch Ihre Vereinsarbeit seit Jahrzehnten gefördert werden. Der karitative Charakter des Dreikönigsfestes wird auf diese Weise auch hier deutlich.

II
Ja, der Dreikönigstag, das Dreikönigsfest – natürlich wissen wir alle um die Heiligen Drei Könige mit ihren Namen Caspar, Melchior und Balthasar – die kommen zwar in der biblischen Erzählung weder in der Dreizahl noch mit Namen vor, aber dennoch: Sie sind gute Leute im Jahrhunderte alten Brauchtum der abendländischen Christenheit! Ebenso natürlich die Sternsinger, die Kinder, die da allüberall durch's Land ziehen in diesen Tagen und den Segen Christi in die Häuser bringen: C – M – B – 2015 wird da zu lesen sein an den Türen: Christus mansionem benedicat! Ja, gewiss: Gottes Segen für die Häuser und für die Menschen, die in ihnen leben und arbeiten – und natürlich: Gottes Segen auch über die Spenden, die da eingesammelt werden für die Hilfsprojekte des Katholischen Hilfswerks Adveniat!

Und – das nur so ganz nebenbei, meine Damen und Herren: Jahrzehntelang war ja der Dreikönigstag in Deutschland auch der große Tag der F.D.P.! Alljährlich großes politisches Theater in Stuttgart – natürlich alles etwas seriöser, weniger bierselig, dafür nadelstreifiger als beim alljährlichen politischen Aschermittwoch der CSU in Passau – aber immerhin: Die Schar der Medienvertreter war groß! Ob da heute mehr kommen werden als die drei sprichwörtlichen weisen Männer der öffentlich-rechtlichen Sender… Nun, wer weiß!

III
Fest steht und sicher ist: Wir Evangelischen Kirchenleute feiern am Dreikönigstag das Epiphaniasfest – das Fest der Erscheinung Jesu Christi vor aller Welt – seine missionarische Mission als Licht für alle Völker: Gott leuchtet mit seinem Licht – Christus – hinein in unsere Welt, er erwärmt die frostigen Seelen und er richtet die Geknickten auf und die, deren Feuer zu erlöschen droht, entzündet er neu. Darum ist dieser Tag für die Kirchen des Ostens der wichtigste Teil des Weihnachtsfestkreises. Wir haben zwar nicht mehr den Jesus im Stall, den wir besuchen können. Aber wir kennen das Licht, das er der Welt ist. Und immer noch können wir ihm folgen, diesem Licht. „Mache dich auf und werde licht; denn dein Licht kommt, und die Herrlichkeit des HERRN geht auf über dir!“ – wie es dazu beim Propheten Jesaja, Kapitel 60 heißt.

So taten es die Weisen aus dem Morgenland  in der Geschichte aus dem Matthäus-Evangelium, die im Mittelpunkt des Epiphaniastages steht. Eine ganz eigenständige Weihnachtsgeschichte ist das, wiewohl sie in den Traditionen verschmolzen ist mit der Geschichte um die Krippe im Stall von Bethlehem.

Fremde von weit her, Heiden, folgen dem Zeichen und zeigen uns, wo es lang geht.

Wunderbar ist diese Geschichte komponiert, um die kontrastreichen Personen herum. Da sind die Weisen, die sternkundigen Leute aus der Ferne, die sich auf den Weg gemacht haben, den neugeborenen König der Juden, den der Stern ankündigt, zu suchen. Und sie gehen  nach Jerusalem – natürlich gehen sie in die Hauptstadt, zum Sitz der Schriftgelehrten, die müssen es ja wissen.

Und dann ist da der König Herodes, den die Bibel als machtdurstigen Herrscher beschreibt, der vor der Ermordung der Kinder nicht zurückschreckt, um seine Macht zu erhalten. Die Kunde von der Geburt eines neuen Königs – sie löst bei ihm Entsetzen aus. Herodes kennt die Sehnsucht der Menschen nach dem Messias. Er weiß, dass alle menschliche Macht ihr Ende findet, wenn der Messias die Gottesherrschaft aufrichtet. An dem Arme-Leute-Kind im Stall von Bethlehem endet die Gewalt der Mächtigen. Herodes kennt den alten Psalm, den Maria in ihrem Lobgesang singt von dem Gott, der die Gewaltigen vom Thron stößt, der die Niedrigen erhöht und die Hungrigen speist, die Reichen aber leer ausgehen lässt.

Weihnachten weist über den  Stall hinaus auf das Kreuz hin, an dem Gott seine Macht nicht verliert, sondern von dort aus vollendet! Ein Zeichen der Lebens-Macht über die Todes-Mächte.

All das strahlt uns Weihnachten entgegen: „Mache dich auf, werde licht. Denn dein Licht kommt.“

Die Weisen lassen sich in Bewegung setzen von dem Licht, das ihnen aufgegangen ist. Weisheit und Glaube, Verstehen und Vertrauen: keine Gegensätze! Unbeirrt folgen sie dem Stern, nichts kann sie auf- oder abhalten, keine Grenze, kein Herodes, keine Macht der Welt bremst die Bewegung ihrer Hoffnung und Sehnsucht: „Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern gesehen im Morgenland und sind gekommen, ihn anzubeten.“

Da, im Stall von Bethlehem, nicht in den Palästen der Welt, wird der Glaube zur Gewissheit, führt er zur Entdeckung neuen Lebens. Gott zeigt sich, lässt sich finden von denen, die nach ihm suchen und fragen, die sich auf den Weg machen, von seinem Licht sich anziehen lassen.

Der, der da gesucht und gefunden wird, läuft allen Erwartungen zuwider: er ist nicht das, was man unter einem König erwartet. Kein hochherrschaftlicher Hofstaat. Keine imposante Figur. Was die drei sehen, ist ein Arme-Leute-Kind, der Sprössling einer Familie mit Migrationshintergrund. Und die, die die Geschichte aufgeschrieben haben, konnten ausdrücken, was die drei aus dem Morgenland nur ahnten, aber deutlich spürten und glaubten: das ist der, der erwartet wird, sehnsüchtig! Das ist der, der die Werte der Welt auf den Kopf stellt, das Unterste zu Oberst kehrt; der die Schwachen besucht und mit den Armen und Sündern zu Tische liegt. „Ich war ein Fremdling, und ihr habt mich aufgenommen“, hat er gesagt: das begründet den Wertekanon des später so genannten christlichen Abendlandes. Er wendet sich denen zu, die allein, auf der Flucht, vertrieben und angegriffen sind, die nicht wissen, wie sie ihr Leben leben sollen; denen das Leben die Sprache verschlagen hat, gibt er Stimme. Er weiß und schreibt in die Herzen: jeder einzelne Mensch hat seine Würde – nicht aus dem, was er oder sie leistet, kann und vollbringt. Sondern aus dem, was Gott selbst ihm oder ihr zuschreibt, unantastbar deswegen. Barmherzigkeit, Vergebung, Nächstenliebe: das sind die Werte, die die Gemeinschaft stiften und leiten, die sich auf ihn beruft. Ihre Stärke ist ihre Schwäche für die Schwächsten!

Hier ist die Szene der Heiligen Nacht angesiedelt: Gott kommt herunter zu den Heruntergekommenen; er geht dahin, wo niemand mit ihm rechnet: Durchs Land getriebene Leute, ausgemergeltes Hirtenvolk.

IV
Und so ist es ja auch in der Geschichte von den Weisen, die der König Herodes losschickt, nach dem Kind zu forschen. Eine Widerstandsgeschichte des Glaubens ist das! Denn: Verrat, Mord ist in seinem Plan, für den er die Weisen missbrauchen will. Sie sollen dem Stern folgen, sehen, was da ist und dann sollen sie zurückkehren und ihm Kunde geben von dem Kind, damit er seinen finsteren Mordplan umsetzen kann. Und dann wird von den Weisen erzählt, wie sie das Kind finden, wie sie nicht nur Geschenke abliefern, sondern auf die Knie fallen und es anbeten: sie spüren: dies ist kein gewöhnliches Kind, hier ist Gott selbst zu sehen, eine Kraft, die alles verändert, die alles neu macht. Eine Kraft, die Herzen wendet und neue Wege gehen lässt.

Es ist wohl das erste Mal, dass die Mächtigen und die Ärmsten der Armen zusammen stehen. Gott durchbricht die Trennungen; er führt zusammen, was zusammen gehört! Da ist kein Unterschied vor diesem Gott zwischen denen da oben und denen hier unten. Weil er selbst in die Mitte rückt. Jesus gibt die entscheidende Richtung vor, in die unser gemeinsamer Weg zu gehen hat, wohin unsere Füße und Sinne sich auszurichten haben: zu Gott hin – hören, was er sagt; sehen, was er tut; spüren, was er berührt. Auf ihn haben wir unsere Kraft auszurichten, wenn wir Kirche bauen und Gesellschaft gestalten. Nicht auf die leeren Geldbeutel haben wir zu schauen zuerst; nicht haben wir zu hören auf verzagtes Warnen. Wir haben nicht darauf zu schauen, dass wir ja nicht anecken. Wir haben zu fragen: was dient dem Licht der Welt, dass es leuchten kann in der Finsternis?!

„Mache dich auf und werde licht, denn dein Licht kommt“ – dass wir uns in Bewegung setzen lassen von unserem Gott und seinen Verheißungen, dass wir wieder und wieder finden den Ort, da er sich zeigt; dass wir darauf vertrauen, dass große Entdeckungen zu machen sind, wenn wir diesem Licht vertrauen – das wünsche ich uns am Anfang dieses Jahres, das seinen Lauf nehmen will.

Und dann kommt das Schönste an dieser Geschichte: „…und sie zogen auf einem anderen Weg wieder in ihr Land.“  Die, die Gott suchen und finden, werden frei für neue Lebens-Wege. Die Weisen sind ungehorsam, gehen auf Gottes Geheiß hin einen anderen Weg in ihr Land, gehen nicht zu Herodes!

Der Gehorsam gegen Gott führt dann und wann in den Ungehorsam gegen die Macht der Welt; beschreibt und schickt auf einen ganz anderen Weg als gefordert: den Weg der Liebe, der Vergebung, des Friedens. Führt hinein in den Widerspruch gegen alles, was dem von Gott geschenkten Leben im Wege steht.

Von solchem Widerspruch, von solcher Entschiedenheit braucht diese Welt mehr, viel mehr. Entschiedenheit für die Wege zu mehr Gerechtigkeit, gegen den Hunger auf dieser Welt. Entschiedenes Auftreten gegen allen aufkeimenden Fremdenhass. Entschiedenes Eintreten für eine Welt, in der die Menschen in Würde leben können überall, so dass sie nicht auf die Flucht gehen müssen – und wenn doch, dass sie würdig empfangen und aufgenommen werden. Entschiedenheit für die Wege des Friedens, die leider überhaupt nicht ausgetretene Pfade sind, sondern oft erst geschaffen werden müssen, neu entdeckt. Eine Entschiedenheit, die sich nicht zufrieden gibt mit dem, was immer schon so war. Eine Entschiedenheit, die Gott mehr gehorcht als den Menschen, weil, was er sagt, beeindruckt.

Wo die menschliche Macht auf die göttliche stößt, wo die Mächtigen sich ergreifen lassen von dem Licht aus der Höhe: da verwandeln sich dunkle Pläne. Und so mischt sich der Jesus später immer wieder in die Angelegenheiten der Welt ein. Er erzeugt natürlich Wut und Ablehnung hier und da, er riskiert sein Leben, wie wir wissen. Aber er verändert die Herzen und Sinne so vieler Menschen, zeigt auf die falschen Wege und leuchtet aus die rechten Wege. Und er nimmt die Seinen mit auf gutem Weg. 

Die Begegnung mit Jesus, die Erscheinung Gottes in der Welt verändert unsere Wege. Wer Jesus entdeckt, ihn anbetet, wird frei für seine Wege. Ja, er und sie werden auch frei, Gutes zu tun und das Beste zu suchen, damit unsere Kirche und unsere Gesellschaft allen Menschen dient und vor allem für die Schwachen Hilfe schafft. Dafür, meine Damen und Herren, ist nun wirklich auch der Dreikönigsverein da – so habe ich verstanden. Gut so – es gibt viel zu tun auch in 2015: Nur Mut – zeigen uns die Könige!

Datum
06.01.2015
Quelle
Stabsstelle Presse und Kommunikation
Von
Gerhard Ulrich
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