Wie Menschen im Norden diskriminiert werden
07. Mai 2015
Kiel. Viel zu tun für die Antidiskriminierungsstelle in Schleswig-Holstein. Über 139 Fälle berichtete die Leiterin – und nannte einige extreme Beispiele.
Bei der Antidiskriminierungsstelle in Schleswig-Holstein haben sich von Anfang 2013 bis Ende 2014 insgesamt 139 Menschen gemeldet, weil sie öffentlich diskriminiert und benachteiligt wurden. Diese erste Bilanz seit Einrichtung der Stelle beim Kieler Landtag hat die Leiterin Samiah El Samadoni gezogen. In den beiden Jahren sei deutlich geworden, dass es einen großen Informationsbedarf über das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) in der Bevölkerung gebe. "Vielen Bürgern sind ihre Rechte am Arbeitsplatz und im Alltag nicht bekannt, um sich gegen Benachteiligungen und Diskriminierungen wehren zu können", sagte El Samadoni.
Die Antidiskriminierungs-Beauftragte berichtete über Fälle. So meldete sich Anfang 2014 eine Frau bei ihr, weil ihre 13-jährige dunkelhäutige Tochter von einem Busfahrer beleidigt worden war. Das Mädchen wollte ein Schülerticket kaufen, der Fahrer verkaufte ihr aber einen teureren Erwachsenenfahrschein. Als die Schülerin auf das vermeintliche Versehen hinwies, habe der Busfahrer erwidert: "Neger müssen eben mehr zahlen." Samiah El Samadoni wurde aktiv, der Geschäftsführer des Unternehmens entschuldigte sich. Später soll der Fahrer auch entlassen worden sein.
Fälle aus der Arbeitswelt
Auch Rollstuhlfahrer können in Bussen Diskriminierungen erleben. Eine Frau berichtete der Antidiskriminierungsstelle, dass ihre schwerbehinderte Tochter und ihre ebenfalls schwerbehinderten Freundinnen Anfang April 2014 irritiert einen Bus verließen. Zuvor hatte die Busfahrerin die Gruppe aufgefordert, den Bus zu verlassen, damit mehr Nicht-Rollstuhlfahrer mitgenommen werden könnten. Auch in diesem Fall war eine Entschuldigung fällig. Zudem wurde eine Sensibilisierung des Personals zugesagt.
Immer wieder beschäftigte sich die Antidiskriminierungsstelle mit Fällen aus dem Arbeitsleben, sagte El Samadoni. So sei ein befristeter Arbeitsvertrag einer schwangeren Arbeitnehmerin nicht verlängert worden. Ihr wurde aus der Personalabteilung des Unternehmens mitgeteilt: "Sie können nicht davon ausgehen, einen Folgevertrag zu erhalten." Die Frau wurde dann von der Antidiskriminierungsstelle darüber informiert, dass das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz keinen Anspruch auf eine Entfristung von Arbeitsverhältnissen vorsieht. Trotzdem wurde der Frau später doch noch ein Verlängerungsvertrag angeboten.
Da kaum Statistiken zu Diskriminierungen nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz in Schleswig-Holstein existieren, ermutigt die Antidiskriminierungsstelle dazu, sich an sie zu wenden. "Erst wenn verlässliche Zahlen über Benachteiligungen etwa im Arbeitsleben belegbar sind, müssen Arbeitgeber endlich reagieren", sagte El Samadoni. Gesetzlich vorgeschriebene Mindeststandards würden oft nicht erfüllt. Dazu gehöre, dass Stellenausschreibungen oft nicht diskriminierungsfrei formuliert würden.