Auf dem Sprung nach Paris
13. Mai 2017
Es ist das „Nomaden-Gen“, wie Axel Matyba (56) sagt. Oder das „Hummeln-im-Hintern-Gen“, wie seine Frau Andrea Busse (48) es nennt. Es ist die Neugierde auf eine neue Perspektive, eine neue Welt, die sie und ihre zwei Kinder nun nach Paris zieht. Gemeinsam wird das Paar in der französischen Hauptstadt ab September die Leitung der deutschen evangelischen Gemeinde übernehmen.
Er ist seit drei Jahren Beauftragter der Nordkirche für den Christlich-Islamischen Dialog, sie arbeitet seit einem Jahr in der Öffentlichkeitsarbeit im Kirchenkreis Hamburg-Ost. Er kümmert sich unter anderem um die vielen Fragen zum Islam in den Gemeinden, die gerade auch durch die Migrantenbewegung entstehen; sie um die Beilage „Himmel und Elbe“ im Hamburger Abendblatt. Beides wichtige Aufgaben, von denen die Trennung schwer fällt. „Der Zeitpunkt ist eigentlich nie wirklich günstig“, sagt Andrea Busse. Und doch: Schon länger spielt das Paar mit dem Gedanken, Deutschland wieder für einige Zeit zu verlassen. Ein bisschen Übung haben sie darin schließlich schon: Bereits ab 2006 haben die Pastoren für sechs Jahre in Ägypten gelebt und die deutschsprachige evangelische Gemeinde in Kairo geleitet.
Paris St. Germain statt HSV
Als dann die hürdenreiche Bewerbung um die eineinhalb Stellen in Paris lief, haben sie erst einmal ihre Kinder gefragt, was sie denn von dem Umzug in die französische Hauptstadt halten würden. Tochter Levke (13), die Französisch als erste Fremdsprache in der Schule hat, war sofort begeistert; Ben (11) stellte nur zwei Anforderungen: Es soll nicht nach China gehen und es muss im neuen Wohnort Fußball geben. „Da wir derzeit sehr mit dem HSV leiden, wäre Paris St. Germain ein Aufstieg“, sagt Axel Matyba.
Die To-Do-Liste nimmt scheinbar kein Ende
Doch bevor man Fußballerfolge mitfeiern kann, ist viel Organisationstalent gefragt: „Man bricht quasi vier Leben ab und baut sie wieder neu auf“, sagt Andrea Busse. „Manchmal hat man das Gefühl, die To-Do-Liste nimmt kein Ende und man versinkt in Kostenvoranschlägen für Umzugsunternehmen.“ Dann häufen sich so Probleme wie etwa, dass es noch keine Küche im neuen Pfarrhaus gibt oder die Kinder eine Stunde in die außerhalb von Paris gelegene deutsche Schule fahren müssen. Oder die Sprache: Andrea Busse hat zwar in Montpellier studiert, arbeitete sogar als Au-Pair und spricht daher sehr gut Französisch, ihr Mann jedoch hat nur „vor 37 Jahren mal drei Jahre Unterricht gehabt“, wie er selbst sagt. „Die französischen Elemente im Gottesdienst muss dann wohl erst einmal meine Frau übernehmen“, sagt er. Aber sechs Jahre – auf die Zeitspanne ist die Stelle ausgelegt – seien ja hoffentlich ausreichend, um auch anständig Französisch zu lernen. „Auch wenn die Gemeinde deutsch ist, will man ja nicht in einer Enklave leben“, sagt er.
Von der Dachluke Sacré-Cœur im Blick
Das wird wohl nicht passieren, denn die Familie wohnt bald mitten in Paris: Von der Dachluke Pfarrwohnung aus kann man die Spitze der Basilika Sacré-Cœur bewundern. „Die Liebe zum Land war schon immer da“, sagt Andrea Busse. Und lässt es sich gleich auch viel leichter ein paar Brücken schlagen. Kontakte zu Kulturvereinen, unter anderem auch der deutsch-französischen Gesellschaft Cluny, bestehen schon. Auch den Journalisten Ulrich Wickert schrieben sie an – der hat nur leider gerade keine Zeit, weil er sich in „Schreibklausur“ befinde, wie er antwortete.
Theologie, nicht Geologie
Gespannt ist das Paar nun darauf, wie es ist, in einem Land zu leben, in dem Religion und Glaube nicht zum öffentlichen Leben gehören, in der Kirche und Staat viel strikter getrennt sind als in Deutschland. „In Frankreich werden wir wohl das erleben, was so langsam auch in Deutschland auf uns zukommt“, sagt Andrea Busse. „Dass es sich zunehmend säkularisiert.“ Schon als sie zum Studium der evangelischen Theologie nach Frankreich kam und dann nach ihrem Fach gefragt wurde, verstanden alle immer nur „Geologie“. „Theologie als Frau zu studieren, war einfach zu ungewöhnlich“, sagt sie.
Wie geht es weiter mit Europa?
Und noch viel mehr Fragen gibt es: Was passiert mit der Sicherheitslage? Und was mit der Europäischen Idee? Nun wurde zwar der als europafreundlich geltende Emmanuel Macron zum Präsidenten gewählt, doch: „Das Land ist tief gespalten“, sagt Axel Matyba. Gerade da wäre die Frage, ob Religion nicht der Kitt seien könnte, der die Gesellschaft zusammenhält – oder gerade erst zusammenbringt. Beide sagen: „Wir freuen uns jedenfalls auf eine aktive Gemeinde mit allen Generationen.“