Kinderschutz

"Es geht um den Mut zur Eigenwahrnehmung und Klarheit"

Gegen Grenzverletzungen im Kindergarten - Handreichung für Erzieherinnen und Erzieher vorgestellt (Symbolbild)
Gegen Grenzverletzungen im Kindergarten - Handreichung für Erzieherinnen und Erzieher vorgestellt (Symbolbild)© Hongqi Zhang, iStockphoto

29. August 2012 von Doreen Gliemann

Rendsburg. Jeder Mensch hat eine persönliche Grenze, die nicht überschritten werden sollte. Doch wo Menschen auf ein Gegenüber treffen, kann es immer auch zum Überschreiten dieser individuellen Abgrenzung von Nähe und Distanz kommen, ob unbeabsichtigt oder gewollt. Um für dieses sehr menschliche Verhalten gerade im Umgang mit den Jüngsten der Gesellschaft, den Kindergartenkindern , zu sensibilisieren, hat der Verband Evangelischer Kindertageseinrichtungen (VEK) in Schleswig-Holstein einen Leitfaden für Mitarbeitende herausgegeben.

"Das kann doch bei uns nicht passieren!" Das Selbstverständnis der Mitarbeitenden in Kindertageseinrichtungen ist meist groß. Man kennt sich, oft viele Jahre, weiß, was er oder sie denkt, wie der Kollege oder die Kollegin handeln wird. Doch gerade hinter die Mechanismen dieser "eheähnlichen Einrichtung" zu schauen und einen (selbst-)kritischen Umgang zum Wohle der Kinder zu unterstützen, war das Anliegen von VEK-Fachberaterin Katrin Irmer und ihrem neunköpfigen, interdisziplinären und trägerübergreifendem Team aus Pastoren, Pastoralpsychologen und Juristen.

"Die größte Schwelle ist die eigene Rolle"

In der bislang zu verschulten Ausbildung zum Erzieher haben Fehler und Schwächen keinen Platz, weiß der Qualitätsbeauftragte beim Kitawerk Niendorf, Bernd Stiebler. "Die größte Schwelle ist die eigene Rolle." Dem konnte sich Landespastorin Petra Thobaben, deren Diakonisches Werk maßgeblich an der Finanzierung des Leitfadens beteiligt ist, in ihrem Grußwort nur anschließen: "Es geht um den Mut zur Eigenwahrnehmung, um Klarheit und Offenheit in kollegialer Beratung und Supervision."

Zu groß war die Verunsicherung in Öffentlichkeit wie auch in den Kirchengemeinden ehemals Nordelbiens nach den erschütternden Missbrauchsfällen von Ahrensburg, erinnerte Propst Matthias Bohl, Vorsitzender des VEK. Mit dem neuen Leitfaden, einer Art Erste-Hilfe-Ratgeber für Grenzverletzungen, wollen die Evangelischen Kindertagesstätten ihrem Leitbild "Mit Gott groß werden", gerecht werden, und zwar möglichst bereits im Vorfeld einer Krise, verdeutlichte Bohl.

Eineinhalb Jahre lang entwickelten Katrin Irmer und ihre Mitstreiter die 24-seitige Broschüre. Grenzverletzungen auf sexuellen Missbrauch zu reduzieren, wäre zu kurz gegriffen. Darüber war sich die Arbeitsgruppe schnell einig. In Anlehnung an die Psychologin Ursula Enders werden Grenzverletzungen in drei Kategorien unterteilt. Zu den unbeabsichtigten Grenzverletzungen zählen z. B. die laute und scharfe Ansprache oder eine unbedachte Bemerkung der Fachkraft.

Das individuelle Bedürfnis nach Distanz erkennen und beachten

Als Übergriffe zählen das bewusste Überschreiten des individuellen Bedürfnisses nach Distanz beim Kind, das Bloßstellen vor der Grupe oder das gezielte Ängstigen des Nachwuchses. Letzte Stufe der Eskalation wären dann Körperverletzung, sexueller Missbrauch bzw. sexuelle Nötigung und Erpressung, erklärte Katrin Irmer weiter. Von dem vorliegenden Leitfaden erhofft sich Ulrich Kruse, Haupstellenleiter i. R. des Diakonischen Werkes, eine verstärkte "Kultur des Hinschauens" und eine erhöhte Sensibilisierung beim Thema Sprache. Die Mitarbeitenden müssten sich stets fragen "Was meint das Kind damit?".

Mit dem vorliegenden Leitfaden erhofft sich Kruse eine verstärkte "Kultur des Hinschauens" und Zuhörens. Juristin Stephanie Meins ergänzt: "Wir wollen das Thema dauerhaft verankern und weder verharmlosen noch dramatisieren. "Dabei werden die Kindertageseinrichtungen vom neuen Bundeskinderschutzgesetz unterstützt, das die Wünsche nach Weiterbildung zu diesem Thema rechtlich untermauert.

Wer die Fortbildungen in der Realität finanziell trägt, ist allerdings noch unklar. Seitens des Sozialministeriums liege die Priorität derzeit bei der Frühförderung, rief Vertreterin Susann Burchardt in Erinnerung. Außerdem beanspruchen Fortbildungen Zeit, und die ist bei der Verdichtung der Arbeit in den einzelnen Einrichtungen ein sehr knappes Gut, wie kritische Stimmen aus dem Plenum anmerkten.

Bessere Netzwerke gefordert

Zahlreiche Fragezeichen gibt es zudem beim Thema Fachkräfte. Was diese tatsächlich in den einzelnen Kommunen für Arbeit leisten, wurde systematisch noch nicht erfasst, oft fehlen auf den Internetseiten der Kommunen gar die Namen der Ansprechpartner, was einem sinnvollen Netzwerk im Wege steht, bemängelte Burchardt. Sie nahm die Anregungen aus Rendsburg mit nach Kiel. Dennoch: Der Leitfaden sei ein erster wichtiger Schritt, sagte Irmer. "Wir haben uns auf den Weg gemacht - und das war gut."

Der Verband Evangelischer Kindertageseinrichtungen vertritt die Interessen von 600 evangelischen Einrichtungen mit 32.000 Kita-Plätzen.

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