Kirchenmusik

Michel-Türmer - ein Beruf mit Tradition und guter Aussicht

Josef Thöne ist Turmbläser an der Hamburger Hauptkirche St. Michaelis
Josef Thöne ist Turmbläser an der Hamburger Hauptkirche St. Michaelis© Simone Viere

20. Oktober 2016 von Simone Viere

Es ist schon ein besonderer Arbeitsplatz, den die beiden Türmer an der Hauptkirche St. Michaelis über den Dächern von Hamburg haben. Jeden Morgen um 10 Uhr und jeden Abend um 9 Uhr senden sie ihre Choräle aus fast 100 Metern Höhe in alle vier Himmelsrichtungen in die Stadt. Josef Thöne ist einer der beiden Turmbläser am Michel. Seinen ungewöhnlichen Arbeitsplatz mit guter Aussicht weiß der 56-jährige auch nach 24 Jahren im Job noch jeden Tag zu schätzen.

Genau 279 Stufen geht es rauf bis zum sogenannten Türmerboden, direkt unterhalb der großen Turmuhr. Auch der Fahrstuhl macht hier einen Zwischenstopp auf dem Weg rauf zur Besucherplattform, aber nur, wenn man wie Josef Thöne einen Schlüssel dafür hat. Dann öffnet der Trompeter die Fenster im Kirchturm, die kühle Morgenluft strömt herein. Pünktlich nach dem zehnten Glockenschlag erklingt der erste Ton aus seinem Instrument - gen Osten - "denn da geht die Sonne auf", erklärt der Musiker.  Weiter geht es dann im Uhrzeigersinn, gespielt wird jeweils eine Strophe.

"Heute wird 'Lobet den Herrn' gespielt, weil einer der Pastoren Geburtstag hat"; erzählt Thöne. Der Choral wird immer zu den Geburtstagen der Michel-Pastoren und dem der Hamburger Bischöfin gespielt, auch wenn letztere den Choral in ihrer Bischofskanzlei in der Hafencity wohl eher nicht mehr hören könne, so Thöne.

Gespielt werden evangelische Kirchenlieder aus dem 16. und 17. Jahrhundert

Wie weit sein Spiel zu hören ist, liegt auch immer an der Wetterlage. Ist es sehr windig, verwirbelt auch der Klang aus seiner Trompete, ist es windstill und zudem nebelig, kann man die Musik Kilometer entfernt noch hören. Täglich wird ein anderer Choral gespielt, hauptsächlich evangelische Kirchenlieder aus dem 16. und 17. Jahrhundert, abgestimmt mit dem Kirchenjahr.

Der Brauch des Turm-Blasens wurde während der Reformation in Hamburg eingeführt. Bis zur Aufhebung der Torsperre 1861 war der Trompeten-Choral auch das Zeichen für die Öffnung beziehungsweise Schließung der damaligen Stadttore. Eine besondere Tradition, die es so europaweit wohl nur noch in Hamburg gibt. Seit mehr als 300 Jahren wird ohne Pausen vom Turm geblasen. "Es gab natürlich auch Zeiten, die nicht so friedlich waren wie unsere heute, doch selbst zu Kriegszeiten wurde ununterbrochen dieser Turmdienst versehen", berichtet Thöne. "Selbst als der Turm 1906 abbrannte und drei Jahre lang gar kein Turm vorhanden war, wurde  von einem Holzgerüst weitergespielt".

Hauptsache pünktlich

Das allerwichtigste in seinem Beruf sei die Pünktlichkeit. "Man muss sehr sehr zuverlässig sein, weil es schon eine Aufgabe ist, auf Glockenschlag 10 Uhr da zu sein und spielfertig zu sein, und nicht noch auf der Suche nach einem Parkplatz", so der Hamburger. Thöne hat das in den vergangenen 24 Jahren immer geschafft.

Rückmeldung und Anerkennung  bekommt er von Touristen, Besuchern der Barockkirche und Anwohnern. Manchmal stehen Gruppen unten vor der Kirche, die für ihn applaudieren, manchmal schauen ihm ganze Schulklassen über die Schulter und "ab und zu liegt auch mal eine Tafel Schokolade als Dank in meinem Fach im Gemeindehaus", so der Musiker.

Aufgabe "aus der Zeit gefallen"

Für ihn ist das Spielen hier am Michel einzigartig: "Das Besondere ist, dass es diese Aufgabe so eigentlich gar nicht mehr gibt, das ist ja völlig aus der Zeit gefallen", weiß der 56-Jährige. Schön findet er die vielen Begegnungen mit wildfremden Menschen: "Es ist nicht so, dass man auf einen Besuch von Königin Elisabeth wartet. Es sind die kleinen Momente, bei denen ich mit Menschen durch die Musik ins Gespräch komme. Das sind für mich die Höhepunkte".

Zu seiner Aufgabe als Türmer kam er rein zufällig. "Ich wohnte damals in direkter Nachbarschaft zum Michel und kam mit dem damaligen Türmer, der gleichzeitig auch Küster war, ins Gespräch. Und da fragte er mich ob ich nicht einfach mal eine Urlaubsvertretung für ihn übernehmen kann". Thöne konnte, und als sein Vorgänger ins Rentenalter kam, übernahm er die Aufgabe, die er sich seitdem mit seinem Kollegen Horst Huhn teilt. Hauptberuflich unterrichtet er als Musiklehrer an der Staatlichen Jugendmusikschule, außerdem leitet er den Posaunenchor an St. Michaelis. 

Josef Thöne steht gerne hier oben am offenen Fenster und blickt über die Stadt, betrachtet den Wechsel der Jahreszeiten  und die Schiffe im Hafen. Wenn sich ein besonders großer Pott angekündigt hat, bringt der Hobbyfotograf auch mal seine Kamera mit. Seine Aufgabe als Turmbläser will er noch so lange es geht weitermachen - natürlich immer pünktlich zum Glockenschlag.  

 

INFO

Täglich um 10 Uhr und um 21 Uhr - sonntags und an Feiertagen nur um 12 Uhr - ist der Türmer vom Michel zu hören. 

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