Papst Franziskus, Luthers Gewissen und die Vision einer wiedervereinten Kirche
03. Februar 2017
Hamburgs evangelische Bischöfin Kirsten Fehrs schätzt Papst Franziskus für seinen Mut zu Reformen. Als geschiedene Frauen Papst Franziskus kürzlich fragten, ob sie am Heiligen Abendmahl teilnehmen dürften, habe er ihnen geraten, ihr Gewissen zu befragen. "Er scheint mir wie ein verkappter Protestant", sagte Fehrs am Donnerstagabend bei der "Langen Nacht der Weltreligionen" im Hamburger Thalia-Theater. Sie erinnerte daran, dass sich mit dem Reformator Martin Luther 1521 auf dem Reichstag zu Worms erstmals ein Mensch öffentlich auf sein Gewissen berufen hatte.
Fehrs zog einen weiteren Vergleich zur aktuellen politischen Lage in den Vereinigten Staaten. US-Beamte, so Fehrs, die sich heute mit Hinweis auf ihr Gewissen weigern, Dekrete des US-Präsidenten Trump umzusetzen, stünden ebenfalls in der Tradition Martin Luthers. "Reformation und Rebellion" lautete das diesjährige Motto der "Langen Nacht der Weltreligionen".
Erzbischof Heße: "Freiheit ist ziemlich anstrengend"
Erzbischof Stefan Heße selbst wolle die Vision von einer wiedervereinten Kirche nicht aufgeben, auch wenn er selbst es wohl nicht mehr erleben werde, sagte der 50-Jährige bei der Podiumsdiskussion mit der Hamburger Bischöfin. Es habe sich zuletzt zwischen Katholiken und Protestanten so viel bewegt, dass es heute sehr viel mehr Gemeinsames als Trennendes gebe. Jesus Christus habe die Menschen befreit, erinnerte Heße. Vergessen werde dabei oft, dass mit dieser Freiheit produktiv und fair gegenüber anderen umgegangen werden müsse. "Freiheit ist ziemlich anstrengend."
EKD-Kulturbeauftragter hinterfragt Glauben an Kapitalismus
Protestantismus und Kapitalismus hätten sich in der Vergangenheit parallel entwickelt, sagte der EKD-Kulturbeauftragte und frühere Hamburger Hauptpastor Johann-Hinrich Claussen. Noch zu Bismarcks Zeiten galten Katholiken als wirtschaftlich wenig erfolgreich. Dabei hätten die frühen Protestanten Wucher verboten und in manchen Gemeinden Banker von kirchlichen Ämtern ausgeschlossen. Eine Kapitalismuskritik wie in den 1970er Jahren als "Festgeschenk" im Weihnachtsgottesdienst sei heute nicht mehr angemessen. Der Kapitalismus selbst verbreite den Glauben, er sei allmächtig, mahnte Claussen. Dies sei zu hinterfragen, denn es gebe Bereiche wie die Kunst, das Recht und die Religion, die sich einem reinen Wirtschaftsdenken entziehen.
Privataudienz für deutsche Kirchen-Delegation bei Papst Franziskus
Auch bundesweit setzen die beiden großen christlichen Kirchen in Deutschland weiter deutliche ökumenische Akzente. Am Sonntag (5. Februar) reist eine Delegation um den Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, und die stellvertretende Ratsvorsitzende Präses Annette Kurschus nach Rom und wird dort am 6. Februar mit Papst Franziskus zusammentreffen. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Reinhard Kardinal Marx, nimmt ebenfalls an der Privataudienz teil.
Diese Begegnung mit dem Oberhaupt der katholischen Kirche sei „ein weiterer Meilenstein auf dem Weg zu einem ökumenisch gestalteten Reformationsjubiläum 2017“, sagte Bedford-Strohm im Vorfeld. Bei dem Treffen mit Papst Franziskus wolle man unterstreichen, dass die beiden großen christlichen Kirchen in Deutschland eine besondere Verantwortung für den weiteren Weg der Ökumene wahrnehmen wollen, kündigte der EKD-Ratsvorsitzende an.