Schleswig-Holstein: Abschiebestopp für Flüchtlinge aus Afghanistan geplant
11. Januar 2017
Kiel. Schleswig-Holsteins Innenminister Stefan Studt (SPD) ist am Mittwoch der Rücken für seine Erwägung gestärkt worden, für Flüchtlinge aus Afghanistan einen Abschiebestopp zu erlassen. Der Zuwanderungsbeauftragte des Landes, Stefan Schmidt, die Nordkirche, die Diakonie und der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein riefen den Minister dazu auf, entsprechend zu entscheiden. Schmidt bezeichnete den Schritt als "längst überfällig". "Stefan Studt würde damit erneut zeigen, dass ein Landesinnenminister couragiert und der Sachlage entsprechend handeln kann", betonte er.
Die Flüchtlingsbeauftragte der Nordkirche, Dietlind Jochims, verwies auf den Bericht des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR über die sicherheitsrelevante Lage in dem Land am Hindukusch. "Die Rede vom angeblich sicheren Afghanistan steht auf tönernen Füßen", sagte die Pastorin. Sie hoffe, dass Studts Beispiel Schule macht. "Afghanistan ist kein sicheres Land. Abschiebungen dorthin dürfen nicht stattfinden."
Dietlind Jochims: "Afghanistan ist kein sicheres Land"
Das sieht auch das Diakonische Werk Schleswig-Holstein so. "Abschiebungen nach Afghanistan sind grundsätzlich nicht zu verantworten", sagte Landespastor Heiko Naß. "Es ist richtig, dass sich die Landesregierung auch bundesweit für einen Abschiebestopp einsetzen möchte", betonte er. Naß forderte zugleich eine verstärkte Förderung der Integration von afghanischen Flüchtlingen. Die Diakonie befürwortet deshalb die Öffnung der landesfinanzierten Sprachorientierungskurse für diese Menschen. Außerdem setzt sie sich für die Einzelfallprüfung ihrer Asylanträge ein.
Der Geschäftsführer des Flüchtlingsrates Schleswig-Holstein, Martin Link, kritisierte, dass afghanische Flüchtlinge schon länger keine Bleibeperspektiven mehr haben. Seit Anfang 2016 sei die Asylanerkennungs-Quote beim zuständigen Bundesamt für Migration und Flüchtlinge von 79 Prozent auf 47 Prozent "abgestürzt". "Asylanträge von mehr als 10.000 Männern, Frauen und Kindern wurden allein 2016 abgelehnt", beklagte Link. Mit Blick auf die tatsächliche Lage am Hindukusch sei das nicht zu erklären.
Allein 2015 sind nach Angaben des Flüchtlingsrates über 11.000 Verletzte und Tote gezählt worden. Zwischen März 2015 und März 2016 hätten die Taliban 9.827 bewaffnete Aktionen gegen die Sicherheit des Landes durchgeführt. In 14 von 34 Provinzen herrsche offener Krieg, in weiteren 17 Provinzen fänden regelmäßig Kampfhandlungen statt.
Stefan Studt: "Rückführung in Sicherheit und Würde kaum möglich"
Studt hatte am Dienstag darauf hingewiesen, dass sich die Sicherheitslage in Afghanistan in den vergangenen Monaten "noch einmal rapide verschlechtert" hat. Konflikte hätten sich verschärft, die Zahl ziviler Opfer sei gestiegen. Der Innenminister stützte sich auf einen Bericht des UNHCR. Danach sei das gesamte Staatsgebiet von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt betroffen. "Eine Rückführung in Sicherheit und Würde erscheine deshalb kaum möglich", sagte der SPD-Politiker.