Geschichte

Vor 25 Jahren endete Deutschlands längste Kirchenbesetzung

14. Februar 2017 von Thomas Morell

Als im Herbst 1991 rund 60 Asylsuchende samt Unterstützer vor der Kirchentür in Norderstedt standen, wurden sie freundlich aufgenommen. Doch am Ende drohte polizeiliche Räumung. 106 Tage dauerte Deutschlands längste Kirchenbesetzung.

Vor 25 Jahren, am 19. Februar 1992, endete Deutschlands längste Kirchenbesetzung nach 106 Tagen. In den frühen Morgenstunden verließen damals die 15 Asylbewerber und ihre Unterstützer ohne Vorankündigung die evangelische Schalom-Kirche in Norderstedt (bei Hamburg). Trotz all der Schäden, die die Besetzer hinterließen, war der Kirchenvorstand erleichtert, dass es nicht zu der befürchteten Räumung durch die Polizei gekommen war.

Als die rund 60 Asylbewerber am 5. November 1991 vor der Kirchentür in Norderstedt standen, hatten sie bereits eine Odyssee hinter sich. 45 Tage lang hatten sie im Herbst die Anscharkirche in Neumünster besetzt, um gegen ihre geplante Umverteilung nach Mecklenburg-Vorpommern zu protestieren. Am 28. Oktober verließ die Gruppe Neumünster, um nach Greifswald zu übersiedeln. Als sie dort von rechten Hooligans angegriffen wurde, machten sich die Asylsuchenden und ihre Unterstützer mit gecharterten Bussen auf nach Norderstedt.

Wahl für Norderstedt kein Zufall

Dass ihre Wahl auf die Norderstedter Schalom-Kirche fiel, war kein Zufall. Gemeindepastor Helmut Frenz (1933-2011) war bundesweit bekannt als Menschenrechtsaktivist. Frenz war zuvor evangelischer Bischof in Chile unter der Pinochet-Diktatur und später Generalsekretär von Amnesty International gewesen. Außerdem war das moderne Gemeindezentrum mit seinen Polsterstühlen für einen längeren Aufenthalt besser geeignet als eine traditionelle Gemeindekirche mit ihren harten Kirchenbänken.

Mit großem Engagement sorgte die Gemeinde anfangs für ihre Gäste. Sie kümmerte sich um Verpflegung und ärztliche Versorgung, organisierte Fahrten zu öffentlichen Duschen und appellierte an die Landesregierung, die Flüchtlinge in Schleswig-Holstein zu belassen.

Verhärtete Fronten

Doch schon nach kurzer Zeit verhärteten sich die Fronten. Die Unterstützer, die meist aus der autonomen Szene kamen, unterstellten dem Kirchenvorstand zu viel Staatsnähe. Umgekehrt wurde den Unterstützern erklärt, sie missbrauchten die Asylsuchenden für ihre politischen Ziele. Der Kirchenvorstand kündigte das Gastrecht und drohte mit Räumung. Anfangs wollte Pastor Frenz eine polizeiliche Räumung noch verhindern. Doch schon in seiner Weihnachtspredigt kritisierte er die "Fremdherrschaft einer Besatzungsmacht".

Die meisten Asylsuchenden zogen daraufhin nach Mecklenburg-Vorpommern. Am Ende blieben von den anfangs 60 Asylsuchenden nur 15 übrig, meist Kurden. Drei Tage vor dem Ende der Besetzung drohte der Kirchenvorstand ultimativ mit Räumung. Zwei Tage später erstattete er Anzeige bei der Polizei.

Bei ihrem Auszug richteten die Besetzer Schäden von rund 75.000 Euro an. Wände, Türen und Fenster wurden mit Lackfarbe beschmiert, das "Hungertuch" der Gemeinde wurde zerrissen und die Schlösser mit Sekundenkleber zerstört. Wegen "seelischer Erschöpfung" verließ Pastor Frenz vier Monate später die Gemeinde und wurde Menschenrechtsbeauftragter an der Ev. Akademie. Veranstaltungen in Erinnerung an die Kirchenbesetzung sind in Schalom aktuell nicht geplant. Bis Jahresende ist die Kirche derzeit noch wegen Bauarbeiten geschlossen.

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